26. kapitel - Birgt das Buch böse Magie?

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Liebe Sam, 09. 09. 2014

wenn du das hier liest, bin ich bereits tot. Dieses Buch soll dir helfen die Wahrheit zu verstehen, weil ich sie dir nicht mehr erzählen konnte. Die Wahrheit über deine Familie. Die Wahrheit über mich, über dich und warum die Dinge so gelaufen sind, wie sie nun mal gelaufen sind. Egal was du glaubst zu wissen, wahrscheinlich kennst du nicht einmal die Hälfte der Wahrheit. Aber darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Sicher fragst du dich warum dich deine Eltern im Ungewissen lassen. Lass dir gesagt sein, dass sie immer nur das Beste für dich wollen. Deine Mutter glaubt, dass Unwissenheit dein bester Schutz ist und wenn du die ganze Wahrheit kennst, dann wirst du sie verstehen.

Aber ich weiß, dass du die Wahrheit kennen musst. Deshalb habe ich dafür gesorgt, dass du meine Bücher bekommst. Das was mit dir passiert, das ist nichts wovor du dich fürchten musst. Du wirst lernen damit umzugehen. Als es bei mir angefangen hat, habe ich alles dazu aufgeschrieben. Ich denke das wird dir weiterhelfen. Es tut mir leid, dass ich die letzten Jahre vor meinem Tod nicht mehr bei dir sein konnte und besonders tut es mir leid, dass ich dir nicht persönlich sagen kann, was mit dir geschieht. Ich hoffe du kannst mir eines Tages verzeihen.

Sammy, ich liebe dich von ganzem Herzen,

deine Grandma Edith

Mit nassen Augen starrte ich den Brief an und bekam kein Wort heraus. Es war lange her, dass ich etwas von meiner Grandma gehört hatte. Dieser Brief gab mir zum ersten Mal, seit meiner Ankunft in Richland Springs, das Gefühl von Geborgenheit. Ich sah sie vor mir, mit ihren leuchtend, grünen Augen, dem freundlichen, runden Gesicht und den rosigen, schmalen Lippen. Einen Moment lang konnte ich mich sogar an ihr Parfum erinnern, das nach einer Mischung aus Lavendel und Orangen geduftet hatte. Ich las den letzten Satz still für mich. Er brachte das angesammelte Wasser in meinen Augen zum Überlaufen. Tränen fielen auf meine Wangen hinab. Ich liebte sie auch und ich war nie wütend auf sie gewesen. Ich wusste, dass es meine Mom gewesen war, die den Kontakt zwischen ihr und mir zum Erliegen gebracht hatte.

„Krass", unterbrach mich Maliee's erstaunte Stimme. Ich blinzelte die Tränen weg und wischte das salzige Wasser auf meinen Wangen ab.

„Ja", antwortete ich mit kratziger Stimme.

„Meinst du es gibt..."

„Warte mal, da steht noch was", unterbrach ich sie und legte meinen Zeigefinger auf die klein geschriebene Worte, am untersten Rand des Briefes.

„Sam, du sollst noch wissen, dass dich dieses Buch gefunden hat. Wenn du es in deinen Händen trägst, bist du für die Wahrheit bereit. Selbst, wenn es sich für dich noch nicht so anfühlt. Und verzweifel nicht, wenn es sich dir nicht gleich offenbart. Es gibt immer nur das preis, für das du bereit bist." Ich schluckte. Egal wie sehr ich mich auch sträubte. Ich konnte nicht mehr leugnen, dass hier etwas Übernatürliches von statten ging und, dass das auch noch etwas mit mir zu tun haben musste.

„Okay warte mal, habe ich das jetzt richtig verstanden? Du kannst in dem Buch nur das lesen, für das du bereit bist?", fragte Maliee tief versunken in der Thematik. Sie musste schon lange verstanden haben, dass wir es hier mit Magie zu tun hatten. Und sie hatte es verarbeitet, akzeptiert. Ich hatte das nicht. Ich hatte nur eingesehen, dass es keinen Sinn mehr machte sich dagegen zu währen. Dafür gab es zu viele Beweise. Aber akzeptiert, angenommen hatte ich diese Sache noch lange nicht. Ich war also so etwas wie eine Hexe? Und meine Grandma war es auch gewesen? Und meine Mom? War meine Mom auch keine Hexe?

„Sam?"

„Ja ähm ich denke mal."

„Sie hat den Brief an meinem 15. Geburtstag geschrieben", flüsterte ich heiser, als mein Blick auf das Datum fiel.

Zufall oder Magie? (1. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt