22. Kapitel - Jayden und ich haben etwas gemeinsam?

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Mein Gefühl hatte mich bisher noch nie getäuscht und die Panikattacken erst recht nicht. Das beklemmende Gefühl wurde stärker. Ich versuchte ruhig zu bleiben und es weg zu atmen. Manchmal funktionierte das. Wenn dieses einengende Gefühl von meiner Kehle, zur Lunge und schließlich zu meinem Herz wanderte, versuchte ich immer ganz tief einzuatmen und mir bewusst zu machen, dass nichts passieren könnte. Das einengende Gefühl überkam mich schneller, als ich damit gerechnet hatte. Meine Atmung war nun hektisch und unregelmäßig. Meine Kehle wurde trocken und als dieses Gefühl bei meinem Herz angekommen war, brachte es meinen Herzschlag aus dem Rhythmus. Ich war wie angewurzelt. Ich konnte keinen Ton mehr von mir geben. Angst breitete sich in mir aus. Die Kontrolle hatte ich verloren und fing an mich in die Sache hineinzusteigern. Ich bildete mir ein, dass ich nicht mehr atmete. Ich bekam keine Luft mehr. Nichts. Mein Herz pochte so schnell in meinem Brustkorb, dass ich nichts mehr hörte, außer dieses dumpfe Pochen.

Die Panikattacke hatte mich beinahe komplett überwältigt, da trafen sich plötzlich unsere Blicke... und auf einmal war alles vorbei. Ich konnte wieder atmen, mein Herz schlug normal und die Beklemmungen waren von der einen Sekunde auf die Andere, einfach verschwunden. Fassungslos wagte ich es nicht den Blickkontakt zwischen ihm und mir zu unterbrechen. Was war gerade passiert? Was zum Teufel war hier eben passiert? Ich war längst an einem Punkt gewesen, an dem ich für gewöhnlich in Ohnmacht gefallen wäre. Und bisher hatte mich niemand vor einer Ohnmacht bewahren können, wenn ich diesen Punkt überschritten hatte. Wie kann es also sein, dass mich Jayden wieder in die Realität gebracht hatte, obwohl er nur dort gestanden und mir gleichgültig in die Augen gesehen hatte?

„Alles okay bei dir? Du sieht aus, als hättest du einen Geist gesehen", stellte er fest und machte einen Schritt auf mich zu. Langsam nickte ich und befreite mich endlich aus der Starre. Der letzte Rest Beklemmung fiel von mir ab. Nur die Nervosität und die Übelkeit, die ihm geschuldet waren, blieben.

„Du hast mir Angst gemacht. Ich dachte du kippst jede Sekunde um." Ich? Angst? Ihm? Warum sollte er Angst um mich haben?

„Wieso?", flüsterte ich heiser.

„Du bist kreidebleich geworden und hast regungslos in den Wald gestarrt."

„Ähm, ich habe mich nur an etwas erinnert", entgegnete ich knapp und lief zu ihm.

„Hm, wenn du meinst. Dann lass uns weiter gehen." Ich nickte und folgte ich ihm stumm durch den Wald. Man könnte meinen ich sei nicht ganz bei Trost. Die Panikattacke hatte mich definitiv vor diesem Vorhaben gewarnt. Es war gar nicht möglich, dass ich meine Intuition falsch verstanden hatte. Aber ich ignorierte es. Klar, Jayden könnte mich überall hinführen. Er könnte mich entführen, er könnte mich alleine mitten im Wald zurücklassen. Ich folgte ihm trotzdem. Warum? Ich hatte keine Ahnung. Obwohl ich mich so unwohl fühlte, hatte ich nicht den Eindruck, dass Jayden dafür verantwortlich war. Vielleicht klang es völlig schwachsinnig, aber irgendwie war ich mir sicher, dass ich vor ihm keine Angst zu haben brauchte. Irgendwie hatte ich sogar diesen schrägen Gedanken, er würde auf mich aufpassen.

„Was willst du bei diesem Haus?"

„Ich gehe davon aus, dass du das Gespräch zwischen Michelle und mir mitbekommen hast?", entgegnete ich, ohne dabei auf seine Frage einzugehen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mir die Ausrede, die ich bei Michelle benutzt hatte, nicht abkaufen würde. Also suchte ich nach einer Neuen, die plausibler war.

„Ja, aber das beantwortet meine Frage nicht."

„Doch."

„Du meinst, weil deine Eltern..."

„Gestorben sind?", beendete ich seinen Satz, nachdem die letzten Worte nicht über seine Lippen hatten gehen wollen. Jayden wirkte so, als wäre ihm alles gleichgültig, als wäre ihm alles egal und als hätte er das größte Selbstbewusstsein, das ich je gesehen hatte. Seltsam, dass er diese Worte nicht aussprechen wollte.

Zufall oder Magie? (1. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt