Kapitel 17

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Kapitel 17

»Wer das ist?«, wiederholte ich Duhans Frage und er nickte.
»Ediz, er ist neu hier«, antwortete ich ihm, obwohl ich eigentlich selber nichts über diesen Ediz wusste.
»Hab ihn sowieso noch nie hier gesehen«, meinte Duhan und ich erkannte nicht mehr diese altbekannte Ruhe in seiner Stimme. »Warum setzt er sich zu dich?«
Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und schielte wütend zu Ediz.
Ich wusste nicht weshalb, aber diese Situation gefiel mir und brachte mich zu einem leichten Grinsen. »Keine Ahnung, soll ich ihn fragen?«
»Ich will nicht, dass du dich zu ihm setzt.«
»Warum?«
»Merkst du das nicht? Der fällt doch gleich auf dich drauf!«
Ich biss mir auf die Lippe, um nicht loszulachen, jedoch merkte er mein nun schon breit gewordenes Grinsen.
»Gefällt dir das, dass er dich gleich aufessen wird?«
»Aufessen?«
Mein Lachen war nicht mehr zu unterdrücken.
»Ja, guck mal, wie der guckt!«
Wie auf Knopfdruck sah ich zu Ediz, der angefangen hatte, zu essen.
»Ganz normal«, behauptete ich.
»Nein, du erkennst sowas eben nicht. Setz dich am besten zu mir.«

»Zu dir, ist das denn dann nicht auffällig wegen der ganzen-«
»-Nein, ist mir egal, neben mir ist noch ein Platz frei!«, unterbrach er mich und zeigte auf seinen Platz und den freien Platz daneben.
»Okay?«, fragte er und genau da wurde der freie Platz neben seinem besetzt.
»Zu spät«, seufzte ich.
»Dann setzt du dich halt auf meinen Schoß aber bloß nicht neben diesen Penner.«
»Du spinnst doch!«, lachte ich, weil ich ihn nicht ernst nehmen konnte.
»Das ist mein voller ernst, Nevra«, zog er mich zu seinem Platz.
»Duhan, das ist doch jetzt ein Scherz, oder?«, fragte ich und wurde nervös.
Er schüttelte jedoch den Kopf. »Neben so einem Psychopathen lass ich dich nicht hinsetzen.«
»Wie gut, dass du auf einem Blick erkennst, wer ein Psychopath ist.«
»Glaubst du mir nicht?«, fragte Duhan und setze sich hin.
»Doch ja, aber-«
»-Nichts da aber«, unterbrach er mich und tatsächlich setze ich mich seitlich auf seinen Schoß. Peinlich berührt sag ich mich um, doch niemanden schien das zu stören. Als sich unsere Blicke trafen, da mischte ich mich in das Braun seiner Augen. Es brachte mein Herz zum schneller schlagen, ein Kloß bildete sich in meinem Hals und ich begann nervös zu werden.

Er löste seinen Blick von meinem, weshalb ich beschämt runter sah. Vergebens versuchte ich mein zu laut schlagendes Herz zu beruhigen. Saß ich gerade ehrlich auf seinem Schoß? Ich konnte es kaum glauben.
Peinlich.

»Warte, wetten, du kleckerst auf mein Haar«, meckerte ich, als er essen wollte und nahm ihm den Löffel ab. Ein Grinsen breitete sich in meinem Gesicht, welches mich sofort ansteckte. Ich tunkte den Löffel in die Suppe und führte ihn dann zu seinem Mund. Wieso machte ich das?
War es ehrlich nur, weil er mich ansonsten mit Suppe beschmutzen würde? Garantiert nicht... oder?
Ich war mir meiner Gedanken nicht sicher.
»Bin ich jetzt ein kleines Kind?«, fragte er als ich den Löffel wieder in die Suppe tat und erneut zu seinem Mund führte.
»Ja, ein eifersüchtiges kleines Kind«, behauptete ich mit einem frechen Grinsen.
»Ich versuche dich doch bloß vor Idioten zu beschützen!«
»Ich weiß, ich weiß!«, lachte ich.
»Das ist also dein Danke. Pf.«
»Hallo? Ich füttere dich, was willst du mehr?«
»Hast Recht«, stimmte er mir endlich zu.
»Jetzt iss!«, beendete ich unsere Konversation. Mit Mühe versuchte ich durch meine zittrige Hand nichts zu verschütten. Ich glaube, da war es sogar besser, wenn er selbst aß.

Nach dem Essen, standen wir beide auf und da kam wieder die Mirabelle zu uns. Sie hatte ein breites Grinsen im Gesicht. »Duva', du sollst wieder zum Caput!«, verkündete sie und strahlte dabei.
»Wieder?«, stöhnte Duhan.
»Dieses mal mit guten Nachrichten, also beeil dich!«
Sie ging.

»Gute Nachrichten. Als ob. Wetten die hat wieder irgendetwas rausgefunden«, stöhnte Duhan.
»Lass hin, dann kriegen wir es raus«, lächelte ich und wir machten uns gemeinsam auf den Weg zum Caput.
»Duhan, aber irgendwie war das ja voll unhöflich zu Ediz«, meinte ich nach kurzem nachdenken.
»Hör auf, über ihn zu denken.«
»Ja, aber er ist neu hier! Das heißt dich, dass neulich etwas bei ihm passiert sein muss, dass er hier gelandet ist.«
»Seine Eltern hatten ihn bestimmt satt und jetzt hör auf, über ihn nachzudenken.«
Wir standen nun vor dem Caput.
»Ich glaube, es ist besser, wenn du rein gehst«, meinte ich. Duhan nickte und betrat das Caput.

Ich hingegen lehnte mich an die Wand.
»Hi, Nevra!«, rief Ediz, der plötzlich auftauchte und kam an meine rechte Seite. »War das gerade eben dein Freund?«
»Ich glaube, das hat dich nicht zu interessieren«, sagte ich kalt. Das Gefühl, dass er nur Probleme verursachen würde, wurde stärker in mir.
Er lachte. »Also doch dein Freund?«
Ich schwieg.
»Er hält dich ja an einer sehr kurzen Leine.«
»Leine?«, fragte ich, obwohl ich mir vorgenommen hatte, nicht mit ihm zu reden.
»Ja, sieht so aus, als könntest du nicht einmal mit jemand anderem reden.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Hat man doch gesehen. Deshalb wolltest du also, als ich nach dem Caput gefragt habe, dass ich nichts mit dir zutun habe.«
»Das stimmt nicht. Sowas bildest du dir bloß ein.«
»Dann ist es doch kein Problem, wenn ich mit dir befreundet bin?«, fragte er gerissen und lächelte triumphiert.
»Wäre es nicht, aber schon mal daran gedacht, dass ich dich vielleicht nicht leiden kann?«
»Hart«, lachte er. Seine blauen Augen strahlten dabei. Das gemischte Grün darin war kaum noch zu erkennen in der Sonne. »Du kannst mich leiden. Mehr als du sogar denkst, Nevra.«
Er griff mit deiner Hand nach meinem Arm und zog mich näher zu sich.
Ich hob eine Braue. »Wieso sollte ich?«
»Weil große Lieben mit Hass anfangen.«
Ich riss meine Hand von ihm los.

»Ediz Kaya?«, hörte ich den Psychologen sprechen.
»Na dann«, sprach Ediz zu mir und ging in den Raum.
»Arschloch«, zischte ich bloß wütend.
Was bildete der sich ein? Boah und ich hatte auch noch Mitleid mit dem!
Wie konnte man bloß so viel Selbstvertrauen besitzen, dass man sowas zu jemandem sagt, den man nicht einmal einen Tag kennt?
Duhan hatte Recht.
Ediz ist ein Psychopath!

In dieser Sekunde noch kam Duhan aus dem Caput. Er hatte ein sehr breites Grinsen im Gesicht. Das Glück in ihm konnte man deutlich spüren und es steckte einen mit sofortiger Wirkung an.
Er umarmte mich plötzlich fest. Ein Schwall von unbekannten Gefühlen überhäufte mich, als ich die Umarmung erwiderte.

Kurz löste Duhan sich von der Umarmung, blickte in mein Gesicht und sprach. »Meine Mutter wird operiert. Kannst du das glauben, Nevra? Seitdem du da bist, wird alles immer besser! Du bist mein Glücksbringer!«
Mit diesen Worten umarmte er mich wieder fest. Ich brachte kein Wort aus mir heraus, ich hätte die Situation sowieso nicht beschreiben können und dieses Gefühl...
Es war als drehte sich die Erde für den Moment nur um uns.

Der SehnsuchtsfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt