Kapitel 43

2.2K 169 11
                                    

Kapitel 43

»Was sollte das?«, rief ich Mahsun an.
»Wie, was sollte das? Du wolltest Narin doch nicht mehr wiedersehen.«
»Ja, aber was zerrst du mich da raus? Ich hätte ihr meine Meinung gesagt und Ende.«
»Nein hättest du nicht«, lachte Mahsun und verdrehte die Augen. »Du hättest in ihr jämmerliches verzweifeltes Gesicht gesehen und ihr sofort verziehen.«
Oh shit. Er kannte mich besser, als ich selbst. Schweigend sah ich runter.
»Hey, weißt du eigentlich, dass ich der glücklichste Mensch der Welt bin, wenn du bei mir bist?«
Seine Worte waren weich.
Was sollte das denn schon wieder heißen? So schnell er das auch gesagt hatte, so schnell war er auch im anderen Zimmer, während ich geschockt um mich herum blickte. Was sollte ich bloß tun? Ich war so ratlos.

»Lass uns raus«, sagte er wenig später zu mir. »Frische Luft wird dir guttun.«

Ich nickte nur und verließ das Haus. Ein Zettel war am Briefkasten eingeklemmt. Darauf stand eine Nummer in Narins Schrift. Ich nahm den Zettel in die Hand und zerknüllte ihn sofort, als Mahsun kam.
»Was ist das?«
»Nichts.«
Ich steckte die Nummer sofort in die Hosentasche. »Können wir gehen?«
»Sofort, Prinzessin.«

»Ich sollte mir langsam eine Wohnung anschaffen«, sprach ich, als er schon fuhr. Das Ganze fühlte sich so gar nicht nach einem Neuanfang an.
»Wieso hast du es so eilig?«
»Deine Eltern kommen bald zurück. Ich will kein Umstände bereiten.«
»Machst du nicht! Meine Eltern sehen dich als Tochter.«
Nein. Er würde es nicht verstehen. Ich wollte endlich Ruhe. Ich wollte, dass all dieser Stress zu ende war und ich in meinem eigenen Haus war, mit meinen Regeln. Mein Blick hing aus dem Fenster.
»Sag, wieso willst du sofort weg? Hab ich etwas falsch gemacht?«
»Mahsun, können wir das Thema beenden?«
Der Wagen stoppte abrupt, sodass ich beinahe nach vorne geflogen wäre. Ich sah Mahsun entsetzt an. Er hielt noch mit Kraft das Lenkrad. »Wieso willst du nicht mit mir reden?«
»Das hat nichts mit dir zutun!«
»Sag doch, dass du dich nach diesem Wichser sehnst.«
»Wovon sprichst du?«
Hatte er Ahnung davon, was ich für Duhan empfand? Wenn ja... woher?
»Wen willst du hier verarschen? Du bist so kalt zu mir, seit dieser Ediz gekommen ist. Gib es zu.«
»Was? Nein!«
Ich entsicherte den Gurt und lief aus dem Wagen. Auf diese Diskussion hatte ich keine Lust.
»Nevra, steig wieder ein!«
»Und dann!?«

Ich hatte mit einer starken Stimme geschrieen, meine Augen waren weit geöffnet und ich war wutgeladen. »Willst du mir noch mehr Vorwürfe machen!?«
»Ich schwöre, ich schweige. Wenn nicht, kannst du heute noch abhauen von meinem Haus und ich kläre gleich nach unserer Ankunft das mit dem neuen Haus.«
Widerwillig stieg ich ein. Er schwieg tatsächlich die ganze Zeit und als wir ankamen, war er auch nicht mehr zu sehen.
Ich war trotzdem wütend. Dass er es wagte, so weit zu gehen. Das hatte ich ihm einfach nicht zugetraut.

Ich saß in der Küche und wartete darauf, dass Bechir wiederkam. Er meinte, er wird mir eine Lösung für das Problem mit Kiraz finden. Ich jedoch wollte sie einfach nur wiederhaben. Dafür würde ich mein Erbe abgeben.

In der Zwischenzeit legte mir Laetitia eine Schale mit Kirschen auf den Tisch. Ich musste grinsen. »Ihr habt welche geholt??«
»Nein«, lächelte sie. »Die hat der Herr Ediz gebracht. Er hat eine ganze Menge geholt..«
Herr Ediz. Die beiden Worte passten einfach nicht zusammen. Ich war ihm unendlich dankbar dafür.

Ich begann zu essen und wurde immer ungeduldiger. Es war eine geschlagene Stunde vergangen, als es endlich klingelte. Ich rannte sofort zur Tür und öffnete sie, bevor es ein Bediensteter hätte tun können und lächelte triumphierend! Bechir und Ediz.

»Woher kennst ihr euch?«
Ich wartete nicht einmal darauf, dass sie ihre Jacken auszogen.

Bechir lächelte nur darüber. »Nevra, nachdem du im Heim warst, bin ich übergewechselt in die Firma deines Onkels, um die Lage abzuchecken. Die Firma deines Onkels ist nicht mehr das, was es mal früher war. Die Rivalen sind besser geworden und haben es ausgenutzt, dass alles unstabil war, weil deine Eltern gestorben sind. Alles, worauf dein Onkel gebaut hat, war das Erbe, was er nicht bekommen hat. Er wird untergehen.«
»Ich hätte es ihm wirklich gegeben, hätte er mich nicht im Heim rotten lassen«, gestand ich. Bechir fuhr fort. »Ich bekam es früher mit als dein Onkel und bin sofort zu dir, damit er deine Unwissenheit nicht ausnutzen kann. Ich glaube ab da sollte dir Ediz den weiteren Teil erklären.«
Ediz sah auf den Tisch. Seine Haltung war angespannt. »Ich war in einem anderen Waisenhaus mit meiner Schwester Sude. Sie wurde adoptiert und ich dazu überzeugt, mit dir zu heiraten und das Geld dann mit deinem Onkel zu teilen. Im Gegensatz würde ich meine Schwester wiederbekommen.«
»WAS!? Das ist doch nicht dein ernst!?«
»Doch ist es.«
»Warum gerade du?«
»Es hätte jeder sein können, aber ich bin es nunmal. Warum ich? Frag das lieber deinem Onkel.«

»Und dann?«, forderte ich.
»Ich hab halt das Waisenhaus gewechselt und du warst dann mein Ziel. Du hast es nur geschafft, meine Sichtweise zu ändern und Bechir auch. Du weißt doch noch, dass die Trennung zwischen den Jungen und den Mädchen viel zu schnell aufgehoben wurde? Erst da wurden Cour und Lear aufgeklärt von deinem Onkel und mit Geld bestochen.«

Er wirkte nun wieder besorgt. »Was ist jetzt mit Kiraz? Wie wollt ihr sie zurückholen?«
»Ich gehe ganz einfach dahin und biete ihm das Geld.«
»Ach ja und Nevra, als ich euch während eurer Zeit im Waisenhaus besuchen wollte, haben sie mich nicht reingelassen. Sie haben gesagt, ihr würdet es nicht wollen. Dasselbe könnte auch für Duhan gelten.«

Der SehnsuchtsfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt