Kapitel 11

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Kapitel 11

Es war Morgen geworden. Ich stand am Fenster und blickte ins Freie. Die Worte von Duhan gestern, erst jetzt realisierte ich sie. Raus- weg von diesem Gefängnis, auch wenn es nur der Abend oder die Nacht war. Ich hatte mich so danach gesehnt, mich frei zu fühlen, dass ich Angst bekam, enttäuscht zu werden.

»Guten Morgen!«, begrüßte mich Kiraz, die gerade aufgewacht war. Sie reckte und streckte sich, als ich mit einem leichten Lächeln zu ihr sah und:

»Guten Morgen«, erwiderte.

Kiraz stand auf und zog sich an. Ich dachte währenddessen immer noch über gestern nach.

»Machst du mir die Haare?«, ertönte Kirazs klangvolle Stimme da. »Meleks Mutter macht sie auch. Immer noch.«

Es war wie ein Stich. »Natürlich«, gab ich ihr Bescheid und versuchte mein Mitgefühl nicht so deutlich zu machen. Mitleid. Ich hasste es so sehr. Es ließ einen erbärmlich fühlen und das wollte ich nicht, gerade weil sie eine starke Person war und ihre Gefühle so perfekt verstecken konnte, obwohl sie noch so jung war.

Ich band ihr Haar zu einem französischen Flechtzopf, welchen ich früher immer so gerne hatte und war stolz darauf, dass es mir einigermaßen gelang. Am Ende sah ich mir alles von vorne an. Ihr schwarzes Haar sah makellos aus, ihre Lippen kirschrot und die Haut blass... alles harmonierte, sie sah zum beneiden aus.

»Du bist wunderschön«, flüsterte ich und ihre Wangen nahmen einen Hauch von roter Farbe an.

»Danke«, nuschelte sie verlegen.

Ich merkte, wie sie jedes Wort von mir einprägte. Es bedeutete ihr viel mehr, als ich es gedacht hätte und das ließ mich fürchten etwas falsches zu sagen und noch größere Angst hatte ich davor, still zu bleiben.

»Komm, lass uns essen«, meinte ich und wir gingen zur Mensa. Gemeinsam setzten wir uns hin und begannen zu essen. Ich wurde immer nervöser wegen Duhans Plan. Würde es klappen? Für mich klang das alles eher wie in einem Film. Wie sollten wir das schaffen?

Nachdem Kiraz gegangen war und die Mensa immer leerer wurde, mussten wir wieder die Tische putzen. Ich ekelte mich so sehr davor, dass ich die ganze Zeit versuchte, die Luft anzuhalten. Am Ende fegte Duhan und ich wusch mir die Hände.

Die Spannung stieg in mir. Als er dann zu mir kam und lächelte, da konnte ich mich kaum halten.

»Bereit?«, fragte er. Ich nickte.

»Dein Teil der Aufgabe ist einfach. Sehr einfach.«

Er holte aus seiner Hosentasche einen Schlüssel. »Der Schlüssel sieht in etwa so aus wie der vom Tor.«

»Woher hast du den?«

Er grinste. »Lass das mal mein Geheimnis bleiben. Also ich muss den Schlüssel mit dem vom Tor ändern, der bei der Cour ist.«
Wie verdammt noch einmal kam er an einen Schlüssel, der dem vom Tor ähnelte?

»Wie willst du das anstellen?«

Eine Verzweiflung packte mich. Wie sollte das gehen? Wo hatte ich mich da mal wieder eingelassen?

»Da kommt dein Part«, erklärte er und steckte den Schlüssel in seine Hosentasche. »Du regst dich wieder im Caput auf und willst dein Foto haben, den von deinen Eltern. Die haben keine Ahnung, dass du das hast. Du musst nur dazu kriegen, dass die Cour mit dir beschäftigt ist. Außerdem wäre es auffällig, wenn du an einen Tag danach verlangst und am anderen es nicht einmal erwähnst.«

»Klingt schwer.«

»Ist es aber nicht.«

»Mhm«

Der SehnsuchtsfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt