Kapitel 55

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Kapitel 55

»Nein! Das kommt hierhin!«, herrschte uns die Leiterin des Organisationsteams an. Sie war den ganzen Tag beschissen drauf und musste alles an uns herauslassen. Ach, Kirsche, was tat ich alles nur für dich?
»Alles muss perfekt sein!«, rief sie weiterhin streng. Ich machte alles locker und ließ mich von ihr nicht die Laune verderben. Heute war ja ein besonderer Tag. Ich konnte es nicht abwarten, meine Kirsche in ihrem Kleid zu sehen.

»Der Tisch dahin!«, brüllte sie beinahe in mein Ohr und ging dann an mir vorbei, als sei ich ein Penner oder so was. Der Tisch war auch nicht gerade leicht, ich bekam ihn gerade mal fünf Zentimeter vom Boden, schon rutschte er mir wieder aus der Hand und ich hatte keine Kraft. Als ich es wieder versuchte, klappte es ohne Mühe, denn plötzlich half mir jemand. Ich war so überrascht, als ich nach oben sah und die Ruhe selbst erblickte.

»Zu schwer?«, grinste Duhan.
»Nur ein bisschen«, untertrieb ich und wir brachten den Tisch an die richtige Stelle.
»Wann hast du dich dazu angemeldet?«, fragte ich sofort und umarmte ihn dann.
»Gleich nach dir, du hättest Bescheid geben sollen.«
»Das sollte geheim sein! Weiß Kirsche Bescheid?«
»Die kriegt doch eh nichts mehr von der Welt mit.«
»Hast Recht. Sie schwebt auf Wolke sieben.«
»Und du nicht?«

Er küsste mich zärtlich auf die Wange und schon hörten wir ein Räuspern. Es war die Teamleiterin. »Wenn ihr rumknutschen wollt, geht raus!«

Mir war es egal. Ich war glücklich. Der Rest war scheiß-egal. Ich malte mir tausend Bilder im Kopf aus, wie Kiraz reagieren würde und wie sie tanzen würde und wie glücklich sie wäre. Ihr Glück war mein Glück- und so würde es bleiben.

Das hier kommt hierhin, das hier kommt dahin. Irgendwann waren wir endlich fertig. Ich war schon aus der Puste und grinste vor mich hin. Duhan tanzte mit mir, bis die Schüler anfingen herzukommen. Wir mussten also auf unsere Positionen und aushelfen, bla bla, ich suchte sowieso nur mit meinen Augen nach Kirsche.
»Bleib locker«, lachte Duhan. Ich sah ihn mit einem "halt-bloß-die-Fresse"-Blick an und suchte weiter. Als sie endlich kam und das in Begleitung, hätte ich kreischen können. Kiraz sah wow aus. Ihr Kleid passte wie angegossen, ihre Haare waren perfekt, sie lächelte breiter als jeder andere und hatte ihre Finger in die von Ediz verschränkt.

»Oh Gott, ich glaub ehrlich nicht, dass Kirsche sich so was antut«, flüsterte Duhan neben mir und ich schlug mit meinem Ellbogen gegen die Rippen.
Bloß nicht kreischen, dachte ich. Das war so süß, so beneidenswert, so perfekt. Obwohl ich ja wusste, dass die beiden zusammen herkommen würden, war ich trotzdem überwältigt. Jetzt war gab es nur noch Mission-Kiraz-darf-mich-nicht-sehen.

Denn wenn sie mich sehen würde, würde sie sich anders verhalten, als wenn nicht. Ein langsames Lied wurde gerade gespielt und Ediz legte seine Hand um ihre Taile, nahm ihre rechte Hand, während Kiraz ihre freie Hand auf seine Schulter tat.

»Ist Ediz Pedophil?«, fragte Duhan. Ich schenkte ihm dafür einen vernichtenden Blick. »Noch ein dummer Spruch und du hast keine Freundin mehr.«
»Willst du mich heiraten oder was?«
Ich musste lachen. »Ganz bestimmt nicht.«
»Du hältst es keine Woche ohne mich aus.«
»Wie bescheiden!«
»Du liebst mich.«
»Ach ne.«
»Und du würdest mich aushalten, wenn ich alt und grau wäre?«

Eine Antwort brauchte ich nicht geben, ich drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, woraufhin er mich in seine Atme zog.

»Sie sieht glücklich aus«, meinte Duhan dann und sah nachdenklich zu Kirsche und Ediz. Uff, ich hätte gerne ihr Gespräch gehört, wie kam es, dass sie zusammen hierher kamen? Waren die etwa schon ein Paar? Ich musste sie noch ausquetschen. »Wer ist es nicht, wenn er die Person bei sich hat, die er liebt?«

»Scheint so. Ich will das aber nicht akzeptieren. Kirsche ist noch zu jung. Außerdem sollte Ediz wissen, dass sie noch zu jung ist. Und sie ist zu jung.«
»Du hast aber viele Argumente«, spottete ich und verdrehte die Augen.

Kiraz sah eher so aus, als würde sie schweben, als tanzen und in meinem ganzen Leben hatte ich Ediz noch nie so gesehen, als seien alle seine Wünsche in Erfüllung gegangen. Ich holte schnell meine Kamera und machte heimlich Fotos.
»Du bist krank, weißt du das?«, erwiderte Duhan darauf.
»Halt's Maul und mach deine Aufgaben.«
»Ich mach das hier grad auch für dich? Du könntest mal mithelfen.«
»Nö, du kannst das doch so viel besser.«

Ich kicherte nebenbei, weil die Fotos richtig gut wurden.
In dem Moment wurde das Lied langsam leiser, weil es zu ende ging. Ediz und Kirsche wurden auch immer langsamer, bis Ediz mit seinen Händen ihr Gesicht hielt und sie küsste. Oh mein Gott. Ich konnte es nicht fassen und Duhan hinter mir wohl auch nicht. Er spannte sich sofort an. »Das ging zu weit.«

»Sie ist kein Kind!«, zischte ich, versuchte ihn aufzuhalten, in die Menge zu stürzen und musste nebenbei Fotos machen. Uff, Duhan erschwerte alles nur. Nachdem ich einige Bilder hatts, legte ich die Kamera beiseite und musste wirklich darum kämpfen, dass Duhan die beiden in Ruhe ließ.

»Dieser Typ verarscht sie bloß!«, behauptete er.
»Sei leise. Tut er nicht. Duhan! Duhan!«

Er sah gar nicht zu mir, sondern war stark konzentriert darauf, jeden Augenblick Ediz eine schlagen zu können.

Ich küsste ihn einfach. Es war wohl die Einzige Möglichkeit, ihn abzuhalten, aber es funktionierte für den Moment, für einen langen Moment, denn er zog mich näher an sich unf ich legte meine Hände an seine Brust und genoss den Augenblick. Er war so behutsam und so sanft und in mir entfachten so viele Gefühle gleichzeitig.

»Du nutzt es aus«, meinte er, als er seine Stirn gegen meine lehte.
»Nein«, protestierte ich und er küsste mich wieder. Dieses Mal nur ganz kurz.

Ich nahm seine Hände und sah ihm dann lange in die Augen. Da ich jetzt sowieso alle Bilder hatte, die ich sowieso machen wollte, wollte ich gehen. Ich nahm noch kurz die Kamera und zerrte danach Duhan aus dem Gebäude. Wir verbrachten den Tag zusammen und er brachte mich dann nach Hause. Es war spät geworden und ich sah mir am Laptop noch einmal die Fotos an. Einige lud ich auf mein Handy, schrieb Ediz eine Nachricht, dass er Kirsche heil zurückbringen soll und verlinkte absichtlich das Foto mit dem Kuss darauf.

Ich grinste frech, als ich es abschickte und da polterte es an meiner Tür. Ich sprang auf und öffnete sie. Schwer ausatmend betrat Bechir die Wohnung und reichte mir sein Laptop.

»Was ist los?«, fragte ich.
»Die Aufnahme, es gibt sie doch.«

Ich setzte mich mit ihm auf die Couch und öffnete die Aufnahme.

Mein Mund klappte auf. Es war unser altes Haus am Tag des Brandes und da war Mahsun, der doch behauptet hatte, dass er an diesem Tag in Paris war, besoffen, mit einer Flasche in der einen und Zigarette in der anderen Hand.
Wer eine Zigarette hat, hat auch ein Feuerzeug, oder?

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Countdown läuft. Nur noch 5 Kapitel.

Der SehnsuchtsfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt