Kapitel 37

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Kapitel 37

Ich saß an die Wand angelehnt auf meinem Bett und hatte die Bettdecke weit über mich gezogen. Es war stickig im Raum. Aus dem Fenster heraus konnte man erkennen, wie schwarz heute die Nacht war. Die Sterne schienen kraftloser als an anderen Nächten, der Mond machte sich nicht die Mühe, ein helles strahlendes Licht zu schenken. Die Innere Leere war so bedrückend, als ob eine Säure mein Inneres weggeätzt hatte und nur mein Herz dagelassen hatte. Es schlug langsam und klagend. Es brannte förmlich. Ich spürte einen tiefen Schmerz. Die Wunden waren frisch. Alles um mich herum war verschwommen, durch die salzigen Tränen, die unaufhaltsam meine Wange durchstreiften und einen dunklen Fleck auf meinem Oberteil hinterließen. Mein leises verzweifeltes Schluchzen war das Einzige, was ich hörte. Alles in mir schrie, doch ich bekam nicht mehr durch den schlimmen Kloß, der sich Platz in meinem Hals gemacht hatte, hindurch, als mein niedergeschlagenes Schluchzen. Ich zitterte und gleichzeitig war mir heiß.

Ich hatte meine Arme um meine Beine geschlungen, die ich näher an meinen Körper drückte. Das Atmen fiel mir so schwer. Meine Lippen bebten. Es tat verdammt weh. Das drückende Gefühl in meiner Brust wurde nach jedem Schluchzen beängender. Meine Finger froren so sehr, dass ich dachte, sie würden abfallen. In meinem Kopf war ein einziges Bild. Das Bild von Nazan. Ein einziger Name. Duhan.
Ich wollte schreien, aber ich bekam nichts heraus. Ich wollte aufstehen und alles, was ich in die Finger bekam gegen die Wand schmettern, aber dazu war ich zu schwach. Ich spürte meine Füße kaum. Meine Knie waren Wackelpudding. Mein Gesicht fühlte sich zu heiß an. Ich spürte, wie rot es wurde.
Ich war so verzweifelt, dass ich Selbstmitleid bekam. Duhan. Mein Herz schlug noch immer im Takt seines Namen. Ich vermisste seine verdammte Nähe. Ich vermisste seinen Geruch, ich vermisste seine Augen, seine Stimme und die Ruhe, die er wiederspiegelte. Ich wollte ihn sehen. Er sollte bei mir bleiben und mich auf mein Haar küssen. Er sollte mir sagen, wie sehr er mich liebte. Duhan sollte mich lieben und nicht diese Nazan. Er sollte mein Bild so verträumt ansehen und nicht ihres!

Ich merkte nicht einmal, dass Kiraz in den Raum kam. Nicht einmal hörte ich, dass sie sprach. Erst, als sie mich am Arm anfasste, schreckte ich zurück. Sie legte sich zu mir und redete auf mich hinein. Es war, als hätte ich Ohrstöpsel dran. Ich hörte nichts. Die Tränen wollten nicht aufhören, mein Körper wurde immer schwerer. Irgendwann lag ich im Bett, schloss die Augen fest und versuchte zu Schlafen, aber ich konnte es einfach nicht. Bis spät in die Nacht hinein blieb ich wach und weinte. Ich hoffte inständig, dass die Tränen irgendwann aufhörten, doch sie taten es nicht, bis ich einschlief.

Der nächste Morgen brachte zu schnell an. Ich versuchte aufzustehen, doch ich flog mitten auf meine Fresse. »Ah!«, quickste ich. Meine Stimme war mir gar nicht vertraut. Mit Mühe hielt ich mich auf den Beinen und gluckste in den Spiegel. Wer war denn dieses hässliche Mädchen?
Nein! Ich war wieder zu diesem Ungeheuer geworden, dessen rot gewordenen Augen bald herauskommen würden, das tiefe Augenringe hatte und dessen Gesicht blass wie das einer Leiche war. Die Haare sahen zerzaust aus. Sie standen in jede Ecke ab und sahen kraftlos aus. Meine Lippen waren gerissen und blutrot. Wahrscheinlich hatte ich die Nacht daran genagt.

Ich fing wieder sofort an zu weinen. Mein Herz tat noch viel zu sehr weh. Duhan. Wieso bekam ich seinen dämlichen Namen nicht aus den Kopf?
Wieso? Wieso? Wieso!?

Ich ließ mich einfach auf den Boden fallen und legte mein Gesicht in meine Hände, als die Tür plötzlich aufgerissen wurde. Dieses mal hörte ich es genau. Es war viel zu laut. Kiraz erschien am Türrahmen. Ich wischte mir sofort die Tränen weg, als ob das alles besser machen würde.
»Du wusstest es, oder?«, fragte sie mich mit leicht bebender Stimme und einem Gesicht voller Kummer.
"Was?", wollte ich sie fragen, doch bekam nur ein Brabbeln heraus.
»Du wusstest es und hast es mir nicht gesagt!«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie fortfuhr. »Deshalb hast du gestern geweint!«
Was? Wie? Wusste sie etwa? Aber woher? Konnte es sein, dass sie meine Gefühle für Duhan kannte?
»Was?«, piepste ich.
Kiraz wischte sich die Träne von Gesicht und sah mich verwirrt an. »Wie? Weißt du es nicht?«
Mein Kopf pochte zu sehr. Ich konnte nicht richtig nachdenken. Kiraz nahm es mir nicht übel und erklärte mir sofort, was sie meinte und wirklich, ich hatte gedacht, dass mein Herz jetzt geschmerzt hatte und von noch mehr Schmerz verschont wurde, aber da hatte ich mich schrecklich geirrt, denn das, was sie sagte, war eine noch größere Qual.
»Weinst du nicht, weil Duhan gestern Nacht aus dem Heim gegangen ist?«

Der SehnsuchtsfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt