7 Umwege

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Tom und Martin waren sauer. Der Flug sollte um 10 Uhr morgens starten, nun war es 13 Uhr, und Vulture Air – sie hatten der Fluglinie diesen Namen verpasst, weil der richtige der eines viel edleren Vogels war, den sie nicht mehr verdiente – rührte sich nicht. Außer einem Getränkegutschein und der Auskunft, im Cockpit sei ein Fenster geplatzt und müsse ersetzt werden, gab es keine weitere Information.

Der Ärger steigerte sich, als der Pilot kurz nach dem Start um 14 Uhr durchsagte, dass sie zuerst Rhodos anfliegen müssten. Ursprünglich sollte die Boeing 727 von Frankfurt über Athen nach Rhodos fliegen, wo sie aber in der Dunkelheit nicht landen durfte. Also musste die Route geändert werden. Sie dachten an Sandy und Nikos, die längst am Flughafen sein mussten.

Die Anzeigetafel im Athener Flughafen verkündete, die Maschine aus Frankfurt würde mit 4 Stunden Verspätung landen. Nikos und Sandy fuhren wieder nach Agios Andreas.

Auf Rhodos wurden alle Passagiere aus dem Flieger gescheucht, weil er aufgetankt werden musste. Die Sitze der Athen-Reisenden wurden mit „Reserviert"-Schildern versehen.

Im Warteraum machte bald das Gerücht die Runde, es seien nicht genug Plätze an Bord. Unruhe breitete sich aus. In der Dämmerung wurde die Tür zum Flugfeld geöffnet, und Massen deutscher Touristen stürzten zu den beiden Treppen vorne und hinten am Flugzeug. In dem Tumult tat sich eine ältere Frau hervor, die sich schirmschwingend vordrängelte. 13 Plätze fehlten. Tom und Martin mochten mit allerlei Bösewichten fertig geworden sein, gegen geballte teutonische Urlauberwut hatten sie keine Chance. Wehmütig blickten sie dem Flugzeug hinterher.

Sandy und Nikos schauten ungläubig auf die Anzeigetafel. Der Flug würde sich um weitere vier Stunden verspäten. Die neue Ankunftszeit war acht Uhr. Wieder fuhren sie nach Hause.

Tom und Martin starrten in das schwarze Nichts. Die Lichter an der Landebahn, aber auch im gesamten Flughafengebäude waren erloschen. Nur in einer kleinen Bar warteten 13 Deutsche zusammen mit einer ausgesprochen hübschen Olympic-Stewardess auf ein Ersatzflugzeug. Die junge Frau erklärte ihnen, sie würde sie mit Getränken versorgen (es gab warme Fanta, ausschließlich) und auch mit nach Athen fliegen.

„Ich denke, es gibt ein Nachtlandeverbot?" meinte Tom.

„Nur für internationale Flüge, für Olympic reicht die Beleuchtung, die wir haben."

Die Frage, woher denn das Flugzeug kommen sollte, beantwortete sie nicht.

Martin hatte da so eine Ahnung. Er wies Tom auf eine alte DC-3 der Olympic hin, die an der Seite des überschaubaren Flughafengebäudes stand. Ein Mechaniker steckte mit beiden Armen in einem der Motoren. Tom hatte von dem legendären Flugzeugtyp gehört und hoffte, sie würden tatsächlich mit dieser Maschine ausgeflogen. Martin hoffte exakt das Gegenteil.

Sie versuchten, in Agios Andreas anzurufen, doch es gab keine Verbindung zum Festland. Das passierte ständig, entschuldigte sich die Stewardess.

Sandy und Nikos waren hoffnungsfroh gestimmt. Die Maschine sollte nun tatsächlich um halb neun landen. Sie warteten am Ausgang. Viele Deutsche strömten aus dem Gebäude und gingen zu den Bussen der Reiseveranstalter, aber keine Spur von Martin und Tom. Nikos fragte am Schalter der Vulture-Air nach, und man sagte ihm, einige Passagiere seien noch auf Rhodos. Sie würden mit einer Olympic-Maschine nachkommen.

Der Mechaniker war fertig. Er schloss die Verkleidung des Triebwerks und kletterte mit seinem Werkzeugkasten die kurze Leiter vom Flügel herunter. Dann steuerte er zielstrebig die Bar an, grüßte die Anwesenden freundlich und verschwand auf der Toilette. Minuten später erschien er frisch gewaschen und in Pilotenuniform. Wie von Geisterhand leuchteten schwache bläuliche Lichter entlang der Startbahn auf.

Die richtigen Leute Band 3: Der schönste Ort auf Gottes ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt