Auf dem Weg zum Verpflegungszelt beobachteten sie, wie eine Militärmaschine landete. Dave kannte sich in diesen Dingen aus:
„Woher haben die denn das Flugzeug? Das ist eine Noratlas, wahrscheinlich in Frankreich gebaut."
„Das ist also unser Flieger," meinte Martin. Er hatte die Entfernung nach Benghazi berechnet, eine Tagesreise mit dem Jeep. Es musste ein schnelleres Transportmittel geben, sonst könnten sie ihr Programm an der Akademie vergessen.
Eine Stunde später hockten sie mit einigen Soldaten auf Klappsitzen an der Kabinenwand des eigentümlichen Flugzeuges, das einen kurzen, dicken mittleren Rumpf hatte und zwei schlanke äußere, an denen Propeller und Leitwerk angebracht waren. Auf dem Metallboden des sehr geräumigen Laderaums lagen etliche identische Rucksäcke.
„Ob die wohl abspringen?" meinte Dave, der die Rucksäcke als Fallschirme erkannte. „Ich hätte ja auch Lust."
„Bist Du schon mal gesprungen?"
„Ja, einer der wenigen Vorteile von Sandhurst. Man kann eigentlich alles ausprobieren, was mit Militär zu tun hat."
„Frag doch mal den Ausbilder."
Dave bat Mahmoud, den Vorgesetzten der Soldaten zu fragen. Der war Engländer und antwortete direkt. Sie würden kurz vor Benghazi abspringen. Wenn sie wollten, dürften sie, meinte er.
Dave zögerte keine Sekunde. Tom bat ihn um eine Einführung, es kribbelte. Wie Dave das beschrieb, konnte eigentlich nichts passieren, wenn man sich bei der Landung nicht zu ungelenk anstellte. Allerdings waren die Militärfallschirme klein, die Geschwindigkeit bei der Landung ziemlich hoch, aber sie waren doch durchtrainiert. Natürlich wäre es von Vorteil, den Fallschirm nicht zu spät zu öffnen. Tom konnte nicht widerstehen, Phil, Nikos und Martin auch nicht. Von den Musikern hatte nur Sam Interesse, der meinte, er wäre so leicht, dass ihm gar nichts passieren könnte.
Der britische Ausbilder erklärte ihnen noch einmal alles ganz genau. Sie hatten ja genug Zeit. Spiros, der sich zu Toms Überraschung nicht gemeldet hatte, zeigte Anzeichen von Nervosität. Mehrmals ermahnte er sie, an ihr Ringertraining zu denken. Immer wieder hatten sie geübt, wie man fällt, ohne sich die Knochen zu brechen. Das sollten sie beherzigen.
Sie sahen schon das Mittelmeer, als die Seitentür geöffnet wurde. Schneidend kalter Wind zog in die Kabine. Tom beobachtete aufmerksam, wie die Soldaten mit zwei Schritten Anlauf über die Schwelle sprangen. Er fühlte ein Ziehen in den Eingeweiden, schaltete sein Gehirn aus und sprang. Und fiel und fiel. Gerade erst hatte er die Freiheit der endlosen Wüste gespürt. Das hier war die Steigerung.
Er zählte, wie von dem Ausbilder vorgegeben, langsam auf zwanzig und riss an der Leine. Sekundenbruchteile später wurde er gebremst, aber er fing an zu pendeln. Wild schlingerte er hin und her, bis ihm einfiel, er sollte in diesem Fall mit den beiden Seilen lenken. Tatsächlich beruhigte sich der Schirm, doch der Erdboden kam immer noch ganz schön schnell näher.
Er lenkte den Schirm so, dass er schräg auf den Boden zukam, und als seine Zehenspitzen den Sand berührten, fing er an zu rennen. Er überschlug sich und verhedderte sich in diversen Schnüren, aber er war unversehrt. Mit zittrigen Händen löste er sich aus den Leinen und rannte zu Nikos, der 200 Meter entfernt aufgekommen war. Laut jubelnd umarmten sie sich. Die anderen kamen hinzu und schrien ihr Glück in die Wüste.
Ein Jeep näherte sich in einer Staubwolke. Sie stiegen auf und trafen eine Stunde später die anderen in der Militärakademie von Benghazi. Ihre Euphorie war immer noch nicht abgeklungen. Sam durfte berichten, seine Stimme überschlug sich.
„Das war jetzt aber wirklich besser als Sex," meinte Martin.
Alle stimmten zu, nur Sam war sich nicht sicher. Ihm fehlte der Vergleich.
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Die richtigen Leute Band 3: Der schönste Ort auf Gottes Erde
Ficción históricaDie abenteuerliche Reise geht weiter. Nachdem Dave sich plötzlich einem Erpressungsversuch durch die IRA ausgesetzt sieht, reisen Tom und Martin nach London, um ihm bei der Problemlösung zu helfen. Dabei lernen sie weitere „richtige Leute" kennen, d...