36 Hass, Wut, Rache

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Am Freitagabend traf sich die Gruppe in dem Studentenhaus in Exarchia. Nachdem alle auf demselben Kenntnisstand waren, gab es reichlich Diskussionsbedarf. Schon Stephanos' Ölgeschäfte waren einigen ein Dorn im Auge. Nikos überzeugte sie aber, dass das verdiente Geld genau in ihrem Sinne angelegt würde.

Die Zusammenarbeit der Gruppe selbst mit den Libyern war wesentlich umstrittener. Die finanzielle Seite war wichtig, das sahen alle so, und die Libyer zahlten gut. Auf der Waagschale lagen aber inzwischen zwei Tote. Die Skrupellosigkeit schreckte viele ab. Basilis und der Alte Mann hatten die Besprechung bisher nur moderiert, nun schaltete sich der Professor ein:

„Es ist richtig, dass wir dringend Geld brauchen. Wir müssen noch eine Reihe von Stützpunkten ausstatten. An den Universitäten wird es nach Ende der Ferien Widerstand geben. Auch das zu organisieren, kostet Geld. Aber sollen wir mit einem Regime zusammenarbeiten, das wir bekämpfen würden, wenn es unseres wäre? Und was noch niemand angesprochen hat: wir setzen unsere Leute einer unkalkulierbaren Gefahr aus, wenn wir sie nach Libyen schicken. Die bringen ihre eigenen Leute um. Was ist, wenn ihnen mal einer von uns nicht gefällt?"

Darüber hatte niemand außer den Betroffenen je nachgedacht. Martin unterbrach das allgemeine Gemurmel:

„Bei uns heißt es, „Wer mit dem Teufel frühstücken will, muss einen langen Löffel haben." Ich will sagen, wenn wir weiterhin mit denen Geschäfte machen, dann muss die Übergabe hier stattfinden. Hier haben wir das Risiko eher im Griff, in Libyen ist man denen immer ausgeliefert."

„Du würdest aber grundsätzlich weitermachen?" fragte Basilis.

„Wenn wir einen anderen Abnehmer finden, der uns so viel Geld für diese blöden Listen aus Souda bezahlt, umso besser. Wenn nicht, sollten wir weitermachen, finde ich."

Tom hatte diese Versammlung mehr oder weniger initiiert. Er musste im Oktober nach Libyen, dieses eine Mal noch.

„Ich möchte Euch bitten, dass wir erst mal weitermachen. Ich muss unbedingt im Oktober nach Benghazi. Ich will nicht in die Einzelheiten gehen, aber ich muss einen Freund dort rausholen. Mein Pferd soll Mitte Oktober mit einem Frachter von Benghazi nach Athen gebracht werden. Es war nie die Rede davon, dass ich es abhole, aber das muss ich, um einen Vorwand zu haben. Bitte sorgt dafür, dass eine Lieferung für die Libyer zeitlich so liegt, dass ich kurz vorher nach Benghazi fahren kann."

„Ich wüsste gerne etwas mehr," sagte der Alte Mann. „Für mich klingt das so, als ob Du jemanden heimlich aus Libyen herausschmuggeln willst. Davon wissen die Behörden, und Dein Freund Gaddafi, also nichts. Das wäre gefährlich für Dich, und vermutlich auch nicht gut für unsere Geschäftsbeziehung. Ich sehe nämlich nicht, dass wir die beenden."

Tom überlegte einen Augenblick, dann gab er sich einen Ruck und fasste Samirs Schicksal in wenigen Sätzen zusammen.

„Du willst einen Verwandten von Gaddafi aus Libyen entführen? Tom, das ist Selbstmord."

„Okay, ich werde Gaddafi einweihen. Wenn ich ihn richtig einschätze, wird er einverstanden sein."

„Ich möchte mich Toms Bitte anschließen, ich kenne Samir auch und habe sein Tagebuch gelesen," unterstützte ihn Martin, dessen Wort nach wie vor überproportionales Gewicht hatte. Sein Appell stellte Einstimmigkeit her. Sie versprachen, eine Lieferung so zu terminieren, dass Tom, ohne dass es ungewöhnlich erschien, den Kurierdienst übernehmen konnte.

Die Sache mit dem Pferd hatte einige neugierig gemacht. Tom und seine Mitfahrer berichteten über ihre beiden Reisen nach Afrika. Herr Lakis kommentierte spöttisch:

„Ich wollte auch immer schon mal ein Pferd geschenkt bekommen. Könnt Ihr mich nicht mal dahin schicken?"

„Vielleicht werden Sie ja nach Tripolis eingeladen, Herr Lakis, obwohl, in der Militärakademie in Benghazi gibt es auch einen schönen Exerzierplatz, wo Sie dann mal eine schöne Hinrichtung miterleben dürfen," meinte Tom, dem es nicht gefiel, dass er sich gerade diesen Punkt herauspickte.

Die richtigen Leute Band 3: Der schönste Ort auf Gottes ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt