34 Ich zähle die Tage

4 3 0
                                    

Tom, Nikos, Martin und Manos zogen ihre besten Sachen an, um wenigstens annähernd wie Geschäftsreisende zu wirken. Auch ihre Gepäckstücke hatten sie sich nach diesem Kriterium zusammengeliehen. Sie begleiteten Manos, den Künstler, zu Gesprächen in Rom, so lautete ihre Geschichte, sollte sie jemand fragen. Ein Album mit Fotos seiner Werke war ihr Beweis.

Allerdings fragte sie niemand. Der Beamte an dem Eingang für Privatflieger warf nur einen oberflächlichen Blick in ihre Ausweise, die Zöllner beachteten sie gar nicht. Ihr Flugzeug war ein kleiner Jet mit vier bequemen Ledersitzen, der einer zypriotischen Chartergesellschaft gehörte. Die Piloten sprachen Griechisch. Sie änderten den Kurs, sobald sie den von Athen kontrollierten Luftraum hinter sich hatten.

Nach knapp zwei Stunden landeten sie in Benghazi. Der Learjet flog zurück nach Zypern. Er würde sie in zwei Tagen wieder abholen, versprach der Pilot. Mahmoud nahm sie auf dem Flugfeld in Empfang, das inmitten abgeernteter Felder am Fuße karger Hügel östlich der Stadt lag, die von dieser Seite noch trister wirkte. Sie war hier kaum mehr als eine Ansammlung einfacher Lehmhütten. Immerhin gab es Strom, wenngleich die Leitungen abenteuerlich aussahen.

In der Militärakademie trafen sie den Chef des Militärgeheimdienstes, dem sie auch beim letzten Mal die Papiere übergeben hatten, der aber diesmal Uniform trug. Er erklärte ihnen freundlich, das Geld würden sie am Abreisetag bekommen. Vorher könnten sie es nicht sicher aufbewahren.

In der Mittagszeit sollten sie in der Akademie Oberst Gaddafi treffen. Mahmoud würde sie rechtzeitig wieder herbringen. Tom brannte ein ganz anderes Thema auf den Nägeln:

„Wer hat eigentlich unseren Gefangenen erschossen, nachdem wir ihn freigelassen haben?"

„Wieso erschossen? Meine Information ist, dass er in ein paar Tagen mit dem Schiff in Tripolis ankommt."

„Er ist westlich von Athen tot aufgefunden worden, das Bild war in der Zeitung. Kein Zweifel."

„Entschuldigt mich bitte einen Moment."

Er verließ den Raum. Unter dem Vorwand, frische Luft schnappen zu wollen, gingen sie auch nach draußen, um ohne Zeugen zu diskutieren, ob der Mann ein begnadeter Schauspieler oder wirklich ahnungslos war. Schließlich war das Bild des Ermordeten in der Zeitung erschienen. Martin meinte, sie würden es schon merken, nämlich wenn er sie nach Einzelheiten fragte.

Genau das tat er. Ihre Antworten auf seine zahlreichen Fragen fasste er zusammen:

„Es gibt also außer Eurem Fahrer nur eine einzige Person, die wusste, wo er war, nämlich die Person, die er angerufen hat."

Martin ging einen Schritt weiter:

„Sein Auftraggeber im libyschen Geheimdienst, Al-Masri, ist tot. Also muss es in Athen noch jemanden geben, der sozusagen zwischen jenem und unserem Einbrecher stand. Der hatte offenbar Angst, es könnte ihm ergehen wie Al-Masri, und er hatte einen Zeugen, unseren Mann."

Der Geheimdienstmann sah ihn lange an. Alle schwiegen.

„Wenn Du mir jetzt noch den Namen sagst, kannst Du auf der Stelle bei uns anfangen."

„Danke für das Angebot, aber erstens fühle ich mich in meiner Gruppe wohler, und zweitens, selbst wenn ich einen Namen wüsste, was nicht der Fall ist, würde ich ihn nicht sagen. Ich will nicht für den nächsten Toten verantwortlich sein."

„Das habe ich mir gedacht. Abgesehen davon denken wir beide ja wohl an denselben."

Martin kommentierte das nicht weiter. Nicht nur ihm, auch Tom und Nikos war klar, an wen alle im Raum dachten, auch wenn sie ihm einen Mord niemals zugetraut hätten. Martin hoffte inständig, der libysche Händler wäre inzwischen ganz weit weg. Noch besser wäre natürlich, in Polizeigewahrsam.

Die richtigen Leute Band 3: Der schönste Ort auf Gottes ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt