Pünktlich um zehn betraten die drei Jungen ehrfürchtig die heiligen Hallen des deutschen Fernsehsenders, die in Wirklichkeit kleine, mit Akten, Büchern und Technik vollgestopfte Zimmer in einem Altbau waren. Irgendwie enttäuschend, fand Tom. Er fragte die junge Frau im Empfangsbüro nach Hans, doch der war unabkömmlich. Der Grund war nicht zu überhören: der Studioleiter, dessen Stimme Tom und Martin aus der Tagesschau kannten, hatte anscheinend einen cholerischen Anfall. Aus dem Nebenzimmer kamen Flüche und Verwünschungen in übelstem Berliner Hinterhofjargon.
Die Sekretärin erklärte etwas verlegen:
„Der Chef freut sich, dass er schon wieder nach Belfast darf. Hier ist ein Brief für Dave. Ich soll Euch sagen, Ihr sollt am Abend in der Wohnung sein, wenn Gerda nach Hause kommt."
Dave schaute sich das Schreiben an. Hans hatte geflunkert, das Interview würde um 13 Uhr stattfinden, und so konnte er noch ein bisschen Zeit mit Tom und Martin verbringen.
Die feinen Wassertröpfchen, die bisher als feiner Dunst in der Luft geschwebt hatten, beschlossen spontan, sich zusammenzutun, wodurch sie schwer genug wurden, um als Regen den Jungen auf die Nerven zu gehen. Dave als gelernter Engländer wusste die Lösung:
„Museum ist umsonst und trocken. Lasst uns Akropolis gucken."
Martin verstand nicht. Tom konnte helfen. Er erzählte die Geschichte des von Sophia so titulierten Diebes Lord Elgin.
Dave führte sie zielsicher zum British Museum, das sie nach wenig mehr als zwanzig Minuten erreichten. Der Eintritt war frei, sodass sie nur einen Kurzführer für ein paar Pence kaufen mussten. Kurze Zeit später standen sie in einem endlos langen, schlauchartigen Raum. An beiden Wänden hing das Umlauffries des Parthenon, effektvoll beleuchtet. Sie bewunderten die jahrtausendealten Figuren.
„Sophia hat recht, die sollten nicht in England sein, die gehören nach Athen," meinte Tom.
Dave war nicht zum ersten Mal hier, seine Schule machte regelmäßig Ausflüge in die Londoner Museen. Er wollte den beiden Deutschen unbedingt noch seinen Lieblingsraum zeigen.
„Mumien!" Tom und Martin waren baff.
„Ja, wir haben uns eben überall bedient," meinte Dave sarkastisch. Martin fand die Ausstellung gruselig:
„Ich möchte nicht wissen, was hier nachts los ist, da könnte man sicher ganze Filme drehen."
Tom hingegen war fasziniert. Hatten die Menschen, die in den Tüchern konserviert waren, den Bau der Pyramiden miterlebt? Er versuchte, telepathischen Kontakt aufzunehmen wie zu den Schäfchen in Delphi, aber die Mumien schwiegen.
Für Dave wurde es Zeit, und so brachten sie ihn zu einer Haltestelle am Russell Square, wo die Überlandbusse hielten. In einer kleinen Bar aßen sie eine Portion Chips mit Spiegeleiern und wärmten sich mit einem großen Pott Tee auf.
„Ich muss mich noch mal bedanken, dass Ihr gekommen seid. Was für ein Glück, dass wir Hans und Reiner getroffen haben. Tom, wenn ich Dir von meinem Freund George schreibe, meine ich die IRA. Ich melde mich, sobald es etwas Neues gibt."
Bevor er sich verabschiedete, riet er ihnen noch, die National Gallery am Trafalgar Square zu besuchen:
„Da ist es auch warm, trocken und umsonst, und wenn Ihr nicht gerade in dem Saal mit den ganzen Maria-und-Jesus Bildern landet, hängen da tolle Sachen rum."
Sie umarmten sich zum Abschied.
„Wir sehen uns dann in Athen," meinte Martin weltmännisch, und Tom fügte hinzu:
„Sind nur noch acht Monate, Dave, dann sind wir wieder da, wo immer die Sonne scheint."
„Und wo Anna wartet," ergänzte Dave.
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Die richtigen Leute Band 3: Der schönste Ort auf Gottes Erde
Ficción históricaDie abenteuerliche Reise geht weiter. Nachdem Dave sich plötzlich einem Erpressungsversuch durch die IRA ausgesetzt sieht, reisen Tom und Martin nach London, um ihm bei der Problemlösung zu helfen. Dabei lernen sie weitere „richtige Leute" kennen, d...