Kapitel 40🏮

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Yoongi hatte das trügerische Gefühl, dass der Boden mit Angst getränkt war und seine Füße bei jedem Schritt mehr davon aufsaugen würden. Bleiern lief er den Krankenhausflur entlang und mahlte sich die unterschiedlichsten Szenarien in seinem Kopf aus. Am meisten fürchtete er sich vor Herr Kwons möglicher Reaktion.

Seine Finger schlossen sich unsicher um die Klinke des Krankenzimmers, aus dem die dumpfen Stimmen nach draußen drangen. Jetzt war es noch möglich einen Rückzieher zu machen. Aber Yoongi war es langsam Leid vor seinen Problemen davon zu rennen, wie elender Feigling.

Er klopfte kurz gegen die Tür und betrat nach einer kurzen Bestätigung den Raum. Herr Kwon saß aufrecht in seinem Bett und verfolgte auf dem Fernsehbildschirm ein veraltetes Kdrama.

Als er Yoongi entdeckte, verbeugte er sich freudig. „Herr Min? Kann ich Ihnen noch bei irgendetwas helfen?"

Yoongi ballte seine Hände zu Fäusten, bis seine Knöchel weiß hervortraten. „I-ich möchte Sie eigentlich nicht belästigen Sir...a-aber es gibt da etwas...i-ich würde Ihnen gerne etwas erzählen", stammelte er hilflos vor sich hin. Er schaffte es nicht den Augenkontakt zu halten.

Herr Kwon lächelte nach wie vor und deutete nun auf einen Stuhl. „Natürlich mein Junge. Setzen Sie sich doch."

Yoongis Gliedmaßen wollten ihm nicht gehorchen. Er schüttelte abwehrend den Kopf. „N-nein, schon gut, das dauert auch nicht lange – " Yoongi legte sich in seinem Kopf schon mal die passendsten Worte zusammen, bemerkte aber schnell, dass es die nicht gab. Seine Atmung verschnellerte sich rapide und sein Mageninhalt schien sich ankündigen zu wollen. „S-Sir es tut mir leid, i-ich glaube es war doch keine gute Idee hierher zu kommen –"

Yoongi drehte sich hastig zur Tür, da ertönte plötzlich Herrn Kwons sanfte Stimme. „Sie hätte Sie gemocht."

Yoongi versteifte sich augenblicklich in seiner Bewegung, jegliche Faser in seinem Körper war angespannt. Beinahe wie in Zeitlupe drehte er sich nach hinten. „W-was?"

Herr Kwon lächelte traurig, in seinen Augen glitzerten die ersten Tränen. „Ich wollte immer den Mann kennenlernen, der sein Leben riskiert hat, um das meiner Tochter zu retten."

„W-woher – "

„Ich habe Sie jeden Tag von meinem Fenster aus beobachtet und gehofft Sie würden wenigstens einmal bei mir klingeln. Ich wollte Sie einmal auf der Polizeistation besuchen, aber man hat mir gesagt, Sie wären nicht mehr dort. Aber ich wollte mich doch so gerne bei Ihnen bedanken. Sie sind nicht Derjenige, der mir meine kleine Yuna weggenommen hat", meinte Herr Kwon mit zittriger Stimme.

Yoongi klammerte seine Finger um den Türgriff, da seine Beine Anstalten machten ihm nachzugeben. Seine Sicht verschleierte sich und eine tonnenschwere Last schien sich auf seinen Brustkorb gelegt zu haben. ,,E-es tut mir so unendlich leid, S-Sir."

Herr Kwon schüttelte den Kopf und wischte sich über die feuchten Augen. ,,Wie könnte ich Ihnen denn böse sein, mein Junge. Bitte tun Sie mir und Yuna den Gefallen und seien Sie nicht so hart mit sich selbst."

Yoongi wäre dem älteren Herrn am liebsten um den Hals gefallen und auf der Stelle in Tränen ausgebrochen. Es war nicht die Last, die gerade von seinen Schultern abfiel, sondern der Gedanke an den Schmerz, den dieser Mann durchmachen musste.

Herr Kwon winkte Yoongi schwach lächelnd in seine Richtung. Der Schwarzhaarige lief zögernd auf ihn zu, woraufhin der Tierheimleiter nach seiner Hand griff. ,,Ich möchte Sie noch um einen Gefallen bitten. Kommen Sie doch nächstes Wochenende mit Jimin zu mir nach Hause. Ich möchte Sie gerne zum Essen einladen. Ich würde mich sehr freuen."

Yoongi brachte nur ein schüchternes Nicken zu Stande. Herr Kwon lächelte zufrieden. ,,Und passen Sie mir gut auf den Jungen auf."

Zum ersten Mal seit langem bemerkte Yoongi einen Hauch von Verlegenheit in sich aufkeimen. Seine Wangen färbten sich rosa und sein Blick senkte sich auf den Boden. Herr Kwon hingegen schmunzelte wissend und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Seine Augen tränten nach wie vor. ,,Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie hierher gekommen sind."

Yoongi nickte hastig. Er hätte gerne noch etwas erwiedert, aber seine Beine trugen ihn umgehend aus dem Krankenzimmer. Im Flur sank er ersteinmal auf die Knie und vergrub das Gesicht in beiden Handflächen. Noch nie zuvor hatte er sich so befreit gefühlt, wie in diesem Moment. Er ließ seinen Tränen endlich freien Lauf. 


Die Aussprache mit Herrn Kwon ging jetzt vergleichsweise schnell, wenn man das ganze Hin und Her der letzten 40 Kapitel bedenkt, aber es hat mich sehr emotional gemacht🥺

Vielen lieben Dank fürs lesen😊💜




Never without you // YOONMINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt