Kapitel 1🏮

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Der junge Koreaner richtete seinen Hemdkragen, samt dem Schlips, den er sich nur provisorisch um den Hals gebunden hatte. Es war das erste Mal für den Dunkelhaarigen, dass er sich geschäftsbedingt so in Schale werfen musste und hoffentlich blieb es auch bei dieser einen Ausnahme!

Kritisch betrachtete er sein Outfit im Spiegel und seufzte ausgiebig. Es war lange her, das er sein Jackett aus dem Schrank holen musste. Zuletzt vermutlich an seiner verpatzten Hochzeit vor vier Jahren. Daher spannte der Stoff auch etwas um seinen Bizeps.

Man konnte nicht leugnen, dass Yoongi in den letzten Jahren deutlich an Muskelmasse dazugewonnen hatte. Während seiner Highschoollzeit hatte man ihn oft genug wegen seiner zierlichen Figur verspottet und ihn als einen schwächlichen Lauch betitelt. Seitdem besuchte er regelmäßig das Fitnessstudio und nutzte jede freie Gelegenheit, um ein bisschen Sport zu machen. Jetzt befand sich Yoongi selbst in der Position jemanden fertig zu machen, anstatt sich sinnlos anpöbeln zu lassen.

Mit einem letzten Blick in den Spiegel, verließ der Privatdetektiv seine, im Vintage-Stil gehaltene, Wohnung und inhalierte die warme Frühlingsluft. Würde wohl nicht so lange dauern bis er die Hitze unter seinem dunkelgrauen Anzug zu spüren bekam.

Er stieg in seinen SUV, tippte eine Route ins Navi ein und startete den Motor.

Es dauerte einige Minuten, bis er die triste Siedlung ansteuerte und vor einem heruntergekommenen Wohnhaus zum Stehen kam.

Yoongi sog hörbar die Luft ein und strich die die Strähnen aus seiner Stirn.

„Das wird schon", murmelte er vor sich hin, als er den teuren Wagen verriegelte und mit großen Schritten auf das Tor schritt. Das Klingelschild war Spröde und zum größten Teil schon so verblasst, dass man nur mit Mühe den Familiennamen erkennen konnte. Die Pflanzen und kleineren Sträucher waren bereits alle verwuchert und auch die Fassade des Hauses machte nicht den Eindruck, als ob sie das nächste Jahrzehnt noch aushalten würde.

Eine kleine, etwas schmächtigere Frau öffnete Yoongi die Tür und säuberte die Hände an ihrer Schürze, bevor sie sich durch die lockige Mähne strich. „Kann ich Ihnen helfen?", fragte sie etwas verwundert und beäugte den jungen Koreaner skeptisch. Es war allerdings unübersehbar, wie stark ihre Finger zitterten.

Yoongi versenkte seine Hände in beiden Jackettaschen und rang sich ein mildes Schmunzeln ab. „Es tut mir leid, dass ich Sie belästigen muss Frau Lee. Mein Name ist Min Yoongi, ich bin Kunsthistoriker und an Ihren alten Mingvasen interessiert, die Sie im Internet versteigern wollen. Ich möchte Ihnen einen fairen Preis machen", flunkerte Yoongi mit einem aufgesetzten Lächeln, da er eigentlich nur die Absicht hatte, das Haus zu betreten.

Der Privatdetektiv beobachtete, wie sich die Gesichtszüge der älteren Frau merklich entspannten und sie zur Seite trat, um Yoongi Platz zu machen.

Yoongi verbeugte sich höflich und ließ den Blick unauffällig durch die Wohnung schweifen.

„Ich zeige Ihnen die guten Stücke", meinte die Frau hastig und eilte an dem Dunkelhaarigen vorbei, um keine Minute später mit zwei Kniehohen Vasen in beiden Armen wieder zurückzukommen. Sie stellte das Porzellan vorsichtig auf den Boden und trat einen Schritt nach hinten, damit Yoongi sie in Ruhe begutachten konnte.

Dieser ließ seine Finger über die Keramik gleiten und schmunzelte zufrieden, als sich sein Verdacht bestätigte.

Räuspernd wandte er sich an die Anwohnerin. „Frau Lee? Wie viel sind die Vasen denn Ihrer Meinung nach wert?"

„So wie ich es in der Anzeige erwähnt habe. 4 Millionen Won", erklärte die Angesprochene und richtete ihre Schürze.

Yoongi verschränkte die Arme vor der Brust. „Sind Sie sich da auch ganz sicher? Wie wäre es denn stattdessen mit 5000 Won? Ich finde das wirkt ein wenig realistischer. Oder wollen Sie etwa leugnen, dass es sich bei der Keramik um eine Fälschung handelt?"

Der Privatdetektiv zog forsch die Brauen nach oben, als er beobachtete wie der Frau die Gesichtszüge entglitten und sie ihre Finger krampfhaft um die Schlaufe der Schürze klammerte. „W-wie bitte? 5000 Won? Das ist ja wohl eine bodenlose Frechheit ..."

„Dass Sie den Leuten das Gelb aus der Tasche ziehen, ist wohl eine noch größere Frechheit, finden Sie nicht? Selbst ein Amateur würde erkennen, dass diese Vasen nicht aus der Mingdynastie stammen, sondern einfach nur aus einem billigen Möbelhaus. Wer ist denn sonst noch in Ihre krummen Geschäfte eingeweiht?"

Jegliche Farbe war aus dem Gesicht der Frau gewichen und glich somit einem fahlen Bettlaken. „Was erlauben Sie sich eigentlich?"

Sie wollte ihre Arme nach der Vase ausstrecken, doch Yoongi reagierte gefasst genug, um ihre Handgelenke zu umfassen. „Ich habe Sie doch augenscheinlich beim Kochen gestört oder? Wohnen Sie hier alleine oder sind Sie mit jemandem zum Essen verabredet?"

Yoongi schielte in die Küche, an dessen Esszimmertisch zwei Teller und das jeweilige Besteck gedeckt worden waren.

Die Frau schüttelte hastig den Kopf. „Natürlich wohne ich hier alleine!"

Yoongi ließ von ihr ab und lief schnurstracks in Richtung Küche, wo ihn ein verführerischer Duft von einer scharfen Chillipaste und eingelegten Meeresfrüchten empfing. Über einen der Esszimmerstühle hing eine Jeansjacke, die in keinem Fall der schmächtigen Anwohnerin gehören konnte.

„Sie dürfen hier nicht einfach so reinspazieren!", protestierte Frau Lee empört, doch die Nervosität in ihrer Stimme war unüberhörbar.

Yoongi ignorierte sie geflissentlich und steuerte auf eine augenscheinliche Speisekammer zu, aus der er ein gedämpftes Husten vernehmen konnte. Er schob den Vorhang zur Seite und gab die Sicht auf einen zusammengekauerten Mann frei, der nicht viel älter sein mochte, als er selbst.

Dessen Blick huschte nervös zu der älteren Frau, als er anfing zu jammern. „Eomma?!"

„Idiot! Hättest du dich nicht besser verstecken können?!", fluchte sie lautstark und schielte bissig auf Yoongi, der den jungen Mann auf die Beine zog. „Ihr Sohn hat Ihnen vermutlich bei der Anzeige geholfen, nicht wahr?"

Doch anstatt etwas zu erwidern schnappte sich die Frau eine Suppenkelle und lief damit drohend auf Yoongi und ihren wimmernden Sohn zu, bei dem sich der Privatdetektiv nun nicht mehr wundern brauchte, warum er immer noch im Hotel Mama wohnte.

„Nehmen Sie ihre Griffel von meinem Sohn! Sie können uns doch überhaupt nichts nachweißen! Was glauben Sie eigentlich wer Sie sind, dass sie einfach so in unsere Wohnung stürmen und uns der Kunstfälschung bezichtigen?!"

Bei jedem Wort schlug die Frau mit dem Küchengerät auf Yoongi ein, der nun gezwungen war von dem jungen Mann abzulassen, um sich gegen diese hysterische Furie zu verteidigen. „Hören Sie doch auf damit, Frau Lee!"

Der metallische Suppenlöffel traf Yoongi mitten auf die Stirn und sorgte dafür, dass seine Beine nachgaben und er rücklings auf den Boden kippte. Stöhnend fasste er sich an den Hinterkopf und blinzelte ein paar Mal ungläubig. Er hatte sich doch gerade nicht ernsthaft von einer zierlichen Frau mit einem lächerlichen Kochlöffel verprügeln lassen?! Einen beschisseneren Start in den Tag konnte man doch gar nicht haben!


New Story🙈💜 Diesmal wollte ich mich mal wieder an einen Krimi wagen, nachdem mir das Schreiben von "Your Eyes Tell" so Spaß gemacht hat💜😊

Also im Voraus schon mal viel Spaß beim Lesen, ich hoffe Sie gefällt euch💜

Never without you // YOONMINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt