Kapitel 9

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~Vanessa~

Ein paar Stunden, nachdem die Sonne allmählich unter ging und ich halb dehydriert war, beschloss ich mich selbst nicht verrückt zu machen. Den ganzen Tag hatte ich niemanden gesehen der verdächtig aussah. Wahrscheinlich war ich Damiano so egal, dass er sich nicht einmal die Mühe machte nach mir zu suchen. Die Polizei konnte ihm vermutlich eh nichts anhaben, auch wenn ich gegen ihn aussagte.

Etwas geschwächt richtete ich mich auf und machte mich daran mich wieder die Balkone nach unten zu hangeln. Nachts sahen die Gassen hier noch unheimlicher aus. Deshalb klingelte ich bei der erst besten Haustür. Nach ein paar Sekunden machte mir eine etwas ältere Frau auf. Sie trug eine bunte Kochschürze und der köstliche Geruch von Essen stieg in meine Nase.

"Guten Abend, entschuldigen sie für die Störung, aber darf ich bitte ihr Telefon benutzen?", fragte ich etwas nervös. Nun war mir die ganze Situation doch nicht mehr so geheuer.

"Natürlich, kommen sie herein.", sagte sie mit einem mütterlichen Lächeln. Wow. Sie ließ eine Fremde in ihr Haus? Na gut, vielleicht besaß sie nur ein Festnetz. Ich trat in ihr recht bescheidenes, aber sauberes Heim und stand somit direkt im Esszimmer. Ich war einfach nur erleichtert endlich Schutz gefunden zu haben.

"Sie sehen ziemlich mitgenommen aus. Geht es ihnen gut? Wollen sie ein Glas Wasser?"

"Das wäre nett, danke." Die Frau ging zum Wasserhahn und stellte mir ein Glas eiskaltes Leitungswasser hin. Ich leerte es in einem Zug. "Ich will die Polizei kontaktieren. Ich wurde entführt.", erklärte ich leise. Mich schockte selbst wie gelassen ich damit umging. Vor allem da ich keine Ahnung hatte, ob meine Familie überhaupt in Sicherheit war.

"Das ist ja schrecklich. Ruhen sie sich erst einmal aus. Ich werde das für sie erledigen." Ich war verwundert über ihre uneingeschränkte Kooperation. Sie sollte Angst haben, dass ich nun auch sie in die ganze Sache mit reinzog. Aber sie blieb ruhig und öffnete eine knarrende Tür. "Hier ist ein kleines Schlafzimmer. Ich wecke sie, wenn das Essen fertig ist." Ich lächelte dankend und ging in das Nebenzimmer. Es bestand nur aus einem blau lackierten, hölzernen Bett und einem passenden Schrank. Von den Wänden bröckelte die orange Farbe, aber dennoch fühlte ich mich hier wohl. Es gab mir ein Gefühl meines alten Zuhauses.

Ich ließ mich auf die weiche Matratze fallen aber anstatt zu schlafen starrte ich an die Decke. Das Kapitel gekidnappt vom Mafiaboss hatte nun endlich ein Ende. Ich würde zu unserer geplanten Unterkunft nach Florenz fliegen und dort ein glückliches, sorgloses Leben führen. Weit ab von toxischer Männlichkeit und kriminellen Machenschaften. Einfach nur meine Mutter, mein Bruder und ich.

Es verging einige Zeit. Ich lauschte dem Grillen Gezirp und versank komplett in Gedanken. Plötzlich drang aus der Küche eine ernste Unterhaltung zu mir. Ein Lächeln breitete sich automatisch auf meinen Lippen aus. Endlich. Die Polizei. Als das Gespräch zwischen der alten Frau und dem Mann lauter wurde traf mich ein Schock. Ich kannte diese raue Stimme doch Damiano.

Shit, was hatte er hier zu suchen? Wie hatte er mich gefunden?

"Das Mädchen ist dort drinnen." Und warum zum Teufel klang die alte Frau so gelassen? Fast schon fröhlich?

Die Schritte näherten sich der Tür. Ich sprang sofort auf und blickte mich um. Der erste und einzige Fluchtweg denn ich fand war das Fenster. Ich musste nicht lange überlegen. Ich öffnete es und sprang auf die Straße. Zum Glück befand sich der Raum gleich im Erdgeschoss. Ich rannte schnell weiter in verwinkelte Gassen damit ich mich weit aus einer möglichen Schusslinie befand. Ich rannte, und rannte einfach. Bis ich nach einer langen Strecke nicht mehr konnte und schwer atmend zum Stehen kam. Es war merkwürdig, dass ich mal wieder niemanden sehen konnte, der mich verfolgt hätte. Machte er sich denn nicht einmal die Mühe mich zu finden?

Ich will, dass du mich brauchstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt