Kapitel 19

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~Vanessa~

Ausnahmsweise waren es die warmen Sonnenstrahlen in meinem Gesicht die mich weckten anstatt der üblichen Alpträume. Um mich herum herrschte vollkommene Stille. Keine Schritte, keine Gespräche. Nur Ruhe. So musste sich der Frieden anfühlen. Genau das musste es sein. Ich war Tod. Wie schön musste dieser Ort erst sein, wenn ich meine Augen öffnete? Oder zerstörte ich damit nur die ganze Illusion? Vorsichtig blinzelte ich ein paar Mal bis ich es nach einigen Anläufen schaffte sie einigermaßen offen zu halten.

Es waren keine Obstbäume und zwitschernde Vögel zu sehen, dafür ein Ausblick auf das offene Meer der dem Paradies schon sehr nahekam. Das riesige Panoramafenster wurde von goldenen, schweren Vorhängen eingerahmt. Die Wände waren mit einer alpinblauen Tapete bezogen auf denen royale Königsmuster schimmerten. Die Möbel sahen genauso edel aus. Sie waren aus massivem Holz gefertigt aber die filigranen Schnitzereien ließen sie so zerbrechlich wirken. Das ganze Zimmer wirkte wie ein Prinzessinengemach aus dem achtzehnten Jahrhundert. Allerdings wurde mir relativ schnell bewusst, wo ich mich befand als ich Damiano entdeckte. Er saß auf einem ebenfalls blauen Ledersessel welcher direkt neben meinem Bett stand. Die eine Hand stützte seinen Kopf, die andere hielt meine fest umschlungen. Er schlief tief und fest. Dachte ich zumindest denn ein genervtes Seufzen genügte um ihn sofort aufschrecken zu lassen.

"Endlich! Du bist wach! Wie geht es dir? Hast du Schmerzen? Brauchst du etwas?", brabbelte er während er sich auf meinen Bettrand umsetzte. Seine Worte verschwammen alle in meinem Hirn zu einem großen Klumpen aus Kopfschmerzen. Stimmt. Das Feuer. Ich konnte mich nur an einzelne Fetzen erinnern. An das grelle Licht der Flammen, die Atemnot, die Einsamkeit.

Er hob unsere verschränkten Finger zu seinen Lippen die einen Kuss auf meine Haut hauchten. Sein Blick fixierte meinen. Darin lag so viel Erleichterung, dass ich fast vergessen hätte was er mir angetan hat. Aber eben nur beinah.

Ich riss meine Hand aus seinem Griff.

"Lass das!", zischte ich. Ich erkannte meine eigene Stimme nicht wieder. Sie war rau und unfassbar tief. Sofort zuckte er zusammen als hätte er diese Reaktion schon befürchtet.

Ich konnte es nicht glauben als ich merkte wie schlimm er aussah. Man erkannte, dass er den Ruß auf seiner Haut nur vorübergehend mit einem Tuch weggewischt haben muss. Immer noch sah man die schwarzen Pigmente deutlich. Seine Hose war total zerknittert und sein Shirt passte überhaupt nicht dazu. Er musste es sich nur schnell übergeworfen haben. An seinen Armen zogen sich lange Schnittwunden entlang. Erst jetzt blickte ich an mir selbst hinab. Ich konnte nur meiner Arme sehen die mit tausenden von Verbänden und Pflastern vollgeklatscht waren aber ich spürte, dass meine Beine wohl nicht besser aussahen.

"Wer waren diese Leute?", fragte ich schnell um mich von diesem Anblick abzulenken.

"Ich vermute Francesco steckt dahinter.", antwortete er knapp, da mir das aber noch lange nicht genügte schwieg ich weiter und wartete bis er selbst weitersprach. "Er ist mein ältester und einziger ernstzunehmende Feind. Er ist der Chef eines Clans auf dem Festland. Seit Jahren bekämpfen wir uns gegenseitig." Ich nickte verstehend und widmete meine Aufmerksamkeit der kahlen Wand die direkt neben mir lag. Die starrte ich im Moment tausendmal lieber an als diesen arroganten, selbstverliebten Sack. Am liebsten wollte ich wie ein Wasserfall plappern, fragen was passiert ist und wie ich dort rausgekommen bin aber die Antwort darauf lag wohl auf der Hand. Die Tatsache das er sein Leben für mich riskiert hatte verdrängte ich gekonnt. Jede Sympathie welche ich für ihn empfand hat er selbst vernichtet.

"Sag doch was. Bitte.", flehte er. Ich tat ihm den gefallen.

"Wo sind wir?"

"In einem Hotel am Strand."

Ich will, dass du mich brauchstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt