Kapitel 18

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Kapitel 18

~Damiano~

Während die anderen sich freuten und wie wild gewordene Betrunkene zu den Texten von Britney Spears mitjallten starrte ich nur aus dem Fenster. Der Mond war kurz davor sich vollständig zu füllen und warf helles Licht auf die kleine Stadt. Eigentlich sollte ich mich nicht so fühlen. Ich sollte jubeln, dass wenigstens dieser Deal etwas geworden ist. Aber dazu war mir nicht zu mute. Ständig kreiste der Gedanke durch meinen Kopf, dass ich Vanessa im Stich gelassen hatte. Dass ich ihr nicht gleich hinterhergelaufen bin als sie mich mit diesen vor Tränen rot unterlaufenen Augen ansah. In ihrem Blick lag so viel Enttäuschung, dass es mir das Herz gebrochen hätte, wenn ich eines besäße.

"Damiano!", schrie jemand. Mein Kopf schoss sofort nach vorne, allerdings konnte ich nicht sagen wem die Stimme gehörte. Ich nahm sie nur unterbewusst wahr. "Nimm einen Schluck!" Tim hielt mir die bereits halbleere Hennessyflasche entgegen. Ich schüttelte nur müde den Kopf und wand mich wieder dem Fenster zu. Ich hörte ein Grollen was sich wohl enttäuscht anhören hätte sollen aber schon im nächsten Moment ging ihre Party wieder weiter.

Viel zu schnell rasten wir den Berg zum Anwesen nach oben. So etwas wie Panik überkam mich. Sollte ich zu ihr gehen? Und wie würde sie reagieren? Ich bereitete mich mental auf alle möglichen Situationen vor.

Plötzlich spiegelte sich im Fenster ein helles, blendendes Licht und nahm mir die Sicht auf den Himmel. Ich konnte im ersten Moment nicht zuordnen woher es kam. Bis sich plötzlich die wagen Umrisse der Mauern auf der Scheibe bildeten. Mit einer Vollbremsung blieben wir in der Einfahrt stehen. Ich sprang noch davor aus dem Auto und blickte auf das in Feuerstehende Gebäude. Lodernde Flammen stiegen hoch in den Nachthimmel und hinterließen einen grauen Nebelschleier vor den Sternen.

In diesem Moment befand sich nur ein Gedanke in meinem Kopf.

"Vanessa!" Der Schrei kam so tief aus meiner Kehle, dass er sich fast schon dämonisch anhörte. Meine Beine bewegten sich wie von selbst. Im Sprint rannte ich zur Haustür.

"Damiano! Du kannst da nicht mehr rein!", schrie mir Romina hinterher. Allerdings rannte sie mir nicht hinterher. Sie wusste, dass ich nicht mehr aufzuhalten war.

"Das bin ich ihr schuldig.", flüsterte ich zu mir selbst noch bevor ich die Eingangshalle betrat. Bereits hier brannten schon alle vier Wände. Nur die Treppe führte durch die Flammen. Wie der Weg zur Hölle. Da ich aber wusste, dass ich dort früher oder später eh noch landen würde hatte ich davor keine Angst. Ich lief nach oben und öffnete die Türe zu dem Gang der zu ihrem Zimmer führte. Dort erwarteten mich Holzbalken die von der Decke gestürzt waren. Ein paar glühten nur während die anderen noch in Flammen standen. Der Rauch machte es fast unmöglich zu Atmen aber ich war gut trainiert. Ich konnte gute 3 Minuten ohne Sauerstoff aushalten. Und mehr Zeit durfte ich sowieso nicht verschwenden. Es konnte jederzeit zu spät sein. Sogar schon jetzt. Der Gedanke beängstigte mich weshalb ich sofort anfing zu laufen.

Mir war bewusst, dass es lebensgefährlich war was ich hier tat aber das war mir egal solange ich damit sie retten konnte. Die einzige Person die je eine Träne um mich vergossen hatte.

Mit nur einem Ziel rannte ich durch diesen Parkour aus Hitze und Feuer. Geschickt schlängelte ich mich unter die Balken durch oder sprang einfach über sie drüber. Einer fiel direkt vor meinem Kopf zu Boden aber auch das ignorierte ich gekonnt. Immer wieder schrie ich ihren Namen aber bekam keine Antwort. Ich hoffte, dass nur die ständig einstürzenden Möbel der Grund waren warum sie mich nicht hörte.

Schon nach einigen Sekunden hatte ich es endlich vor ihre Türe geschafft. Bis mir einfiel, dass ich abgesperrt hatte. Und der Schlüssel in meinem Büro lag. Brüllend und Fluchend warf ich mich also immer wieder gegen das Holz bis es schlussendlich nachgab und die Scharniere aufsprangen.

Der Rauch vernebelte mir mittlerweile die ganze Sicht. Ich erkannte nur noch einen wagen Umriss vor dem Bett. Vanessa lag ausgestreckt in den Scherben. Am ganzen Körper hatte sie Schnittwunden. Sie hatte also gekämpft.

Mein Mädchen, dachte ich stolz. Das leichte heben ihres Brustkorbs erleichterte mich.

Plötzlich ließ mich ein lautes Knacksen aufhorchen. Die Holzbalken welche das gesamte Haus trugen würden das nicht mehr lange mitmachen. Die Zeit lief mir davon. Schnell riss ich mir mein Hemd auf und hielt es ihr vor die Nase. Innerhalb weniger Sekunden hatte ich sie auf meine Arme verfrachtet und machte mich wieder auf den Weg nach draußen. Während hinter uns alles in sich zusammenbrach. Mein ganzes Zuhause verlor sich in den Flammen aber diese Tatsache kümmerte mich in diesem Moment nicht. Das Einzige was zählte war, dass ich genau im letzten Moment durch die Eingangstür schritt. Die frische Luft füllte meine Lungen und mit neu gewonnener Kraft lag ich ihren zierlichen Körper auf den kalten Kies. In einem sicheren Abstand zu dem brennenden Anwesen.

"Ruft einen verdammten Krankenwagen!", brüllte ich den anderen zu. Manche warfen sich ebenfalls zu uns auf den Boden, andere blieben entsetzt stehen. Wahrscheinlich konnte es niemand fassen, dass ausgerechnet ich, das Herzlose und brutale Monster, ein Mädchen aus den Flammen rettete. Und dabei sein eigenes Leben aufs Spiel setzte.

Man sah die Erschöpfung in ihrem Gesicht deutlich. Ich tastete erst ihren gesamten Körper ab um sicher zu gehen, dass ihr nichts gravierendes fehlte. Als ich nichts spürte strich ich ihr zärtlich durch die durchgeschwitzten Haare. Ich zog sie auf meinen schoss um zu verhindern, dass sie krank wurde.

In diesem Moment, als ich sie hielt und nie wieder loslassen wollte, wurde mir bewusst, dass es das erste Mal war, dass mir jemand wichtiger war als ich selbst. Aber am schockierensten war, dass ich mich selbst nicht einmal dafür verfluchte. Ich nahm es hin. Weil es sich richtig anfühlte.

Als einige Zeit später die laute Sirene und kurz drauf das Blaulicht zu sehen war wollte ich es nicht wahr haben. Ich wollte mein Mädchen nicht in die Arme irgendwelcher wildfremder Männer geben. Wer wusste schon was sie mit ihr tun würden?

"Sir, lassen sie uns zu der Frau.", hörte ich eine gehetzte Stimme.

"Wo soll ich sie hinlegen?", fragte ich ihn ruhig ohne meinen Kopf zu heben.

"Sir, sie müssen-"

"Wo soll ich sie hinlegen?", knurrte ich dieses Mal lauter. Ein einziger meiner Blicke reichte um ihn zum schweigen zu bringen.

"Auf die Liege." Er deutete in den Innenbereich des Fahrzeugs. Erneut lud ich ihren Körper auf meine Arme und legte sie sanft auf der Liege ab. Sofort sprangen die zwei Sanitäter ebenfalls in den Wagen.

"Sir, es tut mir leid aber sie müssen vorne mitfahren."

"Ich bleibe hier."

"Aber-" Die Wut packte mich. Ich wollte diese Typen fertig machen, sie auf den Boden schmeißen und sie anbrüllen. Aber allein der Anblick von Vanessas Gesicht ließ all diese Emotionen einfrieren. Sie brauchte Hilfe und diese Männer würden sie ihr geben.

"Ich bleibe hier. Ich werde sie nicht stören." Mit einem zögernden Nicken schloss ein Dritter die Türen und stieg vorne ein. Kurz drauf ertönte der Motor und wir fuhren aus der Einfahrt.

Ich hielt die kleine Hand fest in meiner als sie anfingen sie zu untersuchen und ich würde sie erst wieder loslassen, wenn sie mich selbst darum bat.

Ich will, dass du mich brauchstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt