Ich schlüpfte aus den fremden Klamotten, nur um wieder andere fremde anzuziehen - einen Cami Pyjama aus rosa Satinstoff. Neben einem wirklich knappen Kleidchen war es die einzige Nachtwäsche, die ich fand.
Mindestens zwei Minuten starrte ich die Person im Spiegel an, ohne mich zu rühren.
Als ich realisierte, was ich tat, nahm ich den Blick schnell von meinem Spiegelbild und griff nach der Zahnbürste.
Die Zähne waren geputzt, da erwischte ich mich wieder dabei, wie ich mich selbst begutachtete, bemitleidete und verurteilte.
Reiß dich zusammen, Lorena!
Ich formte die Hände zu einer Schale, spritzte mir kühles Wasser ins Gesicht.
Das hier war nicht meine Schuld.
Dass ich das Interesse, damit auch den Jagdtrieb dieses Mannes geweckt hatte, dafür konnte ich nichts.Seufzend vergrub ich das Gesicht in dem Handtuch. Es roch nach frischen Blüten. Erschöpft sog ich den Duft ein, als wäre es die letzte Energiequelle und tappte zurück ins Schlafzimmer.
Eine männliche Gestalt stand im Türrahmen.
Sie sah Miguel zu ähnlich.
Der Schreck fuhr mir in die Glieder, da machte die Person einen Schritt in den Raum, sodass ich Thiago identifizieren konnte.
Erst jetzt erkannte ich, wie übereinstimmend ihre Körper waren. Beide waren um die einsneunzig groß, trainiert mit breiten Schultern.
Ich spürte leichte Frustration, als mir gewahr wurde, dass es sich bei dieser Gestalt nicht um meinen Ehemann, sondern Entführer handelte.
"Entschuldige, falls ich dich störe", sagte Thiago. "Ich wollte nur noch einmal nach dir sehen, dir eine gute Nacht wünschen und fragen, ob du noch etwas brauchst."
Heftig schüttelte ich den Kopf.
Die Verneinung kam zu schnell.
Mit einem verletzten Ausdruck auf dem Gesicht musterte er mich grübelnd.
"Ist gut." Betrübt nickte er. "Wenn doch was sein sollte; mein Zimmer liegt entgegengesetzt am anderen Ende des Flurs."
Schwächlich schmunzelte er mich an und verließ den Raum. "Gute Nacht, Lorena."
So viele Emotionen auf seinem Gesicht zu sehen, überforderte mich.
Das einzige Gefühl, das ich aus Miguels Miene jemals lesen konnte war entweder Wut oder Lust - blinde Wut und unbeherschbare Lust.
"Thiago."
Die Tür stoppte.
Für einen kurzen Augenblick zögerte ich.
"Wieso zeigst du mir deine Trauer und lächelst dann?"
Er betrachtete mich, als wäre ich das Verweichlichste und Hilfsbedürftigste, was er je gesehen hatte.
"Es macht mich traurig, dass du mich so von dir schiebst", gestand er. "Aber gleichzeitig bin ich so unendlich glücklich darüber, dich endlich und überhaupt hier zu haben."
Das beantwortete nicht exakt meine Frage, ehe ich jedoch nachbohren konnte, redete er weiter.
"Ich war an einem Punkt, an dem ich aufgehört hatte, Hoffnung zu schöpfen.
Du warst mit Miguel und ich dachte, vielleicht ist er ja derjenige, der für dich bestimmt ist. Vielleicht ist er nicht so übel wie ich immerzu glaubte. Vielleicht würde er dich nicht wie den Rest der Welt behandeln."Er legte eine kurze Pause ein und sah mich mit der wahrscheinlich aufrichtigsten Ehrlichkeit an, die ich je gesehen hatte.
"Doch ich täuschte mich - in allem."
Darauf wollte ich nicht eingehen, geschweige denn darüber nachdenken.
Ich wollte, dass er sich jetzt täuschte.
Miguel war die Liebe meines Lebens.
Seine Bedenken ließen mich nicht daran zweifeln."Aber warum sagst du mir das? Warum zeigst du mir deine Schwächen?"
Er fixierte sich auf das letzte Wort - die Mehrzahl.
"Ich habe nur eine einzige Schwäche und ich glaube, Lorena, du kennst sie sehr gut."Thiago hinterließ eine bedrückende Stille, die wir beide vermutlich mit dem selben Gedanken füllten.
Ich war seine offene Flanke, sein wunder Punkt - seine Schwäche."Wie soll ich meiner Schwäche meine Schwachstelle vorenthalten?"
Diese Frage schwebte, nachdem Thiago dieses Zimmer verlassen hatte, noch die nächsten drei Monate und womöglich sogar noch darüber hinaus in diesem Raum.
―⊱❖⊰―
Kommt schon, Leute. Findet ihr Thiago nicht wenigstens ein bisschen knuffig? ;P
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Lady White Dress
Lãng mạn"In der Liebe gehen Freude und Schmerz Hand in Hand. Manchmal ergänzen sie sich, tanzen wie ein verliebtes Paar und vereinen sich zu etwas Unzertrennlichem. Aber manchmal kann es dich auch in die Knie zwingen, auf deiner Haut brennen und dich zerstö...