"Großartig." Vorwurfsvoll sah Thiago zu mir. Er war gut darin, die Tatsache zu verdrängen, dass Lorena erst geflüchtet war, als er zu uns stieß.
Ich seufzte verächtlich und lenkte die Gedanken von diesem Mistkerl, doch als ich loslief, verfolgten die Fragen mich.
Was hatte er getan? Wieso lief Lorena vor ihm weg? Sie war doch so glücklich...
An einer Abzweigung trennten Thiagos und mein Weg sich. Während er stadtauswärts weiterlief, führte meine Route ins Stadtzentrum.
Lorena wäre doch niemals aus der Stadt rausgerannte.Mein Weg war der richtige. In einer verlassenen Gasse hörte ich ihr Schluchzen. Es tat weh, sie daran zu erkennen. Ich hatte diese Frau zu oft weinen hören müssen und einfach weggehört. Heute hörte ich zu. Ich folgte dem schmerzhaften Geräusch ihres Wimmerns.
Zusammengekauert lehnte sie an einer Hauswand. Ich eilte zu ihr. "Lorena."
Erschrocken blickte sie hoch und sprang auf die Beine.
"Was ist los?", wollte ich aufgewühlt wissen. Ein kleines Stück vor ihr kam ich zum Stehen.
Ihre Augen glänzten mit den Tränen in dem gedämmerten Licht der Straßenlaterne.
Mir schnürte es die Kehle zu. Alles, was ich in diesem Moment tun wollte, war sie in den Arm zu ziehen und ihr zu versprechen, alles würde gut werden. Dann wollte ich das Versprechen erfüllen.
"Lorena, was ist passiert?", hakte ich weiter nach. "Wieso bist du weggelaufen?"
Scharf sog sie die Luft ein. Ich spürte das Brennen in den Lungen als würde es mir erlangen.
"Ich habe mich getäuscht." Eine einzelne Träne perlte aus ihrem geröteten Auge. "Ist jetzt der Tag gekommen, an dem du mich heilen wirst?"
Ich konnte mich nicht länger davonabhalten, sie in eine innige Umarmung zu ziehen.
Eine Weile standen wir still schweigend da. Mich erfüllte es nicht halb so sehr, wie erwartet, sie wieder zu berühren. Vielleicht waren es die Umstände?
Ihr Körper zitterte. Ich streifte mir die Anzugjacke von den Armen, um sie Lorena überzulegen, dann nahm ich ihr Gesicht in meine Hände und fragte nachdrücklich: "Was ist los? Wobei hast du dich getäuscht?"
"Thiago", brachte sie unter Schluchzen hervor. "Er hat mich entführt. Ich hätte das niemals vergessen dürfen. Ich hätte mich niemals verlieben dürfen."
Autsch.
Die letzten Worte bohrten sich schermzhaft in meine Eingeweiden.
"Das ist alles?"
Sie nickte zaghaft.
Wenn das ihr einziger Zweifel war, musste ich sie gehen lassen - so sehr es auch wehtun würde.
Ich hätte dasselbe wie er getan. Ich war nicht besser. Im Gegenteil.
Thiago war der richtige für sie. Er machte sie glücklich. Ich könnte ihr niemals geben, was er ihr bot."Lorena, er liebt dich und er wird dich immer lieben." Meine Stimme war belegt. In meinem Körper sträubte sich alles dagegen, doch mein Verstand wusste, es war für ihr Bestes. "Ich habe das nie wirklich getan und werde es auch nie."
Ich blinzelte die Tränen zurück, als sie mich voller Qual, Schmerz und Trauer ansah.
Ich liebte sie unendlich, aber genau aus diesem Grund musste ich das hier tun. Sie in dem Glauben zu lassen, den Thiago ihr eingeredet hatte, war das Beste.
"Sein Vorgehen war rücksichtslos, aber wie hätte er dich mir sonst wegnehmen sollen? Du weißt, wie schrecklich und was für ein Narzist ich bin. Ich hätte dich niemals gehen gelassen."
Leidlich schüttelte sie den Kopf, während ihr eine Träne nach der anderen die Wange hinunter kullerte. Sie wollte und konnte das nicht glauben.
"Doch, Lorena", hauchte ich. "Thiago ist der richtige für dich. Du bist glücklich bei ihm. Er kann dir die Liebe geben, die du verdient hast."
¡Mierda!
Was sagte ich da? Wieso ließ ich sie gehen? Wieso stieß ich sie von mir? Wieso kämpfte ich nicht um ihr Herz?
Wieso war ich kein verdammter Narzist?"Es ging immer nur um Sex." Diese Worte taten mir selbst möglicherweise doller weh als ihr. "Aber jetzt ist es vorbei. Ich habe keine Lust mehr auf deinen Körper. Er reizt mich nicht mehr."
Welche dieser Lügen war die größere? Ich fand nie die Antwort darauf, denn es ging nie nur um Sex, genauso wenig fand ich ihren Körper reizlos.
Lorena war wundervoll. Das würde sie immer sein.
Angsterfüllt sah ich in ihre Augen, die in einem Pool aus Tränen schwammen.
Es musste so sein. Sie musste mich hassen.
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Lady White Dress
Romance"In der Liebe gehen Freude und Schmerz Hand in Hand. Manchmal ergänzen sie sich, tanzen wie ein verliebtes Paar und vereinen sich zu etwas Unzertrennlichem. Aber manchmal kann es dich auch in die Knie zwingen, auf deiner Haut brennen und dich zerstö...