Als ich erwachte und mich in seinen Armen wiederfand, war ich froh, meine Kleider noch zu tragen. Ich war froh, weil er gestern diese Entscheidung getroffen und mich damit vor einem riesen Chaos bewahrt hatte.
Wäre ich tatsächlich mit ihm intim geworden, hätte ich mir das niemals verzeihen können, denn es war noch immer Miguels Ring, den ich an meinem Finger trug, und solange dieser da war, war ich an meinen Ehemann gebunden.
Ja, er hatte selbst mit einer anderen geschlafen, diese Verbindung auf die schmerzhafteste Weise getrennt. Das war grauenvoll und ich wollte mich nicht so grauenvoll fühlen.
Ihm war das in der Nacht mit der Braunäugigen bestimmt egal. Er hatte nicht allzu viele Gedanken daran verloren.
"Wie fühlst du dich?" Thiagos raue Stimme kribbelte zwischen meinen Schulterblättern.
Ich dachte nicht weiter darüber nach und entgegnete, was man immer entgegnete: "Gut."
Einen Moment schien er, zu zaudern, dann rollte er mich vorsichtig auf die andere Seite, sodass ich in sein Gesicht sehen musste.
Bei meinem Anblick bildete sich zwischen seinen Augenbrauen eine kleine Falte. Er drückte mein Gesicht in seine Halsbeuge, als könne er es nicht ertragen.
Für eine geraume Zeit, sagte wieder keiner etwas.
"Denkst du, Vicente hat sich geirrt?", fragte ich hoffnungsvoll, denn ich wollte wirklich, dass er sich geirrt hatte, auch wenn ich nicht wusste, wie es mit meiner Ehe weitergehen sollte. Vielleicht könnte mir die Wahrheit bei einer Entscheidung helfen.
"Ich weiß es nicht, Lorena", seufzte er. "Du kennst deinen Mann besser. Traust du ihm so etwas zu?"
Dieses Schweigen war lauter als Worte es jemals hätten sein können.
Ich wusste, was für einen großen Teil die Intimität mit einer Frau in seinem Leben ausmachte. Ich wusste, wie unaufhaltsam seine Triebe mitunter sein konnten. Ich wusste, dass er es durchaus übers Herz bringen konnte.
Ich traute ihm zu, mich betrogen zu haben.
Ein salziger Tropfen perlte aus meinem Augenwinkel und meine Schultern zuckten bei einem verzweifelten Japsen.
"Scht." Thiago verengte die Arme um mich. "Du wolltest seinetwegen nicht weinen, schon vergessen?"
Ich musste lachen - anders konnte ich überhaupt nicht, als er sich an meine Äußerung von gestern erinnerte. Sie war kindisch, dennoch stand ich noch immer hinter ihr. Miguel sollte keine dieser Tränen gelten.
Ihr Lachen war wie Salbe auf einer Wunde.
Dieser Moment war traurig, und doch auch wunderbar zugleich.
Sie lag in meinen Armen wie nie zuvor und ließ sich von mir trösten.Ich vergrub das Gesicht in ihren nach Kirschblüte duftenden Locken.
Alles an Lorena schrie Perfektion. Für jedes noch so kleine Detail an ihr verspürte ich Liebe, aber hätte ich mich für eine Sache entscheiden müssen, so hätte ich das dunkle, gelockte Haar gewählt, das ihr makelloses Gesicht wie ein vergoldeter Rahmen zur Schau stellte.
Der Geruch ihres fruchtigen Shampoos rüttelte die Erinnerung von gestern Abend wach.
Sie wollte mit mir schlafen...
So sehr mir das auch gefallen hätte, musste ich derjenige mit dem kühlen Kopf bleiben, denn sie war dafür gerade definitiv nicht in der Verfassung.
Hätten wir gestern Sex gehabt, hätte es jede meiner Fantasien zerstört.
Das erste Mal mit Lorena sollte magisch werden und nicht aus einem inneren Durcheinander entstehen.Der richtige Zeitpunkt war, wenn wir beide uns zu hundert Prozent, ohne die Spur eines geringen Zweifels aufeinander einlassen konnten.
Auf dieser Ebene wollte ich sie erst, wenn sie mich wollte - und zwar wirklich wollte.
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Schreibe heute einen Englischtest. Wünscht mir Glück🤲
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Lady White Dress
Romance"In der Liebe gehen Freude und Schmerz Hand in Hand. Manchmal ergänzen sie sich, tanzen wie ein verliebtes Paar und vereinen sich zu etwas Unzertrennlichem. Aber manchmal kann es dich auch in die Knie zwingen, auf deiner Haut brennen und dich zerstö...