Wieder in New York

264 19 2
                                    

Wieder Aishas Sicht:

Am nächsten Tag war es dann so weit. Ich fliege mit meiner Tochter nach New York um Abschied von Mehmet zu nehmen. Von den Mann, den ich einmal über alles geliebt habe und der gleichzeitig der Vater meiner Tochter ist. Aber er hat seine Situation selbst zuzuschreiben. Wenn er keinen Mord begeben hätte dann wären wir wahrscheinlich noch eine kleine glückliche Familie auf Teneriffa. Aber ich will daran nicht mehr denken. Ich will endlich abschließen und dafür muss ich ihn ein letztes Mal in die Augen sehen. Erst dann kann ich mit Dilan ganz neu anfangen.

Ich weiß, dass es nicht fair war Dilan so abzuweisen aber ich muss da jetzt auf jeden Fall alleine durch, komme was wolle. Den letzten Schritt in die Freiheit schaffe ich auch nicht. Ich habe in den letzten Jahr so viel durchmachen müssen dann ist das doch wohl eine Leichtigkeit für mich. So stieg ich mit meiner Tochter in den Flieger und hob ab.

Nach gefühlten Wochen und andauerndes Babygeschrei weiter, landeten wir endlich. Meine Tochter habe ich noch nie so quängelich erlebt. Sogar die anderen Passagierer haben sich bei mir beschwert ich solle meine "kleine Schwester" beruhigen. Das habe ich schon häufiger gehört aber ich bin es Leid, die Leute jedes Mal auf Neue klarzumachen, dass es nicht meine Schwester sondern meine Tochter ist.

So stieg ich aus und trug die Babyschale die ganze Zeit mit mir rum. So langsam wird meine Tochter richtig schwer. Man denkt ein kleines Baby wiegt nicht viel aber tragt es mal Stunden lang mit euch rum. Als ich meinen Koffer und das passende Gestell für den Kinderwagen endlich im Empfang nehmen konnte, stellte ich die Babyschale auf das Gestell, sodass man in Sekunden schnelle einen Kinderwagen hatte. So konnte ich meine Tochter problemlos überall mit hin nehmen ohne Krämpfe in den Armen zu bekommen.

Da unser Hotel nicht weit vom Flughafen entfernt war, lief ich dorthin um die Taxifahrt zu sparen und ein wenig von der Stadt zu sehen. Hier war wirklich viel los. Es war fast unmöglich mit einen Kinderwagen hier spazieren zu gehen. Jeder war in Eile und rempelt um so schnelll wie möglich sein Ziel zu erreichen. Auf den Straßen sah man überwiegend gelbe Taxis. Es war eine ganze andere Welt, in der ich mich befand. Hier beachtet mich niemand und keiner kennt meine Vergangenheit. Hier bin ich ein ganz normales Mädchen. Ich fühlte mich zum ersten Mal seit langem wieder frei.

Nachdem die kleine einen Mittagsschlaf gemacht hat und gegessen hat, machten wir uns auf den Weg zu Mehmet. Ob er mich und die Kleine wohl erwartet? Immerhin habe ich ihn nicht zurück geschrieben. Lediglich habe ich einen Termin vereinbart aber ob er weiß das ich komme, weiß ich nicht. Aber er wird es gleich erfahren.

Nach einer kurzen Fahrt mit dem Taxi waren wir auch schon da.

Ich stand vor einen großen Gebäude, das von hohen Drahtzäunen umgeben war. Ich fühlte mich hier ganz und gar nicht wohl. Schon viel habe ich von den Aufenthalt gehört. Messerstecherein und Schägerein gehören hier zum Alltag. Es ist schon ein mulmiges Gefühl gleich mit meinem Baby dort rein zu gehen. Ich hoffe das uns nichts passiert.

So ging ich hinein und wurde erst einmal nach Waffen abgecheckt. Außerdem durfte ich den Kinderwagen und andere Gegenstände nicht mit rein nehmen. Ein wenig übertrieben fande ich es schon aber ich hatte keine andere Wahl mich an die Regeln zu halten. Also nahm ich meine Tochter auf den Arm und lief durch unzählige Türen bis ich endlich im Besucherraum war. Dort musste ich erst einmal warten bis sie Mehmet hierher führen. Wenn ich gewusst hätte, das ein Besuch so kompliziert ist, wäre ich erst gar nicht gekommen.

Als ich zu meiner Tochter nach unten sah, sah ich wie sie mich anlächelte. Obwohl sie noch so klein ist und nicht einmal versteht was hier gerade geschieht sprach sie mir Mut zu. Sie ist einfach meiner größter Schatz. Bevor ich noch länger nachdenken konnte, wurde auch schon die Tür geöffnet und Mehmet trat mit gesenktem Kopf ein.

Sofort fiel mir sein kahler Kopf auf. Ich habe ihn noch nie ohne Haare auf den Kopf gesehen. Es war ungewohnt. Er war ein ganz andere Mensch. Schon seine Haltung verriet, dass es ihm hier nicht gut geht.

Als sich sein Kopf hoch erleuchtete sich sein Blick und er kam schnell auf uns zu.

"Aisha", entgegnete er und nahm mir die kleine aus den Hände. Er nahm sie auf seinen Armen und sah sie sich genauer an.

"Sie ist so wunderschön. Genau wie ihre Mutter", hörte ich ihn sagen. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ihn seit so einer langen Zeit wieder zu sehen war für mich nicht leicht.

"Du weißt gar nicht wie viel es mir bedeutet, dass du mit unseren Tochter gekommen bist", entgegnete er und setzte sich mit ihr auf den Stuhl mir gegenüber.

"Ich sehe es", erwiderte ich lediglich.

"Wie geht es dir in Deutschland?", fragte er dann.

"Hmm wie soll ich es sagen. Ich habe nichts wegen dir. Ich lebe von Dilan. Zwar versuche ich eine Ausbildung zu bekommen aber vergeblich. Wer will auch schon jemand einstellen, der ein Baby hat. Aber ich bin nicht hier um mit mir über mich zu reden. Ich bin hier um Abschied zu nehmen", sagte ich ohne ihn in die Augen zu schauen. Ich konnte es einfach nicht. So würden die ganzen Erinnerungen wieder hochkommen, die ich so sehr verdränge.

"Du weißt gar nicht wie Leid es mir tut aber wenn ich mir so die Kleine ansehe, weiß ich das ich damals zwar nicht alles richtig gemacht habe aber sie habe ich perfekt hinbekommen", schwärmte er. Er hat recht unsere Tochter ist ein Geschenk des Himmels auch wenn der Zeitpunkt und die Art wie ich sie bekommen habe nicht gerade perfekt waren, liebe ich sie vom ganzen Herzen. Ein Leben ohne sie kann ich mir gar nicht mehr vorstellen.

"Ja sie ist perfekt", gab ich ihm recht.

"Ich habe schon gedacht, dass du meinen Brief gar nicht erhalten hast. Hier im Gefängnis wird nur geschlammt daher war ich mir nicht sicher. Aber wenn ich euch hier so sehe macht es mich glücklich. Euch noch einmal zu sehen, ist alles was ich mir gewünscht habe. Jetzt kann ich glücklich sterben", entgegnete er und ich dachte ich höre nicht richtig. Wie kann er so reden? Er wird in wenigen Stunden sterben und er ist glücklich darüber?

"Wie du siehst habe ich den Brief erhalten. Ich wollte, dass deine Tochter dich noch einmal sehen kann. Zwar wird sie sich daran später bestimmt nicht dran erinnern aber ich finde es einfach am besten so", erwiderte ich daraufhin und ging gar nicht erst auf das Thema Tod ein. Ich würde mich doch nur aufregen und ich habe beschlossen es zu lassen.

"Ich danke dir dafür. Ich habe nicht gedacht, dass du kommen wirst und das auch noch mit der Kleinen", entgegnete er.

"Mehmet du musst dich nicht immer bedanken ich mache es für mich, damit ich mit allem abschließen kann", erwiderte ich und schaute ihm zum ersten Mal heute in die Augen. Noch immer sah ich in ihnen dieses Strahlen von damals. Aber tief im Inneren sah ich die Angst, die ich ihm nicht verübeln konnte. Wer möchte schon gerne auf so eine grausame Art sterben müssen.

"Wann findet es denn statt?", fragte ich ihn.

"Du kannst es ruhig aussprechen. Ich hätte damals alles anders machen sollen dann wäre ich noch an seiner Seite und wir wären eine kleine glückliche Familie. Nun werde ich sterben und die Kleine und du werdet mit Dilan glücklich. Ich habe einfach alles versaut. Mein ganzes Leben. Wie konnte ich damals nur in das Geschäft rutschen. Jetzt kann ich nichts mehr daran ändern. Nun muss ich mich meinen Konsequenzen stellen", sagte er ernst und sah mich dabei eindringlich an. Ich sah ihm an, dass es ihm aufrichtig Leid tat aber das ändert jetzt auch nichts mehr. Es ist nun einmal viel zu spät es einzusehen.

"Jetzt ist es nun einmal so, Mehmet. Wir beide haben Fehler gemacht. Jeder Mensch macht Fehler einige kleine und einige große. Es gehört nun einmal zum Leben dazu nicht perfekt zu sein aber ich bin froh dich an meiner Seite gehabt zu haben. Niemand wird dich vergessen denn in Ilayla lebst du weiter. In ihr fließt dein Bruder. Ich werde ihr auf jeden Fall von dir erzählen. Sie soll wissen wer ihr Vater war", sprach ich dann. Ich habe nie für möglich gehalten das dies einmal aus meinen Mund kommt. Aisha, sag jetzt einfach lebe wohl aber wenn ich es jetzt überlege kann ich das noch nicht einmal sagen. Wie soll ich mich denn verabschieden? Es ist immerhin ein Abschied für immer.

Never look backWo Geschichten leben. Entdecke jetzt