Kapitel 12

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»Julia?«, murmelte ich verwirrt. »Julia?« Verschlafen öffnete ich die Augen. Was hatte ich da gerade gesagt? Julia? Erst jetzt wurde mir klar, dass ich von ihr geträumt hatte. Und ich wollte am liebsten wieder zurück in den Traum. Ich griff nach rechts, schnappte mir mein Handy und öffnete WhatsApp. Dann tippte ich auf unseren Chat. Zuletzt online um 01:24 Uhr. Wieder brachte ihr Bild mich aus der Fassung. Ich musste es mir eingestehen. Ich hatte mich tatsächlich in dieses Mädchen verknallt. Von Liebe würde ich nicht direkt sprechen. Dafür kannten wir uns noch nicht so lange und gut. Ich wusste nur, dass sie mein Herz berührte. Und das so, wie kein anderer Mensch es je getan hatte. Wie sollte ich mit ihr umgehen? Sollte ich sie in Ruhe lassen und ihr aus dem Weg gehen? Das war die beste Entscheidung. Aber wie sollte ich mich konzentrieren, wenn sie in der Klasse saß und mich verzauberte? Ich bekomme das schon irgendwie hin, redete ich mir gut zu. Aber das war völliger Unsinn. Ich sollte sie einfach normal behandeln. Ich hätte wirklich nie gedacht, dass mir so etwas passieren würde. Aber gegen Gefühle konnte man sich nicht wehren. Ich ließ mich ins Bett zurückfallen. Wollte sie hier haben. Ihre zarten Lippen spüren. Ich musste sie mir aus dem Kopf schlagen. Sonst würde das in einer Katastrophe enden. Mein Handy vibrierte. Julia!

»Guten Morgen, ich wollte mich für den wunderschönen Tag gestern bedanken. Ich weiß, dass es für Sie schon komisch sein muss, Zeit mit einer Schülerin zu verbringen. Aber ich würde mich wirklich freuen, wenn wir das wiederholen können. Es tat mir sehr gut.« Es war mehr als komisch. Es tat ihr gut, wenn sie Zeit mit mir verbrachte? Was war das gestern zwischen uns gewesen? Wir lagen Hand in Hand auf dem Boot. Es war perfekt für mich. Und für sie? Ich musste unbedingt mit ihr darüber reden. »Hallo, ich fand den Tag auch schön. Können wir reden?«, schrieb ich zurück. »Klar, wann?« Ich überlegte. Dann antwortete ich: »Wie wäre es mit heute?« Gespannt wartete ich ab. »Gern, wann und wo?« Darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. »Um 16 Uhr bei mir?« Was tat ich hier nur? Lud ich sie gerade wirklich zu mir nach Hause ein? »Alles klar, bis später.« Ich antwortete nicht mehr, die Adresse kannte sie ja bereits.

Es war fast 12 Uhr. Ich rollte mich aus dem Bett, kochte mir Nudeln und räumte auf. Dann hüpfte ich unter die Dusche. Ich ließ mir viel Zeit, rasierte mich und meine Spülung wirkte heute extra lange ein. Dann trocknete ich mir die Haare und entschied mich für einen Fischgrätenzopf. Ich wollte heute besonders schön für sie aussehen und war am Ende, als ich mich im Spiegel betrachtete, relativ zufrieden. 15:37 Uhr. Gleich würde Julia kommen. Ich holte Gläser aus dem Schrank und stellte sie auf den Tisch auf der Terrasse. Dann klingelte es. Sie war überpünktlich. Als ich die Tür öffnete, blieb mir die Luft weg. Sie war reizend. Ich ließ sie rein. »Wow, tolle Wohnung«, bemerkte sie. »Danke«, sagte ich etwas verlegen. Dann standen wir beide in der Küche. Schweigen. »Worüber wollten Sie reden?«, fragte sie schnell. »Ähm, lass uns raus auf die Terrasse gehen. Was möchtest du trinken? Wasser, Saft, Cola?« Sie entschied sich für Orangensaft. »Du kannst mich auch Nele nennen. Wir sind ja nicht in der Schule«, sagte ich und zwinkerte ihr zu. Sie grinste. Dann saßen wir uns beide gegenüber und ich fand nicht die richtigen Worte.

»Das gestern... also... es war wirklich schön mit dir. Aber wenn ich darüber nachdenke, ist es so albern. Ich bin deine Lehrerin und... ähm... wir lagen dort auf dem Boot«, versuchte ich zu erklären. »Hand in Hand.« Sie nickte. »Den gleichen Gedanken hatte ich auch. Wieso machen wir das?«, fragte sie mich. Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.« Plötzlich legte sie ihre Hand auf meine. »Vielleicht ist es etwas Besonderes.« Ich konnte sie nur anstarren. Ihre Worte erwärmten mein Herz. Was fühlte sie? »Wie meinst du das?« Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, sag du es mir.« Ihr Blick war eindringlich. Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Ihre Hand lag noch immer auf meiner. Als ich das realisierte, blieb mir die Luft weg. Sie lehnte ihren Kopf leicht nach vorn. »Ich mag dich wirklich sehr gern.« Das wurde mir zu viel. Ich riss meine Hand weg und stand auf. »Bin kurz im Bad«, brachte ich aufgeregt hervor. Und dann flüchtete ich. Was für ein Spiel war das bitte? Ich spritzte mir das kalte Wasser ins Gesicht und wartete einen Moment, bis ich wieder etwas klarer denken konnte. 

Dann ging ich aus der Tür raus und Julia stand dort. Das mit dem verführerischen Blick hatte sie drauf. Sie kam mir näher. Mein Herz schlug immer schneller. Sie hatte es bemerkt und lächelte siegessicher. Julia legte ihre Hand auf meinen Brustkorb und spürte mein Herz. »Du bist ja ganz schön aufgeregt«, sagte sie mit einer Stimme, die mich um den Verstand brachte. »Was machst du nur mit mir?«, fragte ich sie und drückte meine Lippen auf ihre. Sie stieß mich nicht weg, sondern zog mich noch näher heran. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ihre Lippen waren so weich und ihre Küsse fordernd. Es hatte sich noch nie so gut angefühlt, wenn ich jemanden geküsst hatte. Mal abgesehen davon hatte ich noch nie eine Frau geküsst. Ich wollte mich von ihr lösen, aber sie ließ es nicht zu. Wir standen dort. Minutenlang. Küssten uns einfach nur. Dann wurde mir klar, was wir hier überhaupt taten. Wie konnte es nur so ausarten? Warum hatte ich meine Gefühle denn nicht unter Kontrolle? Ich riss mich von ihr weg.

»Julia, es ist besser, wenn du jetzt gehst.« Sie schaute mich an. Wirkte verunsichert und sah aus, als würde sie gleich weinen. Mir ging es ähnlich. Ich wollte, dass sie blieb, aber es ging nicht. Es war verboten. »Wir hätten das beide nicht so weit kommen lassen dürfen. Vor allem ich nicht.« Sie sah mir in die Augen und meinte fest: »Ich würde es immer wieder so weit kommen lassen.« Dann war sie weg und leise flüsterte ich ihr nach: »Du bist mein wunder Punkt. Du bist mein Wunder, Punkt.«

Sturzflug ins Herz || txsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt