Kapitel 32

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Wir machten es uns danach im Bett gemütlich und redeten einfach nur die halbe Nacht. Ich hielt sie in meinen Armen. Und damit hielt ich mein Glück fest. »Sag mal, hast du manchmal eigentlich Zweifel, was uns betrifft?« Verblüfft fragte sie: »Warum sollte ich Zweifel haben? Das ist so ziemlich die einzige Sache, bei der ich keine Zweifel habe. Ich liebe dich. Hast du denn Zweifel?« Glückselig atmete ich aus und antwortete: »Ganz und gar nicht.«

Ich streichelte ihr über den Arm und merkte, wie mir langsam die Augen zufielen. Julias Atem war auch schon ganz gleichmäßig und als ich ihr leise etwas zuflüsterte, bekam ich schon keine Antwort mehr. Ich musste lächeln. Ich konnte nicht erklären, wie ich mich fühlte. Einfach unbeschreiblich gut. Kurze Zeit später schlief ich auch ein.

Als der Wecker am nächsten Morgen klingelte, hatte ich das Gefühl, ich müsste mir Klebestreifen besorgen und meine Augenlider nach oben klappen, damit ich nicht wieder einschlief. Es fiel mir total schwer, wach zu bleiben. Ich merkte viele Küsse auf meiner Haut. »Guten Morgen, Geburtstagskind«, flüstere Julia mir leise zu und ich öffnete ein Auge. Das andere ließ ich geschlossen. Sie war gut gelaunt. Man konnte förmlich ihre Energie spüren und ich ließ mich etwas davon anstecken. »Los, aufstehen. Wir müssen gleich zum Frühstück.« Wir machten uns fertig und dann blieben wir noch zehn Minuten in unserem Zimmer stehen und küssten uns. Wir konnten die Finger nicht voneinander lassen, aber gleich waren wir wieder Lehrerin und Schülerin. Dann schubste ich sie raus in den Flur und folgte ihr.

Im Frühstücksraum trennten sich unsere Wege. Sie ging zu ihren Freundinnen und ich setzte mich zu Herrn Pohl. »Morgen«, murmelte er mir müde zu und ich nickte ihm nur kurz zu. »Und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!« Ich bedankte mich lächelnd und wir frühstückten. »Kann ich dich mal etwas fragen?«, fragte er plötzlich und sah an mir vorbei. Ich runzelte die Stirn. »Klar.« Mein Herz blieb stehen, als er fragte: »Weißt du, ob Julia einen Freund hat?« Er musste meinen irritierten Blick gesehen haben, denn schnell fügte er hinzu: »Also ich habe kein Interesse an ihr. Ich meine nur... also ich habe das Gefühl, dass sie mich ständig ansieht. Bei diesem Ausflug hier verstärkt. Nicht dass du denkst, ich würde etwas mit einer Schülerin anfangen.« Nervös lachte er auf und wurde etwas rot. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er Julia doch toller fand als er zugab. Ich musste schlucken. »Ich weiß nicht. Ich glaube, sie hat einen Freund.« In dieser Sekunde blickte sie zu uns und mir war natürlich klar, dass sie mich ansah. Als sie wieder in die andere Richtung sah, sagte er leicht aufgeregt: »Siehst du, sie hat schon wieder zu mir gesehen.« Wenigstens fiel ihm nicht auf, dass er mit seiner Vermutung falsch lag. Deshalb sagte ich nichts weiter dazu.

Nach dem Frühstück gingen wir zurück in die Zimmer und ich erzählte Julia davon. Entsetzt blickte sie mich an. »Wir müssen noch etwas vorsichtiger sein. Gerade hier. Wenn er dich so im Auge hat.« Genervt seufzte sie. »Bald haben wir es geschafft. Dann können wir uns öffentlich zeigen. Das wird ganz wunderbar.« Dann packten wir noch ein paar Sachen zusammen und trafen uns mit den anderen in der Lobby. Wir fuhren wieder zum Alexanderplatz, aber dieses Mal liefen wir nur über den Markt und nicht über den Rummel. Wir teilten uns auf und wollten uns zum Abendessen treffen. Wie gern hätte ich Julias Hand gehalten, aber das war unmöglich. Sie hielt sich aber dafür den ganzen Tag über in meiner Nähe auf. Wenigstens etwas, dachte ich.

Am Nachmittag ging ich mit einer Gruppe Kaffee trinken und Kuchen essen. Dabei saß Julia neben mir und immer, wenn wir uns berührten, schlug mein Herz schneller. Dafür berührten wir uns danach bis zum Abendessen kaum noch. Aber auch dort setzte sie sich zu mir. Für sie war es selbstverständlich und ich hatte Angst, dass Herr Pohl es falsch auffassen würde. Was anscheinend auch so war, denn er himmelte sie praktisch an und suchte ständig das Gespräch mit ihr. Ich war nicht eifersüchtig – ich wusste ja, dass sie mich liebte und zu mir gehörte. Ich war davon eher genervt. Julia war belustigt. Deshalb war ich froh, als das Essen vorbei war und wir alle etwas erledigt zurück ins Hostel fuhren.

»Julia, kommst du nachher noch rüber zu uns?«, fragte Nina sie. »Ich weiß nicht, das war ein ziemlich langer Tag«, versuchte sie sich rauszureden. »Ach, komm schon. Das wird lustig. Überleg es dir noch einmal, ok?« Julia nickte und dann gingen wir in unser Zimmer. »Ich finde, dass du zu ihnen gehen solltest.« Entrüstet sah Julia mich an. »Ich möchte aber lieber bei dir bleiben. Immerhin hast du auch noch Geburtstag.« Ich gab ihr einen Kuss. »Ich bin sowieso total müde und werde sicher gleich einschlafen. Beim Schlafen musst du mir nicht zusehen.« Ich redete so lange auf sie ein, bis sie zustimmte. »Ich bleibe auch nicht allzu lange.« Ich schüttelte lachend den Kopf. »Bleib bitte so lange, wie du möchtest, ok?« Sie nickte, küsste mich noch einmal leidenschaftlich und war verschwunden.

Ich ging heiß duschen und legte mich dann mit einem Buch ins Bett. Aber ich konnte nicht einmal fünf Seiten lesen, dann war ich eingeschlafen. Durch ein Geräusch, welches ich nicht zuordnen konnte, wurde ich wach. Mein Herz klopfte schnell. Was war das? Ein Blick auf das Handy verriet mir, dass es bereits kurz vor drei Uhr morgens war. Wo war Julia? War sie noch nicht zurück? Dann wurde die Tür aufgestoßen und ich hörte Julias wütende Stimme. »Machen Sie das nie wieder. Was soll der Scheiß? Ich habe Ihnen das gerade schon gesagt. Ich habe absolut null Interesse und wenn Sie Ihren Job weiterhin ausüben wollen, lassen Sie mich besser in Ruhe.« Dann ging die Tür zu und ich hörte jemanden im Flur fluchen.

Kerzengerade saß ich im Bett. »Was ist passiert?«, wollte ich von Julia wissen, die gerade durch das Zimmer schlich, weil sie dachte, ich würde schlafen. »Dein Kollege ist ein Idiot. Das ist passiert.« Hatte sie gerade mit Herrn Pohl gesprochen? »Was? Warum?« Sie kam auf mich zu und setzte sich an den Bettrand. »Er kam irgendwann dazu und niemand hatte ein Problem damit. Ich auch nicht. Er ist eigentlich ein ganz cooler Lehrer. Aber anscheinend hat er ein Bier zu viel getrunken. Nein, das ist gelogen. Eigentlich war er sogar betrunken! Dürfen Lehrer das überhaupt? Ist auch egal, jedenfalls wollte er die ganze Zeit mit mir reden, hat mich zufällig berührt und als ich los bin, kam er mir nach und hat mich gefragt, ob er meine Blicke richtig deutet. Und dann wollte er mich küssen!« Sie war sauer und ich geschockt.

Sie nahm meine Hand. »Ich habe echt keine Lust auf weitere Probleme. Das mit Michael hat mir echt gereicht. Wir hatten beide genug Stress und ich will doch nur dich. Ist das so schwer zu verstehen?« Ich schüttelte den Kopf. »Denk nicht weiter drüber nach, komm einfach zu mir ins Bett. Hier ist es schön warm.« Sie zog sich um und schlüpfte unter meine Decke. Ich hatte Lust auf ihre Nähe und ihr ging es ähnlich, denn sie fing an, mich zu streicheln. Ich genoss es sehr und wir zogen uns gegenseitig aus. »Hör bloß nicht auf«, stöhnte ich ihr lustvoll ins Ohr. »Niemals«, flüsterte sie erregt zurück. Es lag eine magische Stimmung im Raum, aber plötzlich veränderte sich alles rasend schnell.

Die Tür ging auf und wir fuhren auseinander. Scheiße, Julia hatte vergessen, sie abzuschließen! Wer hatte uns erwischt? Ich war wie gelähmt, konnte nichts sagen. Mein Mund war trocken und mir wurde übel. »Oh, nein. Das ist nicht mein Zimmer. Verdammt, wo ist denn mein Zimmer?«, lallte Herr Pohl und schloss die Tür. »Meinst du, er hat uns gesehen?«, flüsterte Julia mir ängstlich zu und ich antwortete: »Ich weiß nicht, aber ich glaube nicht. Sonst hätte er doch was gesagt, oder? Er war auch wirklich ziemlich betrunken.« Uns war die Lust vergangen und mit einem unguten Gefühl schliefen wir beide ein. Zuvor schlossen wir aber die Tür ab.

Als wir am nächsten Morgen den Frühstücksraum betraten, wartete Herr Pohl bereits auf mich. Er sah etwas mitgenommen aus. Nervös setzte ich mich und sofort sagte er: »Nele, ich muss mit dir reden. Über die letzte Nacht.« Scheiße, dachte ich. Er konnte sich also doch erinnern. Mein Herz sprang mir fast aus der Brust, als er weiterredete.

Sturzflug ins Herz || txsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt