Kapitel 6

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Den Abend verbrachte ich gemütlich alleine zu Hause vor dem Fernseher. Ich war vom Sport und von der Hitze ziemlich erschöpft. Lange hielt ich es nicht durch. Dann fielen meine Augen zu. Am nächsten Morgen stand ich erst spät auf. Luisa und ich wurden gestern spontan zu einer Grillparty von einem guten Freund eingeladen. Wir hatten zugestimmt. Es sollte um 18 Uhr losgehen. Wir hatten Timo gestern getroffen, als er die letzten Besorgungen erledigte. Da er nur eine kleine 2-Raum-Wohnung hatte, fand die Party bei ihm im Garten statt. Er hatte ihn vor zwei Jahren gemietet und das war eine wirklich gute Entscheidung. Wir hatten dort bereits einige schöne Stunden verbracht.

Am Nachmittag fuhr ich Lebensmittel einkaufen, machte die Wohnung sauber und dann bereitete ich mich für den Abend vor. Ich hüpfte unter die Dusche, wusch mir die Haare und zog mir dann anschließend einen knielangen braunen Rock, ein weißes T-Shirt und meine Römersandalen an. Ich liebte diese Schuhe. Da Timo sich einen Pool eingebaut hatte, packte ich auch meinen Bikini ein. Wie ich aus der Vergangenheit wusste, endete es sowieso immer im Wasser. Luisa holte mich dann um dreiviertel Sechs ab. Da keiner von uns mit dem Auto fahren wollte, nahmen wir die Fahrräder. Nach ungefähr 15 Minuten kamen wir an. Einige Freunde waren schon eingetroffen. Nach und nach trudelten dann auch die restlichen Gäste ein. Wir begrüßten uns und führten einige Gespräche. Insgesamt konnte ich 11 Personen zählen. Als Timo den Grill anmachte, betraten zwei Unbekannte den Garten. Alle Augen waren auf sie gerichtet und wir sahen uns fragend an. Wer waren diese Menschen?

»Darf ich vorstellen? Mein Bruder Björn und seine Frau Monika«, stellte er uns strahlend vor. »Sie sind erst vor einigen Wochen hergezogen.« Er schlug seinem Bruder lachend auf die Schulter. Die Männer tranken Bier, die Frauen eine Weißweinschorle. Ich aber entschied mich auch für ein Bier. Es wurde eine lange Tafel aufgestellt. Luisa und ich kümmerten uns um das Geschirr und Besteck. Dann war endlich das Essen fertig. »Julia!«, rief jemand. »Schön, dass du doch noch gekommen bist« Es war Timos Stimme. Ruckartig drehte ich mich um. Vor Schreck ließ ich fast den Teller fallen, als ich in ihre Augen blickte. Sie war es wirklich. Julia Wagner. Und ihr ging es ähnlich. Verlegen schaute sie in die Runde. Ihr Blick blieb fragend an mir hängen. »Leute, das ist meine Nichte Julia.« Wie sich herausstellte, waren die beiden »Fremden« ihre Eltern. Dann machte es klick. Timos Nachname war ebenfalls Wagner. Ich setzte mich auf die Bank. »Alles okay bei dir, Nele?«, fragte Luisa besorgt. »Ja, alles super. Mir wurde nur gerade etwas schwarz vor Augen. Liegt wohl am Wetter«, überspielte ich die Situation. »Sag mal, geht diese Julia nicht in deine Klasse?«, wollte sie wissen und war überrascht über den Zufall, als ich zustimmte. Luisa wollte uns neue Getränke besorgen. Ich blieb sitzen.

»Frau Melling, hallo. Irgendwie witzig, dass wir uns hier treffen«, fing Julia ein Gespräch an. Ich nickte und lächelte gequält. Mir wurde mal wieder schrecklich heiß. Sie setzte sich auf die andere Seite des Tisches. Wir saßen uns nun direkt gegenüber. Ich füllte mir Salat auf den Teller und eine Bratwurst, obwohl ich plötzlich keinen Hunger mehr verspürte. Später räumten wir den Tisch gemeinsam ab und es wurde weiterhin getrunken. Alle wurden lustiger. Luisa erzählte alte Geschichten von mir und als ich bemerkte, dass Julia lächelte, wurde ich knallrot. »Das muss dir doch nicht peinlich sein«, rief meine Freundin Anna von der anderen Seite. »Jeder war mal verliebt.« Luisa hatte gerade erzählt, wie verknallt ich damals in einen Jungen war und ihm ein Bild von mir gemalt hatte. Er hatte es seinen Freunden gezeigt und die fanden das natürlich alle kitschig. Da waren wir gerade 13 Jahre alt gewesen. Es wurden noch einige andere Geschichten erzählt.

Dann verabschiedeten sich einige und wir waren noch zu acht. Wie ich es vorher gesagt hatte, landeten wir schließlich alle im Pool. Ich hatte mich vorher im Gartenhaus umgezogen. Dann stand Julia vor mir. Im Bikini. WOW, dachte ich. Sie sah umwerfend aus. Ich merkte, dass die Hitze schon wieder stieg und schnell flüchtete ich in den Pool. Sie stieg ebenfalls dazu. Es war genug Platz für alle da. Die meisten waren angetrunken und ich konnte den Alkohol ebenfalls spüren. Wir wickelten uns nach der Abkühlung in Handtücher ein und setzten uns an die Feuerschale. Es war bereits dunkel. »Lasst uns Wahrheit oder Pflicht spielen«, zettelte Timo betrunken an. Alle stimmten zu. Auch ich, obwohl wir aus dem Alter längst raus waren. Trotzdem war es witzig. Wir konnten alle gut lachen und einige Wahrheiten waren recht amüsant. 

»Julia, Wahrheit oder Pflicht?«, wurde sie gefragt. Gespannt sah ich sie an. Wie aus der Pistole geschossen, entschied sie sich für Pflicht. »Du musst eine Frau deiner Wahl aus der Runde küssen.« Mein Herz raste. Ich konnte nicht mehr klar denken. »Natürlich nur auf die Wange.« Puh, dachte ich erleichtert. »Du machst es mir ja ganz schön einfach, Timo«, sagte sie lachend, stand prompt auf und blickte in die Runde. Sie steuerte direkt auf mich zu, beugte sich zu mir hinunter und ihre Lippen berührten meine Wange für einen Moment. Dann setzte sie sich wieder zurück auf ihren Platz und tat so, als wäre nichts passiert. Mir war bewusst, dass es nur ein Spiel war. Trotzdem hatte ich eine andere Reaktion erwartet. Irgendwie. Ihr Kuss brannte auf meiner Haut. Ich spürte ihn immer noch. Irgendwann verloren wir die Lust. Luisa lallte mir zu: »Ich schlafe heute hier. Ist das okay? Schaffst du es alleine nach Hause?« Natürlich war es für mich okay. »Ich bringe Sie nach Hause«, sagte Julia schnell und zwinkerte mir zu. Ich konnte nicht mehr klar denken, was größtenteils am Alkohol lag. Und ich hatte auch keine Lust, ihr zu widersprechen. Also ließ ich mich von ihr nach Hause bringen. Unterwegs redeten wir nicht viel. Vor meiner Haustür blieben wir stehen. »Hier wohnen Sie also. Schöne Gegend. Es war übrigens ein toller Abend.« Sie kam einen Schritt näher. »Fand ich auch.« Mein Herz klopfte wild. »Gute Nacht«, hauchte sie, strich mir lächelnd eine Haarsträhne aus dem Gesicht und verschwand.

Sturzflug ins Herz || txsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt