Kapitel 5

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Gelangweilt beobachtete ich die Todesser, welche mal wieder von Voldemort versammelt worden waren. Alle saßen brav auf den ihnen zugeteilten Plätzen und warteten auf die Anweisungen ihres Herren. Auch ich hatte es mir auf meinen Platz, noch immer rechts von Voldemort am Kopfende des Tisches, gemütlich gemacht. Eigentlich hatte ich erwartet, es würden wenigstens irgendwelche interessanten Mordaufträge verteilt werden oder irgendetwas anderes Spannendes, doch bisher war es noch nicht der Fall gewesen. Snape hatte mal wieder erzählt, was der Orden so trieb, ein paar andere Todesser von den Vorgängen im Ministerium du ihren bisher noch nicht so erfolgreichen Versuchen, dieses langsam und unauffällig zu übernehmen. Irgendwelche Leute mit dem Imperius-Fluch zu unterwerfen war wohl wesentlich komplizierter als es dem dunklen Zauberer gefiel. Jedenfalls wirkte er nur halb so stolz darüber, dass die ersten niedrigen Angestellten unterworfen waren, wie Yaxley stolz berichtete. Das langsame nach oben arbeiten, ging wohl zu langsam voran. Der Hauptgewinn, der neue Zaubereiminister Rufus Scrimgeour, war noch zu weit weg.
Fudge hatte man abgesetzt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der dunkle Lord doch zurückgekehrt war. Ein Jahr lang konnte er ungehindert an Macht gewinnen, weil der Minister nicht einmal die Möglichkeit seiner Rückkehr in Betracht gezogen hatte. Lieber hatte er nach Patricias unschuldigen Vater gefahndet, der angeblich für die Askaban-Ausbrüche verantwortlich gewesen war.
„Nun, ich hoffe für euch, die Suche nach Igor Karkaroff geht schneller voran", meinte Voldemort schließlich, nachdem er die kleinen ersten Schritte in Richtung des Ministeriums noch kleiner geredet hatte.
Die Todesser, welche für das Aufspüren des Abtrünnigen zuständig waren, sahen kleinlaut auf ihre Hände, als hätten sie Angst, alleine der Blick der Hadesnymphe würde sie töten. Ganz offensichtlich ging es nicht gut voran. Das war allerdings auch kein Wunder. Der Schulleiter hatte sich schließlich viel Mühe gegeben, seine Spuren zu verwischen. Aber nicht gut genug, schließlich hatte ich sie gefunden.
„Er hat in seinem Haus keine Informationen, wo er sich verstecken könnte, hinterlassen", gab schließlich einer der Männer kleinlaut zu.
Das war wohl alles andere als überraschend. Ich meine, er war durch die Rückkehr des dunklen Lords vollkommen verängstigt und paranoid geworden. Er hatte ein Haufen Dokumente in seinem Kamin verbrannt, damit sie nicht gefunden wurden. Als würde er sich jetzt an einem Ort verstecken, der schon seit Jahren in seinem Besitz gewesen ist. Nein, er hatte seine Flucht erst in Hogwarts geplant, also gab es von früher auch keine Dokumente. Das Versteck musste von dort aus auch gut erreichbar sein. Darüber konnte man seinen Aufenthaltsort eingrenzen. Dank meiner Erinnerungen an die Papierschnipsel, konnte ich es sogar noch genauer sagen.
Ich zog die Karte heraus, welche ich erst gestern Abend gefunden hatte. Die letzten Tage hatte ich damit verbracht, mir verschiedene Weltkarten anzugucken, um herauszufinden, zu welchem Ort die Kartenschnipsel gehört haben. Schließlich musste ich dem dunklen Lord irgendwie bei Laune halten. Ich konnte nicht nur immer Informationen von ihm nehmen, es war auch mal an der Zeit zu geben. Da war ein so unwichtiges Leben wie das von Karkaroff perfekt für.
Daher breitete ich nun die Karte von Schottland auf dem Tisch aus. Den verwirrten Blicken am Tisch nach zu urteilen, hatte niemand eine Idee, was ich gerade vorhatte, doch es traute sich auch niemand zu fragen. Das hatten sich auch schon Jamie und Adina nicht getraut, als ich sie über die letzten Tage immer wieder beauftragte, mir irgendwelche Karten zu besorgen.
„Karkaroff ist irgendwo in Schottland", stellte ich gelangweilt fest. „Ich kann es auch noch etwas genauer eingrenzen, sobald ich alle Detailkarten habe, die es gibt."
Ich wurde erstmal verwundert angesehen. Kein Wunder, für alle anderen hier im Raum kam diese Tatsache wirklich aus heiterem Himmel. Woher sollten sie auch wissen, dass Patricia vor eineinhalb Jahren auf dem Schiff der Durmstrangs war und dort einmal alles auf den Kopf gestellt hatte.
„Wie kann es sein, dass Tahnea ihn finden kann und ihr nicht", fragte der dunkle Lord, welcher wohl lieber seinen Anhängern ihre Niederlage noch ein wenig unter die Nase reiben wollte, als mir auf den Zahn zu fühlen, in einem herrischen Ton nach. „Ihr habt mich enttäuscht."
Die entsprechenden Todesser zogen ihre Köpfe ein. Sie wussten genau, das enttäuschen ihres Herren würde noch irgendeine unangenehme Strafe nach sich ziehen. Je nachdem wie oft sie ihn enttäuscht hatten, würden sie vielleicht Schlangenfutter werden, den Curciatus-Fluch am eigenen Leib spüren oder sie bekamen ihr versagen einfach solange unter die Nase gerieben, bis sie es irgendwie wieder gutgemacht hatten. Letzteres war natürlich so gut wie unmöglich.
„Findet den genauen Standpunkt, bevor es die Basílissa tut, und tötet Igor Karkaroff", befahl Voldemort seinen Anhängern.
„Ich kann ihn auch für euch töten. Als würden die das hinkriegen. Am Ende lassen sie ihn nur entkommen und meine Arbeit war umsonst", schlug ich vor. Außerdem würde ich dadurch noch weiter unter Beweisstellen können, dass es mir ernst mit der Zusammenarbeit war. Ich hatte kein Problem damit, für ihn zu töten, kein Gewissen, welches mir dabei im Weg stand. Darüber hinaus würde ich gerne noch mal mit Karkaroff vor seinem Tod plaudern. Wer weiß schon, was für interessante Informationen er über Voldemort hatte. Vermutlich keine mehr, da er sie ansonsten bei seinem Prozess ausgeplaudert hätte, doch man weiß ja nie. Vielleicht hatte er auch nur nicht die Relevanz seiner Information verstanden.
„Seid froh, dass unsere Basílissa sich mit jemanden wie Karkaroff abgeben will. Sie wird sicherlich nicht versagen und wenn doch gehe ich davon aus, es war eure Schuld", wurde den Todessern verkündet, welche das alles mit eifrigen Nicken quittierten. Ich musste grinsen. Sollte ich mich also auf die faule Haut legen, würden sie dafür die Strafe abkriegen. Da hatte man ja schon fast Lust, zu versagen, damit das eintraf.
Der dunkle Lord hielt noch einen weiteren Monolog darüber, dass ihn niemand mehr an diesem Tisch enttäuschen sollte, doch schließlich entließ er seine Todesser wieder. Sie alle machten sich eilig davon, wahrscheinlich um jetzt noch gewissenhafter an ihren Aufgaben zu arbeiten. Schließlich wollte niemand von ihnen beim nächsten Treffen seinen Kopf verlieren. Nur die Bewohner dieses Hauses blieben im Salon zurück, wie meistens nach einer solchen Besprechung. Bellatrix brauchte immer einer Extraeinladung, damit sie wieder in ihrem Zimmer verschwand, Narzissa sorgte dafür, dass hier alles wieder aufgeräumt wurde, und Draco schien immer darauf zu hoffen, er würde endlich mal seine eigene Aufgabe, seine Chance sich zu beweisen, kriegen. Bisher hatte er dabei keinen Erfolg, doch das würde sich heute ändern. Auch wenn er noch nicht wusste. Nur Adina und Jamie hatten noch anfangs die Gelegenheit genutzt, schnell wieder zu gehen, doch seit unserem Deal blieben sie so lange, bis ich sie entweder wegschickte oder ebenfalls ging. Meine fleißigen Bienchen.
Dieses Mal hatte der dunkle Lord allerdings wirklich noch etwas zu besprechen. Er deutete Narzissa, welche schon aufgestanden war, an, sie solle sich wieder auf ihren Platz setzen. Mit angespannter Miene kam sie dieser Aufforderung nach.
„Draco, ich habe einen besonderen Auftrag für dich", verkündete der dunkle Lord. Die Miene meines Mitschülers hellte sich sofort auf. Endlich bekam er ihn, seinen lang ersehnten Auftrag. Wie er es wohl finden würde, wenn er erfuhr, worum es darin ging? Denn der dunkle Lord hatte diesen definitiv nicht ausgewählt, weil er den Schüler für einen so treuen und fähigen Anhänger hielt. Nein, eigentlich hoffte er sogar ein wenig, er würde versagen, denn das wäre die größte Strafe für Lucius Malfoys Versagen in der Ministeriumsabteilung.
„Einen Auftrag, Herr?", fragte Draco sichtlich begierig darauf diesen zu bekommen und zu erfüllen.
„Ich will, dass du zum nächsten Schuljahr nach Hogwarts zurückkehrst, und dort für das Ableben von Albus Dumbledore sorgst", wurde dem Schüler verkündet. Dieser wirkte aufgrund dieser Offenbarung überrascht. Kein Wunder, schließlich war der Schulleiter eigentlich drei Nummern zu groß für ihn. Mindestens. Doch der dunkle Lord wollte seinen Vater nun einmal bestrafen, indem er seinen Sohn einen unmöglichen Auftrag gab. Lucius Malfoy würde machtlos aus Askaban dabei zusehen müssen, wie sein kleiner Liebling versagte und dafür die Strafe der Hadesnymphe kassierte. Wenn Draco nicht selbst am Ende bei seinem Vater landen würde.
Das alles schien Draco allerdings nicht wirklich einzuleuchten. Nach der ersten Verwunderung wirkte er ziemlich stolz. Anscheinend glaubte er, man würde ihm wirklich zutrauen, den Schulleiter zu töten. Als hätte ich dann meine Erlaubnis für diesen Auftrag gegeben. Dumbledore stand schließlich noch immer auf meiner Liste, also durfte ich ihn am Ende auch umbringen. Hätte irgendjemand Draco wirklich eine Chance zugerechnet, hätte ich nie die Erlaubnis für diesen Auftrag gegeben.
Bellatrix schien allerdings nicht zu verstehen, dass diese Aufgabe nicht als Belohnung für ihre Familie anzusehen war. Sie strahlte mindestens genauso wie Draco aufgrund der Nachricht. Endlich konnte ihr Neffe den Fehler seinen Vaters ausgleichen. Ob sie wohl hoffte, so auch selbst wieder von meiner Todesliste zu kommen? Wenn sie es tat musste ich sie allerdings bitter enttäuschen.
Anders als ihr Sohn und ihre Schwester schien Narzissa zur Erkenntnis zu kommen, ihr einziges leibliches Kind hätte keine Chance, die ihm zugewiesene Aufgabe zu lösen. Auf jeden Fall wurde sie kreidebleich, als sie erfuhr, für was für einen Auftrag der dunkle Lord ihren Sohn ausgewählt hatte. Sie starrte noch angestrengter als ohnehin schon auf ihre Hände, doch auch das konnte ihr Missfallen über den Auftrag nicht verbergen. Es schien allerdings niemand im Raum weiter darauf eingehen zu wollen.
„Niemanden hier im Raum ist es erlaubt über Dracos Auftrag zu sprechen. Dieser Plan bedarf größter Geheimhaltung, wenn er funktionieren soll. Dumbledore darf keinen Verdacht schöpfen", befahl der dunkle Lord. Denn wenn er es tun würde, wäre Draco noch schneller in Askaban. Blöd für die Malfoys.
Ich stand von meinem Platz auf. Jetzt war wirklich alles vom dunklen Lord verkündet worden, was er zu sagen hatte. Daher gab es auch keinen Grund für mich, noch länger hierzubleiben. Stattdessen würde ich jetzt erst einmal einen langen Spaziergang machen, bevor ich mich erneut an das Aufspüren von Karkaroff machte. Schließlich hatte ich es damit nicht allzu eilig.
Weit kam ich nicht, als ich den Raum verließ. Adina kam mir nachgeeilt, während sich Jamie mal wieder lieber ganz unauffällig zurückzog. Vermutlich hatte seine Freundin mal wieder einen ihrer mutigen Momente und wollte mich um irgendetwas bitten. Angesichts der Verkündung von gerade würde sie wohl um das Leben ihres Bruders betteln.
„Tahnea", wurde ich tatsächlich angesprochen, was ich nur mit einem genervten Blick quittierte. Wir beiden hatten eine Abmachung, diese beinhaltete allerdings nicht, dass ich Draco vor einer Selbstmordmission bewahrte. „Du musst meinem Bruder helfen", teilte sie mir mit flehender Stimme mit.
„Nein, das muss ich nicht", erwiderte ich desinteressiert, während ich die Tür zum Garten aufschob.
„Ich bitte dich darum, ihm irgendwie zu helfen. Wir wissen beide, er ist nicht in der Lage Dumbledore zu töten." Ich hatte sogar die leise Vermutung, er wäre nicht fähig, irgendjemanden das Licht auszuknipsen. Draco war ein versöhntes Vatersöhnchen. Ja, er tyrannisierte mal gerne Leute, doch wenn man bedachte, wie grün er im Gesicht geworden war, als ich Nagini fütterte ... er war einfach kein blutrünstiger Mörder. Mit Gift oder ähnlichen schaffte er es vielleicht, einen Mordanschlag durchzuziehen, doch ich ging davon aus, Dumbledore hatte aus dem Ring gelernt und war ab jetzt vorsichtiger. Selbst wenn er es wie ein Wunder schaffte, den Schulleiter zu töten, dann würde seine kleine arme Seele deshalb vollkommen zugrunde gehen. Seine Schuldgefühle würden ihn vollkommen auffressen. Und wenn er es nicht schaffte, nicht durchzog, nun dann würde der dunkle Lord ihm wohl zeigen, wie unausstehlich er werden kann, wenn man ihn enttäuscht. Egal, wie man es auch dreht und wendet, Draco wird an diesem Auftrag zu Grunde gehen. Er hatte es nur noch nicht verstanden.
„Du hast Recht. Er ist sehr wahrscheinlich nicht dazu in der Lage. Und selbst wenn er es schafft ... dein Bruder ist verloren, Adina", stellte ich ungerührt fest, während ich in die kühle Nachtluft trat. Die Wassernymphe neben mir zitterte leicht, ich wusste nur nicht ob aufgrund der Temperaturen oder dieser Feststellung, doch sie dachte nicht daran, aufzugeben.
„Sag mir, was ich machen muss, damit du ihm hilfst."
„Ich werde ihm nicht helfen, Adina. Der dunkle Lord will deinen Vater für sein Versagen bestrafen, Draco ist dafür ein gutes Mittel. Ich habe ihm erlaubt, Dumbledore als Mordopfer zu wählen, obwohl er auf meiner Liste steht."
„Wenn er auf deiner Liste steht, dann bring du ihn doch um. Das willst du doch", wurde ich angefleht. Ja, das hatte sie recht. In der Theorie wollte ich das. Allerdings sollte mir der alte Mann erstmal dabei helfen, die Horkruxe aufzuspüren. Dass Draco jetzt den Auftrag als Strafe bekommen hatte, gab mir nur eine gute Gelegenheit, den Schulleiter erstmal am Leben zu lassen. Außerdem schien sich Voldemort sehr über meine Kooperation zu freuen. Er schien es als Zeichen zu sehen, dass ich wirklich an unsere Abmachung glaubte. Es gab daher nichts, was Adina mir geben konnte, damit ich meine Meinung darüber änderte.
„Ich kann ihn auch noch selber umbringen, wenn dein Bruder versagt hat. Es hat keine Eile."
„Und wenn er nicht versagt?", fragte Adina ängstlich. „Wirst du dann dafür Dracos Leben fordern?"
Ich verdrehte die Augen. Dafür gab es wirklich keinen Grund. Dass diese Gefahr bestand, war mir bei meiner Zustimmung bewusst gewesen. Ich hatte beschlossen, das Risiko einzugehen, weil ich es für sehr gering hielt. Wenn ich mich also geirrt hatte, war genau eine Person dafür verantwortlich, dass Dumbledore nicht durch meine Hand gestorben war. Mich selbst. Da konnte dann Draco wirklich nichts für, schließlich war er gerade nichts weiter als ein Bauer, welcher sehr wahrscheinlich geopfert werden würde.

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