Der Juni hatte tatsächlich wunderschönes Wetter und dadurch viel zu viel gute Laune mitgebracht. Obwohl es in schnellen Schritten in Richtung Prüfungen ging, schien die Sonne die Leute trotzdem irgendwie zu entspannen. Ständig tummelten sie sich auf den Wiesen, welche sich um das Schloss zogen. Die ersten hatten sogar schon wieder angefangen, ihre nackten Füße ins Wasser des großen Sees zu halten.
Draco und ich hingegen verbrachten noch immer die meiste Zeit im Raum der Wünsche. Von dem ganzen Sonnenschein hatte ich bisher kaum etwas mitgekriegt. Allerdings legte ich auch nicht unbedingt wert darauf. Lesen konnte ich hier viel besser, weil nicht ständig irgendwelche schreienden Erstklässler um mich herumsprangen. Außerdem bekam so niemand mit, worüber ich recherchierte. Nämlich wie ich die Magie von einer Nymphe auf mich übertragen konnte.
Draco war noch immer mit dem Verschwindekabinett beschäftigt. Mittlerweile schwänzte er sogar teilweise den Unterricht, um das Ding noch irgendwie fertig zu werden. Immer wieder brach er auch zusammen und heulte sich dann bei seiner Schwester oder Myrte aus. Als würde dadurch irgendetwas besser werden.
Ich blätterte mal wieder eine Buchseite um. Eine neue Seite, ein neuer Zauber. Dieses Mal einer, der wohl früher Apollon dabei geholfen hatte, einen Blick in die Zukunft einer Person zu werfen. Gesteuert und nicht nur eine plötzlich auftauchende Vision.
In diesem Moment begann Draco zu jubeln. Ich sah genervt von meinem Buch aus. Ein Vorteil von diesem Ort war bisher die Ruhe gewesen. Warum also meinte er jetzt, das kaputt machen zu müssen?
„Basílissa! Sieh mal!" Mir wurde begeistert der Vogelkäfig vor die Nase gehalten, den er immer nutzte, um zu testen, ob nun das Kabinett wieder funktionierte oder nicht. Bei den ersten Versuchen war einfach gar nichts geschehen, seit Ostern verschwand zwar der Käfig, doch der Vogel darin, überlebte den Transport nie. Doch heute war es anders. Das Tier zwitscherte fröhlich vor sich hin, als wäre er nie hin und her geschickt worden.
„Es ist wieder ganz, oder?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm ich den Vogel auch schon an mich. Ich stellte ihn wieder in das Kabinett. Ich schlug die Türen zu, nur um sie sofort wieder zu öffnen. Der Käfig war mitsamt des Käfigs verschwunden. Erneut schloss ich die Türen. Als ich sie das nächste Mal wieder öffnete, war der Vogel wieder dort. Noch immer lebendig, jetzt aber nicht mehr ganz so fröhlich zwitschernd.
„Gut gemacht, Draco. Das wird den dunklen Lord freuen", stellte ich fest, doch ich war mir nicht so sicher, dass er mich überhaupt hörte. Er war noch viel zu sehr mit Jubeln beschäftigen.
Aus diesem Grund bemerkte er wahrscheinlich auch nicht, wie die Tür zum Raum der Wünsche geöffnet wurde. Ich hingegen bemerkte die Lichtveränderung, die vom Flurlicht ausgelöst wurde, sofort. Ich ließ Draco einfach weiterjubeln, während ich mich lautlos in die Richtung schob.
Harry hatte sich die letzten Monate sehr viel Mühe gemacht, um hier einzudringen. Er hatte es allerdings nie geschafft, weil er einfach keine Ahnung hatte, was für einen Raum Draco und ich uns wünschten. Das ausgerechnet heute jemand hier hereinkam, wo das Kabinett gerade fertig war, passte natürlich überhaupt nicht. Jetzt hatten wir das Ding endlich repariert, da würde ich keinem Zeugen erlauben, hier herumzupfuschen.
„Wer da?", hörte ich eindeutig weibliche Stimme rufen, weshalb Dracos Gejohle doch mal verstummte.
Ich umrundete einen weiteren Berg gerümpelt, weshalb ich nun sehen konnte, wer hereingekommen war. Sehr zu meiner Überraschung war es Professor Trelawney, die gerade hereinkam. Wie immer trug sie viel zu viele Schals, doch anstelle ihrer üblichen Duftwolke von Duftkerzen, Räucherstäbchen oder was sie sonst noch in ihrem Turm alles anzündete, haftete der Geruch nach viel zu viel Sherry an ihr. Dazu passend hatte sie auch gleich mehrere leere Flaschen von dem Zeug in der Hand.
Ich blieb versteckt hinter auf meiner Position stehen. Ohne abzuwarten, ob sie nun Dracos Jubeln auf den Grund gehen würde, schmiss ich ihr einen Zauber entgegen, der sie wieder aus der Tür beförderte. Solange sie nicht wusste, warum jemand jubelte, sollte das Kabinett noch sicher sein. Es gab einfach viel zu viele Artefakte in diesem Raum und dann kam natürlich noch dazu, dass die Person auch aus ganz anderen Gründen jubeln könnte. Es musste nichts mit den ganzen Objekten hier drin zu tun haben.
„Wie – können – Sie – es – wagen – Aaaaargh!", schrie die Wahrsagelehrerin, während ich sie hinausbeförderte. Ich grinste nur. Ja, wie konnte ich es wagen, einfach nervige Zeugen aus meinem Versteck zu werfen?
Ich ließ die Tür hinter Professor Trelawney ins Schloss fallen, weshalb ihre Beschwerden verstummten. Trotzdem ging ich nicht zurück zu Draco, sondern wartete erstmal ob, die Frau wieder hereinkam. Ich war mir nicht sicher, ob sie verstanden hatte, dass sie hier drin nichts zu suchen hatte. Mit etwas Glück würde sie das ganze allerdings als böses Omen ansehen und nie wieder hierher zurückkommen.
„Das war knapp", murmelte Draco, dessen Freude über seinen Erfolg nun dem Schock über das Auftauchen von Trelawney gewichen war.
„Leider schon. Vielleicht sind Crabbe und Goyle doch als Wachen nützlich. Aber jetzt hat sich das Thema wohl bald erledigt. Bald lassen wir nämlich einen Haufen Todesser hier herein und werden dann Dumbledore erledigen." Ein breites Lächeln erschien bei dem Gedanken auf meinem Gesicht. Der nutzlose Schulleiter würde bald sterben und deshalb aufhören, mir im Weg zu stehen. Damit wäre zwar sehr wahrscheinlich auch die Jagd auf mich eröffnet, aber ein bisschen Schwund ist immer. Irgendwann würde so oder so die Jagdsaison auf mich eröffnet werden. Die Frage war nicht ob, sondern nur wann. Eventuell war sie sogar schon wegen meines Angriffs auf Ginny längst im Gange. Also konnte ich sie jetzt auch definitiv auslösen.
„Du solltest Madam Rosmerta über die Münze den Auftrag geben, bei unseren Verbündeten bescheid zu geben. Wir haben den Tod eines Schulleiters zu planen. Jeder, der mutig genug ist, Hogwarts zu erobern, soll kommen", stellte ich breit grinsend fest.
Draco nickte nur kurz. Seine Begeisterung über das reparierte Verschwindekabinett schien verschwunden zu sein. Wahrscheinlich, weil er genau wusste, dass der schwierigste Teil noch bevorstand.
Wir würden jetzt weitere Todesser nach Hogwarts holen können, ja, aber am Ende gab es nur eine Person, die Dumbledores Blut an seinen Händen kleben haben würde. Das war er, jedenfalls wenn es nach dem dunklen Lord ging. Und momentan war ich sogar bereit, ihn den Mord durchziehen zu lassen. So war die Spielvereinbarung zwischen dem dunklen Lord und mir. Allerdings war ich mir noch immer sehr sicher, dass Draco am Ende nicht in der Lage war, dem Schulleiter den Rest zu geben. Und dann wäre ich da, um es durchzuziehen.
„Deine Schwester und Jamie haben auch hierherzukommen", fügte ich noch hinzu. Mir war sehr wohl bewusst, dass wir nach dem Mord an Dumbledore erstmal von hier verschwinden müssten. Mir war vollkommen egal, ob die beiden nun mitkämpften oder nicht. Von mir aus konnten sie sofort verschwinden und sich irgendwo verstecken. Aber ich würde sie definitiv nicht mal den Informationen im Kopf hier zurücklassen. Reichte ja schon, dass Adina der Kriegsnymphenfamilie bei jeder Gelegenheit Informationen steckte, da musste ich ihren Verrat nicht weiter fördern, indem ich sie dem Orden auslieferte.
„Natürlich, Basílissa", murmelte Draco. Ich gab ein zufriedenes Nicken von mir, bevor ich mich wieder meinen Büchern zuwandte.
Der andere Schüler starrte noch ein paar Sekunden entsetzt das Verschwindekabinett an, doch schließlich drehte er sich zu mir. Für ein paar Sekunden glitt sein hoffnungsvoller Blick zu mir. Die Hoffnung darin verblasste allerdings sofort wieder. Ich hatte keine Ahnung, warum er überhaupt jemals etwas auf mich gesetzt hatte. Dass ich ihn nicht vor dem Mordversuch retten würde, sollte in den letzten Wochen und Monaten eigentlich deutlich geworden sein. Aber Menschen und ihre Hoffnungen waren nun einmal dumm.
Schließlich bahnte er sich mit einem leisen Seufzen seinen Weg vorbei an dem ganzen Gerümpel zur Tür, um endlich meinen Arbeitsaufträgen nachzukommen.
Ich hingegen las weiter in meinem Zauberbuch weiter. Mittlerweile hatte ich die meisten der Zauber gefunden, die damals dafür umgewandelt wurden, um uns Nymphen zu erschaffen. Netterweise hatten die Götter damals sogar notiert, was sie umgeändert hatten. Es fehlte nur noch ein Zauber, aber leider der entscheidendste. Der, welcher dafür sorgte, dass sich die Magie auf eine neue Nymphe übertrug. Schließlich wollte ich die Person sein, auf welche die Magie am Ende übertragen wurde. Aber wenigstens kam ich meinem Ziel mit großen Schritten immer näher.

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Hexagramm - Papiertiger
FanfictionDreizehn Nymphen mit dreizehn Kräften und dreizehn Flüchen. Drei Jäger und zehn Gejagte. Sirius, der Lügner; ihre leibliche Familie, die sie nicht genug wollten, um nach ihr zu suchen; der dunkle Lord, der ihr alles nahm - Patricias Wut hat sie noch...