Kapitel 19

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Ich hatte mich mal wieder in den Raum der Wünsche zurückgezogen, um mich dort der Suche nach Horkruxen zu widmen. Nur wenige Meter entfernt stand das Verschwindekabinett, doch ausnahmsweise arbeitete Draco nicht daran. Heute war das erste Mal der Apparierunterricht, weshalb ich hier alleine war.
Seit dem Spiel hatte sich Dracos und meine Beziehung ziemlich verändert, was vor allem hieß, dass er kein Interesse mehr daran hatte, mit mir zu schlafen. Stattdessen schien er mir wieder aus dem Weg gehen zu wollen. Wenn ich in den Gemeinschaftsraum kam, lief er in den Schlafsaal oder raus, kam ich in die große Halle zum Essen, packte er sich Essen ein. Die einzigen Orte, wo wir uns noch regelmäßig trafen, waren das Quidditchfeld und hier.
Es störte mich tatsächlich. Ich mochte es nicht, dass ich gerade die Kontrolle über Draco verlor. Es reichte schon, dass seine Schwester aufsässig geworden ist. Ich hatte keine Lust darauf, dass er seine Tränen irgendwann trocknete und eine Revolte anzettelte. Ich brauchte Handlanger, ich brauchte Draco, um das Kabinett zu reparieren. Die Frage war nur, wie ich ihn wieder zurückkriegen konnte. Die mitleidige Schiene hatte beim letzten Mal ganz gut funktioniert. Vielleicht sollte ich das noch einmal machen.
Gerade als ich meinen Entschluss gefasst hatte, Draco wieder etwas zu umschmeicheln, ging auch schon die Tür zum Raum auf. Der Schüler kam herein. Ich konnte mal wieder eine der Erstklässlerinnen im Gang sehen, was wohl hieß, dass er Crabbe oder Goyle schon wieder mit Vielsafttrank zur Wache abgestellt hatte. Meiner Meinung nach unnötig, aber das würde ich ihm wohl kaum heute unter die Nase binden. Zuckerbrot war die Devise. Zuckerbrot, nicht Peitsche.
Draco tat so, als würde er mich nicht bemerken. Er lief einfach zum Verschwindekabinett, stellte seine Tasche ab und machte sich an die Arbeit. Ich sah ihm kurz dabei zu. Jetzt war die perfekte Gelegenheit, um mir seine Treue wieder zu sichern.
„Wie war der Kurs?", fragte ich in einem möglichst freundlichen Ton, auch wenn es mir gegen den Strich ging.
„Bisher noch nicht erfolgreich", kam nur die knappe Antwort.
„Ist jemand zersplintert?", hakte ich weiter nach, um ein Gespräch in Gang zu bringen.
„Susan Bones."
„Und hattest du Erfolge beim Apparieren?", gab ich trotz des offensichtlichen Desinteresses nicht auf.
„Nein."
„Würde es helfen, wenn ich dir sagen würde, dass deine Schwester Recht hat? Ich habe anscheinend zu viel Peitsche und zu wenig Zuckerbrot bei meinem Führungsstil verwendet. Ich habe dir versprochen, ein besserer Anführer als Voldemort zu sein und dich nicht für dein Versagen zu bestrafen. Ich gedenke zwar nicht, dir zu erlauben, mit dem Quidditch aufzuhören, doch wenn wir wegen dir verlieren, lass ich dir deinen Kopf. Und auch alle anderen Körperteile. Und foltern werde ich dich auch nicht. Deine Liebsten auch nicht. Und ..."
„Du willst aufhören, mich zu bedrohen", fasste Draco mein Gefasel zusammen.
„Ja, das wollte ich sagen. Ich weiß, Voldemorts Führungsstil ist nicht zielführend, also will ich es anders machen. Ist manchmal schwierig umzusetzen, wenn man nur wütend werden kann", stellte ich fest.
Draco sah mich noch kurz nachdenklich an, bevor er leicht den Kopf schüttelte. Er wandte sich wieder dem Verschwindekabinett zu, was mir gar nicht gefiel. Ich war nett zu ihm gewesen, was wollte er denn noch? Jetzt sollte er wieder auf meiner Seite sein. Warum war es nicht? Gefühlsgeladene Menschen waren so kompliziert.
„Wenn du willst, dass wir wieder Freunde sind, könntest du zugeben, dass dir gerade ein Freund fehlt und ich es aus irgendeinem Grund sein soll."
„Ich bin nicht in der Lage Freundschaften zu führen", murrte ich, was mir von Draco einen amüsierten Blick einbrachte. Er glaubte mir nicht. Wie dumm von ihm. „Aber ich hätte dich gerne an meiner Seite."
Ich verschwieg meinem Klassenkameraden, dass es mir nicht um seine blöde Freundschaft ging, sondern darum einen Verbündeten zu haben. Dass ich ihn nun mal nicht durch Crabbe oder Goyle ersetzen konnte, weil die beiden definitiv nicht in der Lage waren, das Verschwindekabinett zu reparieren. Jamie traute ich es noch zu, doch bei ihm hatte ich die Sorge, dass Adina ihm zu viele Flausen in den Kopf gesetzt hatte. Am Ende würde er es nur noch kaputter machen.
Draco drehte sich wieder zu mir um. Er musterte mich kurz eindringlich, bevor sich ein trauriges Lächeln auf sein Gesicht schlich. Ich hatte mal wieder keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte.
„Crabbe hat sich beschwert, weil er nicht mehr Wache stehen will", wurde mir berichtet.
„Dann soll er es lassen. Wir brauchen ihn dafür nicht. Wir könnten uns andere Aufgaben für ihn und Goyle ausdenken", stellte ich fest. Ich verstand noch immer nicht, warum sie immer vor dem Raum der Wünsche standen. Es konnte eh keiner hereinkommen, solange wir hier drin waren. Gut, beim Rausgehen mussten wir etwas aufpassen, aber da half bis heute das gute, alte an der Tür lauschen.
„Es geht mir nicht darum, die beiden zu beschäftigen", wurde auf meinen Vorschlag hin erwidert.
„Hilfreich ist ihre Anwesenheit aber nicht." Wir konnten sie mit dem Vielsafttrank viel besser Harry ausspionieren lassen. Oder einen seiner Freunde in eine Falle locken. Die Sache mit dem Gegengift war noch immer nicht vom Tisch. Weil Ron ständig wortwörtlich an Lavender Brown hing, hatte ich ihn mir noch nicht schnappen können. Aber wenn ich mich in seine Freundin verwandeln würde, könnte es funktionieren. Oder ich lauerte Hermine auf. Mit ihr hatte sich Harry auch wieder versöhnt.
„Ich fühle mich dann aber besser. Auch wenn es unlogisch ist", wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
Ich gab ein leises Seufzen von mir. Unlogisch beschrieb das Ganze nicht einmal annähernd. Eigentlich sollte er sich deshalb viel unsicherer fühlen. Crabbe und Goyle waren eindeutig ein Risiko.

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