Kapitel 23

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Mit einem Rucksack voller neuer Bücher von Jessica schlich ich mich durch die Schule. Die Nachtruhe würde zwar erst in sieben Minuten beginnen, aber ich wollte trotz allem ungern entdeckt werden. Es war vielleicht etwas paranoid, aber niemand sollte sich die Frage stellen, warum ich in diesem Teil des Schlosses war und vor allem, warum ich so spät abends noch mit einer Schultasche unterwegs war. Die Bücher, die ich von Jessica erhielt, würde ich weiterhin vor den meisten Leuten geheim halten, weshalb ich auf dem Weg zum Raum der Wünsche war, um sie dort zu verstecken. Außerdem würde ich von dort wohl Draco zum Abendessen abholen.
Ich hatte gerade den Gang erreicht, indem der Raum der Wünsche lag, als hinter mir ein lauter Knall zu hören war. Ich wirbelte herum und ließ mein Messer in meine Hand gleiten, um den Verursacher des Geräusches zum Schweigen zu bringen.
Sehr zu meiner Verwunderung stand kein Mensch vor mir, sondern ein mir ziemlich bekannter Hauself. Er war schon ziemlich alt, weshalb seine Haut schlaf und faltig herabhing und aus seinen Fledermausohren schon weiße Haarbüschel wuchsen. Er wirkte sehr ungepflegt, seine wässrig grauen Augen waren blutunterlaufen und sein Lendenschurz war völlig verdreckt.
„Kreacher", stellte ich fest. Automatisch fing ich an zu grinsen. Am Anfang des Schuljahres hatte ich den Hauselfen noch unbedingt finden wollen, um von ihm das Medaillon zu fordern, und nun stand er einfach so vor mir. Vielleicht war Tyche ausnahmsweise mal auf meiner Seite.
„Kreacher ist erfreut seine wahre Herrin zu sehen", erklärte der Hauself und verbeugte sich tief vor mir, wobei er noch murmelnd hinzufügte, „Seine wahre Herrin mit dem Herzen einer wahren Black. Hatte Kreacher nicht geglaubt, als sie mit bunten Haaren das erste Mal den Grimmauldplatz betrat. Seine erste Herrin wäre stolz auf ihre Enkeltochter."
„Ich habe schon versucht, dich zu mir zu rufen. Sirius hat es allerdings für richtig empfunden dich und sein Elternhaus Harry zu vermachen. Ich hätte gedacht, dein neuer Herr verbietet dir den Kontakt zu mir oder den Grimmauldplatz jemals wieder zu verlassen. Also warum bist du hier?"
„Der Herr hat Kreacher befohlen, in Hogwarts zu arbeiten. Kreacher muss nun Schlammblüter bedienen und andere furchtbare Dinge tun. Dabei wäre Kreacher doch lieber der Diener seiner wahren Herrin. Ihr nichtsnutziger Vater hatte nicht das Recht, Kreacher an seinen Herrn zu vererben."
Ich ballte meine Hand wütend zu einer Faust. Da waren der Hauself und ich uns mehr als einig. Sirius hatte definitiv nicht das Recht gehabt, mir den Grimmauldplatz und Kreacher vor zu enthalten. Ich war seine wahre Tochter, sein Fleisch und Blut. Ich war die letzte wirkliche Black, wenn man mal von Kira Lorraine absah. Uns stand das Erbe dieser Familie zu und nicht einem Potter.
„Na komm, Kreacher. Gehen wir in den Raum der Wünsche, damit wir ungestört reden können", forderte ich den Hauself auf, doch dieser schüttelte bestimmt den Kopf.
„Es ist Kreacher nicht erlaubt", wurde mir erklärt, weshalb ich eine Augenbraue hochzog. Warum sollte Harry dem Wesen verbieten in den Raum zu gehen? Ahnte er, dass Draco und ich dort immer zusammensaßen. Hatte er so verhindern wollen, dass sein Hauself ihm wieder in den Rücken fiel?
„Hat Harry dir verboten, den Raum zu betreten."
„Nein, wahre Herrin Patricia. Kreacher ist aber nicht erlaubt, darüber zu sprechen."
Ich runzelte die Stirn. Kreacher durfte in den Raum, aber jetzt gerade konnte er mir trotzdem nicht dorthin folgen. Er hatte kein Kontaktverbot zu mir, also blieb nur noch eine Möglichkeit. Harry hatte ernsthaft den Kontakt zu Draco verboten, aber nicht zu mir. Wirklich dumm von ihm. Oder hatte er sich darauf verlassen, dass der Hauself schon nicht zu Patricia gehen würde, weil er sie für genauso unwürdig als seine Herrin sehen würde wie ihn. Hätte ich mich nicht den Todessern angeschlossen, würde das sogar wahrscheinlich stimmen, aber so ... Sehr fahrlässig von dem Gryffindor.
Aber warum hatte mich dann der Hauself ausgerechnet hier abgefangen? Die Gefahr war sehr hoch, dass Draco gleich den Raum verließ, weil er beschloss, ohne mich zum Essen zu gehen. Weil ich zu lange brauchte. Außer Kreacher war nicht wegen mir hier.
Harry verlangte von Kreacher furchtbare Dinge. Darunter zählte sicherlich, dass er hier neben den Schlammblütern auch Blutsverrätern dienen musste. Aber vielleicht hatte er auch noch einen weiteren Auftrag. Draco auszuspionieren, weil der Gryffindor ahnte, dass er seine Finger bei den Mordanschlägen im Spiel hatte. Ein Wunder, dass er den Hauself nicht auf mich angesetzt hat.
Doch das alles war gerade nebensächlich. Der Hauself war hier und solange er nicht erfuhr, was im Inneren des Raumes vor sich ging, konnte er Harry auch nichts verraten, was uns wirklich gefährlich werden könnte. Es war nicht verboten, sich in den Raum zurückzuziehen und wir machten dort genug unschuldige Dinge, um Fragen beantworten zu können. Sex, Hausaufgaben und Lesen, wir genossen einfach unsere Zweisamkeit, wenn ein Lehrer nachfragte. Also konnte ich die Gelegenheit beim Schopf packen, um an einen Horkrux zu kommen.
„Kreacher im Grimmauldplatz liegt ein Medaillon. Gold mit eine S darauf. Ich brauche es. Kannst du es zu mir bringen?"
„Herr Regulus Medaillon?", wurde ich ängstlich gefragt. „Kreacher hat unrecht getan, Kreacher hat seine Befehle nicht befolgt!"
Der Hauself rannte los, um seinen Kopf gegen die Wand zu schlagen. Ich sah einfach dabei zu, wie sich das Wesen selbst eine üble Platzwunde zuzog, bevor er sich wieder schweratmend und blutend an mich wandte.
„Ich weiß, dass mein Onkel dir den Auftrag gab, das Medaillon zu zerstören, und du es nicht geschafft hast. Deshalb brauche ich es. Um seinen Auftrag zu beenden, Kreacher. Um dir dabei zu helfen, es zu zerstören."
Nun schien der Hauself endgültig einen Nervenzusammenbruch zu haben. Erneut rannte er zur Wand, wo schon ein Blutfleck vom letzten Mal Kopf gegen Schlagen war. Dieses Mal hielt ich ihn allerdings auf. Ich hatte wirklich keine Zeit dafür, dass er sich gleich ohnmächtig schlug.
„Du hast dich genug bestraft", teilte ich dem Hauselfen mit. „Bringe mir das Medaillon oder helfe mir wenigstens, dort heranzukommen."
„Kreacher will der Herrin helfen, aber es ist ihm nicht erlaubt. Kreacher darf das Schloss nicht verlassen."
„Weißt du, wo es im Grimmauldplatz liegt?"
Wenn ich das blöde Ding nicht in dem Haus suchen musste, würde es die Sache ziemlich beschleunigen. Ich konnte schneller rein und raus, was es unwahrscheinlicher machte, dass jemand mich dort erwischte. Auch wenn ich mir sehr sicher war, Dumbledore hatte Sicherheitsvorkehrungen gegen mein Eindringen erschaffen, würde jede Sekunde, die ich sparen konnte, helfen.
„Es ist nicht mehr dort, wahre Herrin. Mundungus hat es gestohlen, mit vielen anderen Besitztümern, die eigentlich Kreachers wahrer Herrin zugestanden hätten."
„Mundungus hat es?", fragte ich breit grinsend. Das spielte mir sogar eigentlich in die Karten. Dumbledores Schutzzauber machten mir wesentlich mehr Sorgen als irgendein zweitklassiger Dieb. Oh, natürlich hieß es, ich würde den Mann aufspüren müssen, doch das war machbar. Auch wenn der Gauner etwas anderes dachte, er war nicht wirklich gut darin, unterzutauchen. Immer wieder kam er ans Tageslicht gekrochen, um zwielichtige Geschäfte abzuschließen. Und das wäre sein Untergang.

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