Ich beobachtete durch die großen Glasflügeltüren wie Adina mit Jamie, Antiope und Teddy im Garten spielte. Die Hunde bellten beim Hinterspringen des Balles so laut, dass ich es sogar hier drin hören konnte. Anscheinend gewöhnte sich Patricias Hund langsam daran, dass ihre Besitzerin fort war. Sie kam nicht mehr ständig zur den Glastüren gelaufen, während ich hier in der Bibliothek las und arbeitete, um mich zum spielen aufzufordern. Nachts versucht sie sich nicht mehr, in mein Zimmer zu schleichen. Stattdessen blieb sie immer brav bei Adina und Jamie, kuschelte mit ihnen und warf mir nur immer mal wieder einen traurigen Hundeblick zu, wenn ich an ihr vorbeilief.
Die Tür zur Bibliothek wurde geöffnet. Ich drehte meinen Sessel so, dass ich den Neuankömmling sehen konnte. Draco.
Es wunderte mich nicht wirklich ihn hier zu sehen. Ich war nicht die einzige Person, die sich in letzter Zeit viel mit Büchern beschäftigt hatte. Während ich die ganzen Bücher von Jessica durchlas, in welchen Informationen über Nymphenmagie standen, hatte sich Draco ganz seiner Aufgabe zugewandt. Dem Mord an Albus Dumbledore. Er schien noch immer nicht zu der Erkenntnis gelangt zu sein, dass diese Aufgabe für ihn unmöglich durchzuführen war. Stattdessen stürzte er sich voll in die Arbeit, machte sich Notizen zu irgendwelchen Zaubern und Artefakten, die er wohl für seine Mission als hilfreich ansah.
Heute kam Draco allerdings nicht mit einem Haufen Bücher unter dem Arm herein. Auch seine Notizen konnte ich nirgendwo sehen. Stattdessen hat er mehrere Briefe in der Hand. Er sah kurz unsicher zu mir herüber, als wüsste er nicht, was er machen sollte. Im nächsten Moment stellte er sich auch schon gerader hin und kam zu mir herüberstolziert.
„Basílissa Tahnea", wurde ich respektvoll angesprochen. „Die Hogwartsbriefe sind angekommen."
Wortlos streckte ich meine Hand in seine Richtung aus. Mir wurden zwei der Umschläge in die Hand gelegt. Wie auch schon letztes Jahr war einer der beiden Dicker, als wenn nur Papier enthalten wäre. Ich runzelte die Stirn. Das Vertrauensschülerabzeichen, welches Patricia letztes Jahr aufgezwungen worden war, hatte ich noch. Oder wollte Dumbledore nun offiziell mich zur Vertrauensschülerin machen? Schließlich fehlte seine eigentlich Auserwählte.
Draco sah herüber zu den Glastüren, durch welche man noch immer seine Schwester mit ihrem Freund und den beiden Haustieren sah. Er schien kurz darüber nachzudenken, zu ihnen herüberzugehen, setzte sich dann aber doch ein wenig entfernt auf seinen üblichen Platz. Er riss seinen eigenen Brief auf, beobachtete mich aber über den Rand hinweg.
Ich öffnete meinen eigenen Brief auf. Erstmal den ohne zusätzlichen Inhalt. Ich zog die Pergamentblätter aus dem Inneren, weshalb Patricias ZAG-Ergebnisse zum Vorschein kamen. Ich überflog sie nur kurz. Noch immer interessierten sie mich nicht wirklich. Klar, waren sie wohl die Grundlage für meine Fächerwahl im nächsten Jahr, doch eigentlich war es mir egal, was ich nun alibimäßig belegte. Verdammt nochmal, eigentlich würde ich am liebsten meine Zeit gar nicht mit Schule verschwenden. Aber irgendein Fach würde meine Anwesenheit in Hogwarts wohl begründen müssen. Was war wohl am wenigstens anstrengend? Geschichte der Zauberer war immer wenig arbeitsintensiv gewesen. Binns interessierte sich nicht für die Anwesenheit im Unterricht und auch nicht für Aufsätze. Allerdings war der Unterricht auch eine gute Gelegenheit, Kira und Mary an meine Anwesenheit zu erinnern. Vielleicht sollte ich die Fächer wählen, die sie am wahrscheinlichsten belegten. Zum Glück hatte Patricia wirklich sehr gute Noten nach Hause gebracht.
Ich legte den Brief bei Seite, nur um den zweiten aufzureißen. Ich angelte das Abzeichen heraus. Sehr zu meiner Überraschung war es kein weiteres Vertrauensschülerabzeichen, sondern das des Quidditchkapitäns. Ich verdrehte die Augen. Ich würde in Hogwarts nach dem Diadem von Ravenclaw suchen und nicht meine Zeit mit diesem Sport verschwenden. So weit würde es noch kommen.
„Hier." Ich warf das Ding zu Draco herüber. Er hatte bisher noch nicht erklärt, mit dem Quidditch aufhören zu wollen. Also konnte er auch gleich Kapitän spielen.
„Das ist das Kapitänsabzeichen", stellte er überrascht fest.
„Offensichtlich", meinte ich nur desinteressiert, während ich mich auch schon wieder meiner Lektüre zuwandte.
„Dumbledore hat dich zum Quidditchkapitän gemacht. Herzlichen Glückwunsch."
„Und als Kapitän gebe ich mein Amt an dich weiter", erklärte ich ihm bestimmt.
„Aber – du hast gesagt, dieses Jahr holen wir zusammen in den Pokal", wurde mir enttäuscht mitgeteilt. Das blöde Abzeichen wurde mir auffordernd hingehalten, als würden mich diese Worte vielleicht überzeugen, es doch noch anzunehmen.
„Nein, das sagte Patricia", meinte ich ungerührt. „Ich habe es nie behauptet. Ich werde mich auf meine Rache konzentrieren. Du solltest auch nicht deine Aufgabe aus den Augen verlieren. Voldemort mag es ganz und gar nicht, wenn man versagt."
„Und du?", wurde ich vorsichtig gefragt.
„Ich mag es auch nicht", stellte ich ehrlich fest.
„Wenn ich dir sagen würde, du könntest mir mit einer Kleinigkeit sehr dabei helfen, würdest du mich dann unterstützen?", fragte er vorsichtig nach.
Ich rang kurz mit mir. Eigentlich hatte ich keine Lust, ihn zu unterstützen, doch das Spiel mit Draco wäre dadurch für den dunklen Lord noch etwas interessanter. Und für mich zugegebenermaßen auch.
„Solange es nur eine Kleinigkeit ist, die für deine Mission einen sehr großen Nutzen hat."
„Dann sei Quidditchkapitän", wurde ich aufgefordert.
Jetzt legte ich doch mein Buch bei Seite. Er wollte also, dass ich Kapitän spielte. Ich fragte mich nur, wie das Zusammenhängen sollte. Es war ja nicht so, dass die Übergabe des Pokales den Schulleiter Tod umfallen ließ. Obwohl das ziemlich amüsant wäre. Der große Albus Dumbledore, Todesursache Übergabe des Pokals. Das würde ich definitiv niemanden jemals vergessen lassen.
„Und wie soll das bei dem Mord helfen?", fragte ich interessiert.
„Wenn man entspannt ist, kann man sich besser schwierigen Aufgaben stellen. Quidditch entspannt einen und Siege nur noch mehr. Also wenn du für entsprechenden Ausgleich sorgst, hilft mir das weiter. Und dir vielleicht auch."
„Ich bin nicht wie Patricia. Anders als sie brauche ich keinen Ausgleich. Ich bin funktional", stellte ich belustigt aufgrund des schlechten Überzeugungsversuches fest.
„Wenn du Slytherin zum Sieg führst, ärgerst du damit außerdem Harry", fügte Draco noch ein wesentlich besseres Argument hinzu. Das war schon eher ein Grund für mich, als Quidditchkapitän nach Hogwarts zurückzukehren. Um Potter damit eines auszuwischen. Die Frage war nur, ob der Kosten-Nutzen-Faktor das Spielen wirklich rechtfertigen würde.
„Ich werde darüber nachdenken", versprach ich Draco, bevor ich mich wieder meinem Buch zuwandte. Damit erklärte ich gleichzeitig auch dieses Gespräch für beendet, was mein Klassenkamerad wohl auch verstand. Jedenfalls sprach er mich kein weiteres Mal an und versuchte, mich weiter davon zu überzeugen, das neue Amt anzunehmen. Stattdessen ging er mit den Briefen nach draußen in den Garten, wo noch immer Adina und Jamie mit den Hunden spielten. Nur das Abzeichen ließ er auf den Beistelltisch zurück.
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Hexagramm - Papiertiger
FanfictionDreizehn Nymphen mit dreizehn Kräften und dreizehn Flüchen. Drei Jäger und zehn Gejagte. Sirius, der Lügner; ihre leibliche Familie, die sie nicht genug wollten, um nach ihr zu suchen; der dunkle Lord, der ihr alles nahm - Patricias Wut hat sie noch...