Kapitel 7

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Der Hogwartsexpress ratterte mal wieder über die Schienen in Richtung London. Ich saß mit Jamie und Adina in einen der Abteile. Die beiden hatten sich mittlerweile wohl genug an mich gewöhnt, um nicht mehr bei jedem Schritt ängstlich zu mir zu sehen. Stattdessen saßen sie zusammengekuschelt auf der Sitzbank mir gegenüber und spielten gegeneinander Schach. Ich hingegen hatte mir ein Buch besorgt, welches sich lang und ausführlich mit den verschiedenen Theorien über Ravenclaws Diadem beschäftigte. Ich hoffte, dort drin einen genaueren Hinweis zu finden, wo ich nach dem Horkrux suchen musste. Bisher war das allerdings noch nicht der Fall. Eigentlich war es vorhersehbar gewesen. Schließlich war das Ding nicht grundlos verschollen.
Zum Glück hatte ich durch Jamie noch einen weiteren sehr wertvollen Tipp bekommen. Dank ihm wusste ich, dass es sich bei der grauen Dame – dem Hausgeist von Ravenclaw – eigentlich um Helena Ravenclaw handelte. Sie war die Tochter von der Hogwartsgründerin Rowena Ravenclaw, weshalb sie wahrscheinlich eine Idee hatte, wo das Diadem versteckt sein könnte. Ich musste sie nur irgendwie dazu bringen, mir ihre Informationen zu geben. Anders als bei allen anderen würde Erpressung bei ihr wesentlich schlechter funktionieren.
Die Tür zum Abteil wurde geöffnet. Ich sah kurz dorthin, doch nur eine Drittklässlerin war hereingekommen. Nicht wirklich interessant, jedenfalls momentan nicht. Adina und Jamie sahen es wohl ganz anders. Sie sahen neugierig zu dem jungen Mädchen, welches mit ihren Händen zwei Pergamentrollen, die mit violetten Bändern zugeschnürt waren, fest umklammerte.
„Ich soll die hier Patricia Black bringen", erzählte sie und hielt mir eine der beiden Rollen hin. Ich sah kurz misstrauisch zu ihr, doch ich konnte nicht erkennen, dass von ihr oder dem Schriftstück irgendeine Gefahr für mich ausging. Also nahm ich sie entgegen.
„Und die ist für Blaise Zabini. Kann ich sie hier lassen?", fragte sie.
„Sehen wir aus wie eine Poststation?", antwortete ich der Schülerin, welche scharlachrot anlief.
„Nein, natürlich nicht. Aber ich dachte, weil ihr ein Paar seid ...", fing sie an, sich zu rechtfertigen.
„Sind wir nicht", unterbrach ich das Mädchen einfach.
Wenn das überhaupt möglich war, wurde ihr Gesicht noch ein wenig rötlicher. Sie begann Entschuldigungsfloskeln vor sich hinzumurmeln, während sie eilig aus dem Abteil stolperte.
Ich schüttelte nur leicht den Kopf über dieses Mädchen, bevor ich mich der Pergamentrolle zuwandte. Ich hatte wirklich keine Ahnung, von wem sie sein könnte und auch nicht, warum man sie mir geschickt hatte. Oder besser gesagt, warum man sie mir hat durch das Mädchen bringen lassen. Der Absender musste also jemand im Zug sein. Vielleicht die Schulsprecher, die sich darüber beschweren wollten, dass ich Patricias Vertrauensschülerdienst nicht angetreten war? Aber warum sollten sie dafür einen Brief nutzen?

Patricia,
ich würde mich freuen, wenn Sie mir bei einem kleinen Mittagsimbiss in Abteil C Gesellschaft leisten würden.
Mit freundlichem Gruß
Professor H. E. F. Slughorn

Ich runzelte die Stirn. Von diesem Professor Slughorn hatte ich noch nie gehört. Und warum wollte er mit mir zu Mittag essen? War es eine weitere Falle für mich? Wollte er etwa Patricia befreien? Marlon hatte so viele Kontakte, da wollte ich es nicht ausschließen, dass er jetzt jemand Unbekanntes um Hilfe bat, um seine Tochter zu befreien. Aber warum sollte er dann Blaise einladen? Sollte er ihm dabei helfen?
Vielleicht war er aber auch wirklich Lehrer in Hogwarts. Wenn dann wohl als Nachfolger von Professor Umbridge. Vielleicht wollte er mich auch deshalb treffen. Weil ich so gut in Verteidigung gegen die dunklen Künste war und er ein paar Schüler für seinen UTZ-Kurs begeistern wollte. Aber war Blaise so gut in dem Fach? Patricias Ex war eigentlich nie ein wirklicher Überflieger in der Schule gewesen. Warum sollte der Lehrer also ihn darum bitten, seinen UTZ-Kurs zu belegen und Adina nicht? Das roch eindeutig mehr nach Falle.
Eigentlich war es aber auch egal, worauf es hinauslaufen würde, auf meine Anwesenheit würde er verzichten müssen. Ich sah keinen Vorteil in meinem Erscheinen. Entweder war es eine Falle oder er verschwendete meine Zeit. Beides kein Grund hinzugehen.
Nur für den Fall, dass der neue Professor mir eine Falle stellen wollte, sollte ich mir allerdings Informationen über ihn beschaffen. Patricia hätte natürlich einfach Marlon fragen können, doch dieser Weg stand mir wohl eher nicht offen. Allerdings hatte ich auch jemanden in meinem Abteil sitzen, der immer bestens über Klatsch und Tratsch der Zaubererwelt informiert war. Vielleicht hatte sie ja auch über Slughorn sinnvolle Informationen.
„Kennt einer von euch einen Professor Slughorn?", fragte ich daher und warf die Pergamentrolle auf die Sitzbank.
„Professor Slughorn?", wiederholte Adina sofort neugierig den Namen. Oh ja, sie kannte ihn. Oder zumindest eine Person, die den gleichen Nachnamen trug.
„Ja, Professor Slughorn."
„Meine Eltern hatten einen Zaubertranklehrer, der so hieß", wurde mir berichtet. „Er ist allerdings schon einige Jahre vor unserer Schulzeit in Rente gegangen. Professor Snape hat dann seinen Posten übernommen. Mein Vater und er schrieben immer mal wieder Briefe hin und her. Also früher, bevor – vor Askaban."
Ich runzelte die Stirn. Ob das wohl der richtige Professor Slughorn war? Der im Zug schien eher nicht in Rente zu sein. Außerdem war Snape nicht gekündigt worden. Das wusste ich ganz genau, denn er hatte wirklich viel Zeit damit verbracht, den neuen Unterricht vorzubereiten. Das hieß, wir hatten keinen neuen Bedarf an einem Zaubertranklehrer. Vielleicht handelte es sich bei diesem Slughorn aber auch einfach um einen Nachkommen. Oder er konnte mehrere Fächer unterrichten. Snape war schließlich auch in der Lage, Verteidigung gegen die dunklen Künste zu lehren.
Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Snape war immer hinter diesen Posten her gewesen. Er hatte eigentlich das Fach wechseln wollen. Das war ein offenes Geheimnis. Bisher waren seine Bemühungen aber nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Vielleicht hatte sich das dieses Schuljahr geändert. Das würde auch erklären, warum er so viel den Unterricht vorbereiten musste. Normalerweise nutzte er schließlich jedes Jahr das gleiche Lehrbuch, weshalb er seinen Unterrichtsstoff auch nicht wirklich anpassen musste. Es war viel logischer, dass er neue Unterrichtspläne erarbeiten musste und deshalb so viel Zeit damit verbrachte, als dass er sich auf Zaubertränke vorbereitet hätte. Und damit war der Weg für die Rückkehr von Professor Slughorn frei. Hatte vielleicht nur deshalb mein Hauslehrer den Job bekommen? Damit der ehemalige Zaubertranklehrer zurückkehren kann? Aber warum sollte Dumbledore ihn ausgerechnet jetzt holen wollen?
„Was weißt du noch über diesen Slughorn?", fragte ich Adina neugierig. „Gibt es eine Verbindung zu Voldemort?"
„Ich glaube schon. Er müsste schon zu seiner Schulzeit der Zaubertrankelehrer gewesen sein. Vielleicht sogar sein Hauslehrer. Aber so viel weiß ich auch nicht. Er hat wohl früher immer Abendessen für Schüler veranstaltet, bei denen er das potential für eine Karriere gesehen hat. Er hat viele Kontakte zu wichtigen Leuten. Mit ihm an seiner Seite hat man einen sehr einfachen Berufseinstieg."
Jetzt war meine Neugierde doch geweckt. Er kannte Voldemort, was auch hieß, vielleicht hatte er irgendwelche Informationen, die mir weiterhelfen konnten. Eine Teilnahme am Mittagessen war vielleicht doch lohnenswert. Schon alleine, weil wohl auch Harry da sein würde. Den Auserwählten würde sich Slughorn wohl kaum entgehen lassen.

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