Kapitel 27

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Wütend schmiss ich meinen Besen auf den Boden. Dieser verdammte Draco Malfoy. Ich hatte ihm genau gesagt, was er zu tun hatte. Dass er sich nicht um Katie Bell sorgen soll, sondern sich auf unser Match gegen Hufflepuff. Drei Siege hätten uns den ersten Platz garantiert, aber nein – er hatte zu viel Schiss gehabt und sich ablenken lassen. Anstelle sich auf den blöden Schnatz zu konzentrieren, hatte er ständig zu ihr gesehen. Er hatte uns den Sieg gekostet. Wegen ihm hing jetzt unser erster Platz an einem seidenen Faden, der nur zu einfach von Ravenclaw durchgeschnitten werden konnte.
Momentan lag Slytherin auf Platz eins. Hufflepuff hatte knapp den ersten Platz verfehlt, allerdings hatten sie sich wahrscheinlich keine Chancen mehr darauf ausgemalt. Die Slytherin-Jäger waren stärker als die der Hufflepuffs. Zwanzig Punkte mehr und der Schnatz wäre nicht mehr entscheidend gewesen. Durch das schnelle Spielende und ihren Sieg war es nur wahrscheinlicher geworden, dass uns Ravenclaw noch überholen würde. Ein Sieg gegen Gryffindor mit mehr als 160 Punkten würde dafür ausreichen. Würden sie mit genügend Abstand verlieren, hätten dafür die Gryffindors den dritten Platz. Beides kein schöner Gedanke.
Ich sah wütend zu Draco, welcher mit schuldbewusster Mine seinen Besen anstarrte. Ein Teil von mir wollte ihn dafür erwürgen, was er getan hatte. Das er versagt hatte. Aber das würde seinen Fehler nicht rückgängig machen. Außerdem hatte ich ihm versprochen, solche Wünsche nicht mehr an ihm auszulassen. Keine Drohungen, keine Folter, keine abgetrennten Gliedmaßen. Es war wirklich anstrengend einen besseren Führungsstil als Voldemort an den Tag legen zu wollen.
Also schluckte ich meine Wut über das verpatzte Spiel so gut es ging herunter. Stattdessen zwang ich mich dazu, ein freundliches Lächeln aufzusetzen. Oder wenigstens irgendetwas, was in die Richtung ging.
Mit dem Lächeln ging ich zu Draco herüber. Mitfühlend legte ich ihm eine Hand auf die Schulter. So machte man das doch? Jemanden trösten. Oder?
„Wir können noch immer gewinnen, Draco", stellte ich ehrlich fest. „Lass den Kopf nicht hängen. Wir warten das letzte Spiel von Ravenclaw und Gryffindor ab. Jetzt, wo Katie Bell wieder da ist, gewinnen die Löwen vielleicht. Dann ist unser Sieg uns sicher. Wir müssen nur verkraften, dass sie sich vielleicht auf jeden dritten Platz retten. Wird mir schwerfallen, aber ich werde mich von dem Schmerz ablenken, indem ich Harry einfach anders quäle.
Also wie wäre es, wenn wir gleich in das Vertrauensschülerbad gehen, um uns etwas zu vergnügen. Nur weil das Spiel schlecht ausgegangen ist, muss es unser Tag schließlich nicht auch. Und nächstes Jahr sparen wir uns einfach diesen Stress mit dem Quidditch."
Ich sah Draco erwartungsvoll an, welcher mich misstrauisch musterte. Er war sich wohl noch nicht sicher, ob er mir wirklich in das Badezimmer folgen sollte. Wahrscheinlich hatte er Angst, ich würde ihn nur dort hin locken wollen, um ihn dort zu ertränken oder Ähnliches.
Doch schließlich schien er zum Schluss zu kommen, dass ich es wohl ernst meinte. Oder er sah nur ein, dass er so oder so nicht entkommen würde. Jedenfalls ergriff er meine Hand und ließ sich von mir vom Spielfeld ziehen.

Ungeduldig lief ich vor dem Verschwindekabinett hin und her. Ich wusste, Draco war momentan verzweifelt, weil er mal wieder in einer seiner „ich werde es nie hinbekommen und dafür in den Sommerferien sterben"-Phasen. Zugegebenermaßen, die Chancen dafür standen nicht ganz schlecht. Der dunkle Lord verlor langsam aber sich die Geduld. Falls wir es bis zum Ende des Schuljahres nicht schaffen würden, das Verschwindekabinett zu reparieren, würde auch ich nicht mehr Draco retten können. Der dunkle Lord verlor langsam aber sicher seine restliche Geduld.
Doch auch wenn ich Draco Zeit für seinen Nervenzusammenbruch geben wollte, langsam konnte er wirklich mal hier auftauchen. Wir waren schon vor einer Stunde verabredet gewesen. Wenn er nicht bald mal endlich kommen würde, hatte ich definitiv keine Lust mehr, ihn zu trösten. Eigentlich hatte ich jetzt schon keine Lust mehr.
Ich schnappte mir meine Tasche. Wenn sich Draco nicht an unsere Verabredung hielt, musste er sich halt jemand anderes suchen. Pansy würde sich wahrscheinlich gerne für Trost-Sex anbieten. Adina würde ihren Bruder sicherlich auch gerne trösten, wenn auch nicht auf meine Art und Weise.
Zielsicher verließ ich den Raum der Wünsche wieder. Ich war wirklich sehr gespannt, was für eine Ausrede Draco für seine Verspätung hatte. Hoffentlich eine sehr Gute, ansonsten würde ich ab jetzt keine Sex-Treffen mehr mit ihm haben. Ich würde schon ein neues Spielzeug finden.
Ich nahm die Treppe, die mich ein Stockwerk tiefer brachte. Eigentlich wollte ich sofort weiter nach unten laufen, doch sehr zu meiner Überraschung kam Snape gerade aus der Jungentoilette, welche auf den Gang zur Treppe führte. Er stützte Draco, welcher offensichtlich schwer verletzt worden war. Sein Gesicht war ganz verheult und noch bleicher als sonst. Außerdem konnte er sich kaum auf den Beinen halten.
Ich ballte meine Hand zu einer Faust. Niemand tat meinem Spielzeug ohne meiner Erlaubnis etwas. Wirklich niemand. Wer auch immer das gewesen war, konnte sich darauf gefasst machen, dass ich ihm als Strafe die Haut abziehen würde. Vielleicht nicht hier in Hogwarts, denn ich wollte keine Spuren hinterlassen, aber in den Ferien würde ich es tun.
„Wer hat das Draco angetan?", blaffte ich Snape an.
„Basílissa, hier ist nicht der richtige Ort ...", ermahnte mich der Lehrer.
„Ich werde die Person nicht hier töten. Ich warte bis zu den Ferien. Dann werde ich ihm das Fleisch von den Knochen schälen. Draco gehört mir. Niemand tut meinen Leuten etwas ohne meine Einwilligung."
Ich schob mich an dem Lehrer vorbei. Wenn Snape mit Draco aus der Toilette kam, dann sehr wahrscheinlich weil dort der Kampf stattgefunden hatte. Vielleicht war also auch noch der Täter dort. Ansonsten würde mir schon mein Spielzeug den Namen verraten. Bisher hatte ich noch alles aus ihm raus gekriegt.
Mit eiligen Schritten lief ich zu den Toilettenräumen und stieß die Tür auf. Man konnte auf den ersten Blick erkennen, dass hier ein Kampf stattgefunden hatte. Müll lag auf dem Boden verteilt, ein Spiegel war zerbrochen und aus einem kaputten Spülkasten lief Wasser, welches sich überall auf dem Boden verteilte. Blutkleckse schwammen wie karminrote Blüten an einigen Stellen. Inmitten dieses Chaos stand Harry. Sein eigener Umhang war mit Blut und Wasser durchtränkt. Er starrte mit geschockten Gesichtsausdruck auf die blutigen Stellen, während der Geist der maulenden Myrte über ihm schwebte und über das Geschehene klagte. Über den Kampf und Harrys schrecklichen Zauber, den er auf Draco gefeuert hatte.
Ich fing an zu grinsen. Er hatte Patricia immer vorgeworfen, eine schwarze Seele zu haben. Hatte ihr zugetraut, jemanden kaltblütig zu ermorden und schwarze Magie anzuwenden. Dabei war er derjenige, der gerade eben beinahe seinen Klassenkameraden getötet hätte. Mit einem Fluch.
„Wer ist nun das Monster, Potter?", fragte ich mit ruhiger Stimme von der Tür aus. „Patricia oder du?" Ich würde sicherlich nicht weiter in den Raum vordringen und meine Schuhe nass machen. Hier durfte ich den Auserwählten eh nur mit Worten quälen, das konnte ich auch so.
Tatsächlich wirbelte Harry zu mir herum. Er starrte mich vor Schreck geweiteten Augen an. Für den Bruchteil einer Sekunde schien er nach seinem Zauberstab greifen zu wollen, überlegte es sich dann aber wohl doch anders. Der Kampfgeist verschwand aus seinen Augen, während er die Schultern sinken ließ.
„Ich wollte das nicht. Das unterscheidet uns", murmelte er resigniert.
„Harry, Harry, Harry", säuselte ich. „Freude am Töten haben nur die Starken. Patricia allerdings ist so verdammt schwach. Das unterscheidet mich von ihr.
Weißt du, was Patricia und du unterscheidet? Sie würde niemals jemanden töten, der sie nicht töten will. Aber du anscheinend schon. Jedenfalls hättest du es gerade fast getan. Also ich frage noch einmal, wer von euch beiden das Monster, Harry?"
Dieses Mal bekam ich keine Antwort mehr. Potter starrte einfach wieder auf die roten Blutpfützen, die im Wasser stammten. Für mich reichte das als Antwort allerdings aus. Ich hatte ihn den Floh ins Ohr gesetzt. Jetzt dachte er darüber nach, wer das wahre Monster war. Und aus meiner Sicht gab es nur eine richtige Antwort auf meine Frage. Er war es.
Es dauerte nicht mehr lange, da kam Snape wieder. Dieses Mal ohne Draco. Er betrat das Klo und bedeutete mir, ich solle es entweder ganz verlassen oder richtig hereinkommen. Ich tat natürlich Ersteres. Als würde ich mir die Standpauke entgehen lassen.
„Verschwinde", sagte der Lehrer zu Myrte. Der Geist tauchte augenblicklich in eine Kloschüssel ab und hinterließ eine dröhnende Stille.
„Das hab ich nicht gewollt", sagte Harry sofort. Seine Stimme hallte in dem kalten, wasserüberfluteten Raum wider. „Ich wusste nicht, was dieser Zauber bewirkt."
Aber Snape achtete nicht auf seine Worte. Verständlich. Es war eine wirklich schlechte Ausrede. Zum einen fand man in der Regel keine tödlichen Zauber ohne eine entsprechende Warnung in einem Buch, zum anderen sollte man keine Zauber anwenden, wo man die Wirkung nicht kannte. Auch wenn ich wusste, Harry log nicht, hatte er also einfach nur dumm gehandelt.
„Offenbar habe ich Sie unterschätzt, Potter", sagte Snape leise. „Wer hätte gedacht, dass Sie sich derart mit schwarzer Magie auskennen? Wer hat Ihnen diesen Zauber beigebracht?"
„Ich – hab irgendwo davon gelesen."
„Wo?"
„Es war – ein Buch aus der Bibliothek", log Harry ziemlich dreist, weshalb die Alarmglocken in meinem Kopf sich meldeten. Aber warum log er? Woher hatte er den Zauber wirklich? Welchen hatte er überhaupt angewandt? „Ich weiß nicht mehr, wie es –"
„Lügner", sagte Snape.
Ich biss mir auf die Unterlippe. Es passte gar nicht zu Snape, Harry so direkt zu beschuldigen, wenn er sich nicht sicher war. Also musste er wissen, dass der verwendete Zauber nicht in der Bibliothek zu finden war. Und dafür fiel mir nur eine Erklärung ein. Harry hatte einen Zauber aus dem Buch des Halbblutprinzen verwendet. Ich hatte ihnen bisher kaum Beachtung geschenkt, schließlich ging es für mich bei dem Buch immer nur um eine gute Note in Zaubertränke, aber ich sollte meine Prioritäten wohl mal ändern. Wenn dort ein potentiell tödlicher Zauber drin stand, wollte ich ihn kennenlernen.
„Bringen Sie mir Ihre Schultasche", sagte Snape leise und bestätigte damit meine Vermutung, „und alle Ihre Schulbücher. Alle, verstanden? Bringen Sie sie hierher zu mir. Unverzüglich!"
Das musste er Harry nicht zweimal sagen. Der Gryffindor drehte sich auf dem Absatz um und rannte los. Ich hingegen sah neugierig zu dem Lehrer herüber.
„Hätte ich gewusst, dass in dem Buch so gefährliche Zauber stehen, hätte ich mal die Zauber gelesen", stellte ich fest.
„Es steht nur einer drin, Tahnea. Sectumsempra. Alle anderen sind um einiges harmloser", wurde mir mitgeteilt.
Das war aber schade. Ich hatte zwar noch keine Ahnung, was Sectumsempra angestellt hatte, doch offensichtlich war es blutig und tödlich gewesen. Also war der Zauber wohl genau nach meinem Geschmack. Ich würde ihn definitiv mal austesten. Vielleicht ja an einen von Harrys Freunden. Wenn er mein Spielzeug kaputt machte, durfte ich es ja wohl auch.
In diesem Moment kam Harry zurück in die Toilette gerannt. Er hatte seine Schultasche unterm Arm. Keuchend übergab der Schüler sie. Der Lehrer begann sofort damit, ein Buch nach dem anderen aus der Tasche zu ziehen. Er untersuchte jedes Einzelne. Anscheinend wollte er nicht zugeben, dass er genau wusste, woher Harry den Zauber hatte.
Schließlich zog er das Zaubertränke Buch heraus. Auf meinem Gesicht machte sich ein breites Grinsen breit. Das war es mit Harrys Vorteil in Zaubertränke. Jetzt würde ich ihn im hohen Bogen vom Thron stoßen.
„Das ist also Ihr Exemplar von Zaubertränke für Fortgeschrittene, Potter?", fragte Snape den Schüler nach sorgfältiger Betrachtung des Buches.
„Ja", sagte Harry, immer noch schwer atmend. In meinem Kopf gingen erneut die Alarmglocken los. Nein, das war nicht sein Buch. Er hatte es versteckt, damit es Snape nicht in die Finger bekam. Eine kluge Aktion von ihm, auch wenn es mich gerade nervte, dass er so seiner gerechten Strafe entkommen wollte.
„Sie sind sich dessen wirklich sicher, Potter?"
„Ja", sagte Harry, eine Spur trotziger.
„Dies ist das Exemplar von Zaubertränke für Fortgeschrittene, das Sie bei Flourish & Blotts gekauft haben?"
„Ja", sagte Harry entschieden, was mal wieder die Alarmglocken in meinem Kopf auslöste.
„Warum", fragte Snape, „steht dann der Name ›Runald Waschlab‹ innen auf dem Buchdeckel?"
Ich fing an zu lachen. Die Ausrede wollte ich hören. Und die Frage, warum in Rons Schulbuch anstelle von Ronald Weasley Runald Waschlab stand. Wahrscheinlich hatten ihm die Weasley-Zwillinge mal wieder einen Streich gespielt.
„Das ist mein Spitzname", sagte Harry, doch man konnte eine Spur Unsicherheit hören.
„Ihr Spitzname", wiederholte Snape.
„Jaah ... so nennen mich meine Freunde", sagte Harry.
„Ich weiß, was ein Spitzname ist", erwiderte Snape. Die kalten schwarzen Augen bohrten sich erneut in die von Harry. Der Gryffindor versuchte den Blick zu meiden.
„Wissen Sie, was ich glaube, Potter?", sagte Snape ganz leise.
„Ich glaube, dass Sie ein Lügner und Betrüger sind und dass Sie Nachsitzen bei mir verdient haben, von nun an jeden Samstag bis zum Ende des Schuljahrs. Was meinen Sie, Potter?"
Ich fing an zu grinsen. Oh ja, Harry sollte am besten jede freie Minute von nun an nachsitzen. Vor allem samstags, denn dann würde er das Spiel verpassen und sein kleines Herz würde brechen. Auf der anderen Seite würde das auch unseren Sieg beim Quidditch gefährdet. Doch wenn ich ehrlich war, war mir Harrys Schmerz wesentlich wichtiger als der erste Platz bei irgendeinen Sport. Ich hatte ihn für Draco bekommen wollen, doch momentan schien er auch nicht sonderlich am Pokal interessiert. Also konnten wir auch gut darauf verzichten und uns dafür an Harrys Unglück erfreuen.
„Ich – ich bin nicht Ihrer Meinung, Sir", sagte Harry und weigerte sich beharrlich, Snape in die Augen zu blicken.
„Nun, wir werden sehen, was Sie nach Ihrer Bestrafung zu sagen haben", erwiderte Snape. „Zehn Uhr Samstagmorgen, Potter. In meinem Büro."
„Aber, Sir ...", sagte Harry und blickte verzweifelt hoch. „Quidditch ... das letzte Spiel der –"
„Zehn Uhr", flüsterte Snape mit einem Lächeln, das seine gelben Zähne zeigte. „Armes Gryffindor ... vierter Platz dieses Jahr, fürchte ich ..."
Snape drehte sich zur Tür. Dabei warf er mir noch einen kurzen flüchtigen Blick zu. Ohne ein weiteres Wort verschwand der Lehrer und ließ Harry und mich zu zweit zurück.
„Du hast Draco beschädigt, Harry. Sei dir sicher, alles, was du ihm angetan hast, werde ich mit vergnügen deinen Freunden antun. Ich hoffe wirklich, Sectumsempra tut sehr weh."
Ich wank ihn mit einem breiten Lächeln zum Abschied, ein wenig so, als hätte ich ihm gerade viel Glück für das Quidditchspiel am Samstag gewünscht, anstelle ihm zu drohen. Dann verließ ich ebenfalls die verwüsteten Toilettenräume.

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