Der Hogwartsexpress ratterte über die Gleise in Richtung London. Ausnahmsweise saß ich mal dort drinnen, um das gut gesicherte Hogwarts zu verlassen. Denn außerhalb der Mauern hatte die Jagdsaison auf Mundungus Fletcher begonnen.
Tatsächlich war es gar nicht mal so schwierig gewesen, den Dieb ausfindig zu machen. Anscheinend hatte Marlon seinen Kontakten in England nicht Bescheid gesagt, dass seine Adoptivtochter von nun an nicht mehr zur Familie gehörte. Zwei freundlich formulierte Briefe später hatte ich schon die Adresse von fünf seiner Schlupfwinkel herausgefunden. Eine Allaire zu sein, hatte definitiv seine Vorteile.
Da ich momentan nichts weiter tun konnte, als mich zu gedulden, bis wir in England ankamen, hatte ich mich wieder dem Kelch von Hufflepuff zugewandt. Aus diesem Grund lagen überall um mich herum Zeitungen aus der Zeit, in der Tom Riddle noch für Borgin und Burkes gearbeitet hatte.
Oh, ich hatte nicht die Illusion, dass ich durch die Zeitungen den aktuellen Aufenthaltsort von dem Kelch herausfand. Ich war mir sehr sicher, Voldemort hatte ihn und das Medaillon dieser Hepzibah gestohlen und woanders versteckt. Da ich allerdings noch keine Idee hatte, wo dieses Versteck sein könnte und wie ich es aufspüren sollte, hatte ich beschlossen, auf Nummer sicherzugehen. Es konnte nicht schaden, zu überprüfen, ob das Ding wirklich ebenfalls weg war. Im schlimmsten Fall hätte ich nur sehr viel neues Wissen und das war ja bekanntlich Macht.
Ich nahm mir den Tagespropheten vom 13. April 1949 vom Stapel. Ich brauchte ihn gar nicht aufzuschlagen, um zu wissen, dass ich endlich den Richtigen gefunden hatte. >Hepzibah Smith tot aufgefunden!< lautete die Schlagzeile. Auch wenn in der Zaubererwelt sehr viele komische Namen verwendet wurden, eine zweite Hepzibah war mir bisher noch nicht über den Weg gelaufen. Wie groß war also die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau mit den gleichen Vornamen wie die Besitzerin von den Artefakten nur wenige Tage vor Tom Riddles Kündigung bei Borgin und Burkes Tod aufgefunden wurde und nicht sie war? Ich würde behaupten, die Wahrscheinlichkeit ging wahrscheinlich gegen null.
Ich faltete die Zeitung auseinander, um den ganzen Artikel auf der Vorderseite durchlesen zu können. Dabei kam auch ein Foto von der Verstorbenen zum Vorschein. Eine alte Dame, die eine blonde Perücke trug und lächerlich viel Schminke aufgelegt hatte. Eindeutig die Hepzibah aus Dumbledores Erinnerung.
Ich überflog den kurzen Artikel, doch wirklich interessante Informationen gab es nicht. Anscheinend hatte man die Frau tot in ihrem Haus gefunden. Sie hatte wohl ihre abendliche Tasse Kakao angefangen zu trinken. In den Resten von diesem konnte man Gift nachweisen. Die alte Hauselfe Honkey stand unter Verdacht, das Getränk aus Versehen vergiftet zu haben. Jedenfalls konnte sie sich daran erinnern, etwas in den Kakao der Frau hereingemischt zu haben. Das einzige, was alle wunderte, war, dass zwei kostbare Artefakte nicht mehr in ihrer Schatulle lagen. Das Medaillon von Slytherin und der Kelch von Hufflepuff. Man konnte zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht sagen, ob wirklich alles verschwunden war.
Das war eindeutig die Nacht, in der Voldemort die Sachen gestohlen hatte. Ich zweifelte auch mehr als nur ein bisschen daran, dass die Hauselfe für den Tod seiner Herrin verantwortlich war. Natürlich war ein Versehen wahrscheinlicher als Absicht, aber trotzdem ... mit was sollte die Elfe das Gift bitte verwechselt haben? Kakaopulver ja offensichtlich nicht. Nein, ich hielt es für sehr wahrscheinlich, dass Tom Riddle seine Finger im Spiel hatte. Wahrscheinlich hatte er die Elfe entweder mit dem Imperius-Fluch gefügig gemacht oder später ihre Erinnerung verändert.
Eigentlich eine ziemlich kluge Taktik. Hauselfen als Täter wurden nicht wirklich hinterfragt. Man konnte leicht die Schuld auf sie abwälzen, weil sich niemand die Mühe machte, sie wirklich zu verteidigen.
Ich durchwühlte den Stapel an Zeitungen von den darauffolgenden Tagen. Tatsächlich verkündete das Titelblatt knapp eine Woche später, dass mittlerweile die Hauselfe verurteilt worden war. Ihr Geständnis hatte vollkommen ausgereicht, damit niemand mehr nachgefragt hatte. Zu dem Zeitpunkt waren sich die Erben auch sicher, dass der Kelch und das Medaillon fehlten. Wenigstens dafür wurde die Hauselfe allerdings nicht verantwortlich gemacht. Stattdessen suchte man nach einem Mitarbeiter von Borgin und Burkes, der viel bei der alten Dame zu Besuch war. Tom Riddle. Interessanterweise hatte er mittlerweile allerdings gekündigt und war spurlos verschwunden. Also, wenn das kein Schuldeingeständnis war, dann wusste ich auch nicht weiter.
„In fünf Minuten erreichen wir London", quäkte es in diesem Moment aus dem Lautsprecher.
„Dann sind wir gleich zu Hause", murmelte Adina glücklich.
Ohne darauf einzugehen, begann ich meine Zeitungen wieder zusammenzusammeln. Malfoy Manor war vieles, aber sicherlich nicht mein zu Hause. Eine Unterkunft beschrieb es eher. Mehr als das warme Bett dort, interessierte mich nicht wirklich. Und auch auf das würde ich wohl heute Nacht verzichten. Lieber würde ich nachsehen, wo sich Mundungus aktuell aufhielt. Für einen Horkrux konnte man auch mal eine Nacht durchmachen.
„Deine Mutter hat in ihrem letzten Brief sehr erleichtert gewirkt, dass wir nach Hause kommen. Ich hoffe nur, beim Abendessen sind wir zu dritt. Auf deine Tante Bellatrix kann ich verzichten", kam die leise Antwort von Jamie, welcher gedankenverloren aus dem Fenster sah.
„Können wir wahrscheinlich alle. Ich weiß, sie ist Mutter wichtig, aber wir wissen alle, nach Askaban ist sie ziemlich durchgedreht. Ich hoffe, Vater ist nicht so, wenn er zurück zu uns kommt", kam es kleinlaut von der Wassernymphe. Sie sah traurig auf ihre Finger herab.
Ich verdrehte die Augen. Ich war mir ziemlich sicher, dass Bellatrix Lestrange einen an der Klatsche hatte, lag nicht an Askaban. Schließlich waren Sirius und Crouch Junior dort auch nicht komplett durchgedreht. Die Frau hatte einfach generell nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Das traf auf Adinas Vater allerdings nicht zu. Er war ein Todesser natürlich, aber keiner von der komplett durchgeknallten Sorte. Daher ging ich auch stark davon aus, er würde in einem ziemlich anderen Zustand zu uns zurückkehren. Jedenfalls wenn er es jemals tat. Daran hatte ich nämlich eher Zweifel. Momentan war er noch in Askaban und ich hatte nicht vor, ihn bald zu befreien. Es gab einfach keinen Grund dafür. Voldemort würde es vielleicht machen, aber selbst dafür sah ich bisher keinen wirklichen Grund. Es war ja nicht so, dass er ein treuer und wichtiger Gefolgsmann war.
Der Zug kam im Bahnhof zum Stehen. Auf dem Bahngleis tummelten sich schon Eltern, Großeltern und Geschwister, um die Schüler abzuholen. Adina sprang glücklich auf, während sie ihre Nase auch schon an die Fensterscheibe drückte, um nach ihrer Mutter Ausschau zu halten. In der Masse konnte sie die Frau allerdings nicht entdecken. Daher schnappte sie sich ihre Tasche, um sich durch die Schülermasse auf dem Flur nach draußen zu quetschen. Bärchen hatte sie wie immer auf ihrem Arm, während sich Antiope und Jamie ihr rücksichtslos hinterher kämpften.
Ich blieb einfach noch etwas sitzen und wartete ab. Ich würde frühstens nach Malfoy Manor reisen, wenn ich bei Mundungus gewesen und das Medaillon losgeworden war. Der alte Gauner würde mir definitiv nicht aus seinen Unterschlüpfen weglaufen. Tatsächlich machte es eine spätere Stunde wahrscheinlicher, dass er zum Schlafen dort war. Vor meinen Aufbruch zu ihm sollte ich mir also auch auf jeden Fall noch etwas zu essen kaufen.
Erst als die Gänge des Zuges leer waren, stand ich von meinem Platz auf. Tatsächlich hatte sich auch der Bahnsteig fast genauso schnell wie der Zug geleert. Jeder, der seine Kinder gefunden hatte, hielt sich nicht mit einer langen Begrüßung auf, sondern nahm sie sofort mit nach Hause. In Sicherheit, wie alle hofften. Was für ein trügerischer Irrglaube, wo doch die meisten Häuser nicht genug Schutzzauber hatten, um halbwegs mächtige Zauberer aufzuhalten. Wenn der dunkle Lord und ich es wirklich darauf anlegen würden, kämen wir wahrscheinlich so gut wie überall herein. Außer in die durch Nymphenmagie geschützten Häuser. Ich war mir sehr sicher, an Kiras Schloss würden wir uns die Zähne ausbeißen.
Ich lief zur nächsten Tür. Unser Wagon war tatsächlich nicht weit von den Kaminen entfernt. Eine einzelne dunkelgekleidete Person lief gerade dorthin. Das Gesicht war allerdings aufgrund einer Kapuze nicht richtig zu erkennen. Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu erkennen, dass es sich dabei um Blaise Zabini handelte.
Patricias Ex-Freund stieg in einen der Kamine. Vermutlich hatte sich seine Mutter und ihr achter Ehemann nicht die Mühe gemacht, ihn vom Bahnhof abzuholen. Sie machten sich wohl keine Sorgen um ihren reinblütigen Sohn. Allerdings gehörte er natürlich auch nicht unbedingt zum Beuteschema von Todessern.
Sehr zur Überraschung war allerdings nicht die Adresse seines Elternhauses zu hören, als er sein Reiseziel nannte. Stattdessen flohte er in Ares Schloss nach Frankreich herüber. Ich runzelte die Stirn. Hatte ich mich etwa geirrt und der Kerl wollte noch immer seine Patricia zurück? Hatte er sie etwa gar nicht abgeschrieben? Suchte er mit der Kriegsnymphenfamilie noch immer einen Weg, um sie zu befreien? Oder hatte er den Rat seiner Ex-Freundin befolgt und hatte sie durch Roux ausgetauscht? Das wäre wohl die kluge Variante. Denn der Gedanke daran, er könnte Patricia durch ihre kleine Cousine ersetzt haben, machte mich lustigerweise nicht wütend, was auch hieß, das war die Version, die nicht mit einem Messer im Herz endete.
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Hexagramm - Papiertiger
FanfictionDreizehn Nymphen mit dreizehn Kräften und dreizehn Flüchen. Drei Jäger und zehn Gejagte. Sirius, der Lügner; ihre leibliche Familie, die sie nicht genug wollten, um nach ihr zu suchen; der dunkle Lord, der ihr alles nahm - Patricias Wut hat sie noch...