Lexi und Paul, die bis vor einer Viertelstunde noch die Bar betreut hatten, waren gerade dabei sich in ihren Feierabend zu verabschieden, als die Eingangstür der Lobby das zweite Mal in dieser Nacht geöffnet wurde.
Mein Blick schweifte von meinen Kollegen aus dem Service zu den beiden Flügeltüren. Herein marschierte ein Mann, dessen Jogginghose tiefer hing als erlaubt. Er umklammerte mit der rechten Hand den Riemen eines Rucksacks, welcher schief auf seinem Rücken baumelte. Lässig warf der Kerl dem Pagen neben der Tür einen Schlüssel zu: »Das Gepäck ist im Kofferraum. Wenn Sie es bitte auf mein Zimmer bringen würden.«
Damit marschierte der Kerl weiter. Lexi und Paul verschwanden im Personalbereich und machten sich auf den Weg zu den Umkleideräumen unter dem Dach, während er sich die Kapuze des grauen Hoodies vom Kopf strich. Dunkelblondes Haar kam zum Vorschein und wippte wie in einem Film bei jedem seiner Schritte. Ein Bartschatten zeichnete sich auf seinen Wangen und dem Kinn ab, was ihm einen etwas verwegenen Ausdruck verlieh. Seine Füße steckten in Turnschuhen, die mit ihrer glatten Sohle für diese Jahreszeit absolut ungeeignet waren.
»Jack Mitchell.« Der Gast sprach bereits, da war er noch mehrere Meter von der Rezeption selbst entfernt. Er hatte hohe, hervorstechende Wangenknochen und seinen langen, schlanken Hals. Trotz des dicken Pullovers, den er trug, erkannte man seinen trainierten Körper an den muskulösen Schultern. Mit dem Footballspieler konnte der Kerl zwar nicht mithalten, aber fürs Auge war es durchaus nett anzusehen. »Für mich wurde reserviert.«
Aha, das war dann also wohl der Diplomatensohn.Obwohl ich noch kein einziges Wort mit ihm gewechselt hatte, wirkte er auf mich unsympathisch. Vielleicht lag es an dem weit nach oben gereckten Kinn und der durchaus zu hohen Nasenspitze. Vielleicht lag es aber auch an seiner Ausstrahlung, nach welcher er sich für überaus wichtig hielt, oder aber an dem abschätzenden Blick, mit dem er uns
betrachtete.
Monsieur Laurent und ich lächelten beide, wie es unsere Pflicht war und begrüßten den Gast mit Namen.
Jack Mitchell trat vor meinem Vorgesetzten an den Tresen und noch bevor dieser mit der klassischen Begrüßung beginnen konnte, gab der Gast von sich: »Morgen früh wird doch sicher noch ein Platz für eine Kräutertiefenmassage sein. 11:00 Uhr würde passen. Oh und das Frühstück um 09:00 Uhr kann doch sicherlich ihre hübsche Kollegin hier auf mein Zimmer bringen. Ich nehme von allem was auf der Karte steht ein bisschen.« Bei seinen letzten Worten schenkte er mir ein breites Grinsen und zwinkerte mir auf die widerlichste Weise zu, die mir jemals untergekommen war.
Meine Kinnlade klappte nach unten und ich war unfähig, die oberste Regel von Monsieur Laurent zu beachten. Denn bei diesen dreisten Worten konnte ich meine Gefühle nicht für mich behalten. Mein Puls schnellte nach oben und ich spürte, wie das Lid meines linken Auges zu zucken begann. Passend dazu breitet sich eine Gänsehaut auf meinem Körper aus, die ich dem angewiderten Gefühl in mir in die Schuhe schob.
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Château de rêves | 2022
RomanceMitten in den verschneiten kanadischen Rocky Mountains erhebt sich das ›Château de rêves‹, in welchem sich vor allem zur Weihnachtszeit die Schönen und Reichen mit ihren Festlichkeiten tummeln. Hochzeiten, Babypartys, Geburtstage und nicht zuletzt d...