Stille rauschte in meinen Ohren, während ich mich geräuschlos über den dunkelroten Teppich durch die Flure bewegte. Die Absätze meiner halbhohen Pumps versanken in dem dicken Stoff und sorgte dafür, dass mich meine eigenen Schritte mehr Kraft als üblich kosteten. Die Bluse meiner dunkelblauen Uniform kratzte mich heute am Hals und ich wollte nichts lieber, als diese viel zu steifen Kleider auszuziehen. Bei der letzten Wäsche musste mit dem Stoff irgendetwas passiert sein, denn so hatte sich die Hotelkleidung noch nie zuvor angefühlt.
Ich hatte kein Ziel, zumindest nicht bewusst. Ich lief einfach nur. Immer weiter und immer weiter, als hätte der Flur kein Ende. Doch ich wusste es besser. Ich arbeitete seit über vier Monaten hier und dank der Zimmermädchen, mit denen ich mir Hütte 14 teilte und mich angefreundet hatte, kannte ich das Gebäude bestens. Dieser Flur hatte ein Ende, und dennoch passierte ich Zimmertür um Zimmertür.
In meinem Kopf pochte es unerträglich laut und ich fragte mich, warum ich mich so unendlich schlapp fühlte. Heute war ein merkwürdiger Tag, vor allem weil ich mich erinnern konnte, weshalb ich überhaupt durch das Hotel lief. Ich sollte an der Rezeption sitzen, ehe ich beim Aufbau des Weihnachtsmarktes auf der anderen Seite des Parkplatzes helfen sollte.Nein, heute lief irgendetwas ganz und gar nicht nach Plan.
Seufzend blieb ich stehen und sah über die Schultern zurück. Der Flur erstreckte sich hinter mir ebenso wie vor mir bis in die unendliche Länge. Es wirkte, als würde ich inmitten eines endlosen Tunnels stehen. Ein Tunnel, in dem ich kein Ende und keinen Anfang erreichen konnte.
Hinter mir ertönte ein tiefes Knurren. Es ließ eine Gänsehaut über meinen Körper wandern und die feinen Härchen in meinem Nacken richteten sich auf. Mein Herz pumpte rauschend Blut durch meinen Körper und schlug dabei schmerzhaft gegen meinen Brustkorb. Mit vor Angst verkrampften Schultern drehte ich mich wieder herum und erblickte weniger als zwanzig Schritte von mir entfernt eine schwarze Kreatur, die einem zu deutlich zu großen Hund glich. Mit dem winzigen, aber feinen Unterschied, dass sie drei Köpfe besaß. Ihr schwarzes Fell glänzte im grellen Licht der Deckenleuchten.
Ich wusste, dass dieser Anblick keinen Sinn ergab, doch ich konnte die plötzliche Panik nicht unterdrücken. Meine Atmung beschleunigte sich und mein Herz stolperte über seinen eigenen Schlag. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete ich, wie der Hund die Zähne seiner drei Mäuler bleckte und mich erneut tief anknurrte.
Das Geräusch hallte ohrenbetäubend laut von den Wänden wieder, obwohl es eigentlich von dem Teppichboden geschluckt werden sollte. Mein gesamter Körper erzitterte dabei und nur ein einziger Gedanke kristallisierte sich in meinem Kopf: Lauf.
Und das tat ich. Ich drehte mich auf dem Absatz herum und begann zu rennen. Meine Begeisterung glich nur einer Sportart und diese war das Schwimmen. Dennoch war meine Kondition gut genug, dass ich es schaffte, gegen die Schwere in meinen Beinen anzukämpfen.
Es fühlte sich nicht an, als würde ich über Teppich laufen. Ich kam mir vor, als würde ich über eine dicke Schicht klebrigen Honig rennen und obwohl ich meine Schuhe nach wenigen Schritten bereits verlor, viel es mir schwer meine Füße vom Boden zu lösen.Schnaubend, schnaufend und brüllend polterte der Zerberus hinter mir und obwohl ich mich tief in meinem Inneren fragte, wie er überhaupt in diesen Hotelflur gekommen war, konnte ich nur an eine Flucht denken. Ich konnte nur daran denken, dass ich leben wollte und deshalb von hier fortmusste.
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Château de rêves | 2022
RomanceMitten in den verschneiten kanadischen Rocky Mountains erhebt sich das ›Château de rêves‹, in welchem sich vor allem zur Weihnachtszeit die Schönen und Reichen mit ihren Festlichkeiten tummeln. Hochzeiten, Babypartys, Geburtstage und nicht zuletzt d...