Heute war es soweit. Es war nicht nur mein erster freier Tag in dieser Woche, es war auch endlich Samstag und am Abend würde der Weihnachtsball stattfinden, auf den jeder im Hotel bereits hin fieberte. Den Ballsaal hatten wir gestern fertig geschmückt und heute wurden lediglich noch die frischen Blumenbuketts auf den Tischen ergänzt.
Bereits seit ich die Augen geöffnet hatte, schlug mein Herz vor Nervosität unregelmäßig in meiner Brust. Ich war gespannt, wie das Endergebnis unserer harten Arbeit im Schein der Dunkelheit aussehen würde. Mir war klar, dass es vermutlich eine einmalige Gelegenheit war, mit Colin heute Abend den Ball zu besuchen. Und später am Nachmittag würde ich mich mit Gracy im Hotel mit Stella treffen, wo wir uns in ihrem Büro um unsere Abendgarderobe kümmern würden.
Zu meiner Überraschung hatte meine Freundin mir gestern Abend nach dem Ende unserer Schichten erzählt, dass Nathan sie zum Ball als seine Begleitung eingeladen hatte. Anscheinend war das noch nie vorgekommen und Grace war zwar überrascht, aber viel zu begeistert von der Möglichkeit den Ball zu besuchen, um ›Nein‹ zu sagen. Ich selbst freute mich, dass noch ein weiteres bekanntes Gesicht in meinem Alter der Veranstaltung beiwohnen würde. Colin hatte mir später in der Nacht geschrieben, dass seine Geschwister vom Personal ebenfalls jemanden als Begleiter ausgewählt hatten, um unser gemeinsames Erscheinen zu decken.
Ein kleines bisschen ließ ganz besonders seinen kleinen Bruder in meinem Ansehen steigen. Ich hatte noch immer Angst, dass er uns an jemanden verraten könnte.
Die anderen Mädchen aus Hütte 14 hatten ihren Weihnachtsurlaub bereits heute angetreten und waren am frühen Morgen mit ihren gepackten Koffern zu den Autos und Taxis gelaufen, die sie zu ihren Familien bringen würden. Nur Grace und ich waren noch hier, doch es wäre unangenehm gewesen, ihr oder sonst jemandem gegenüber, meine Abwesenheit am Abend zu erklären.
Ich hörte, wie die Eingangstür der Blockhütte geöffnet wurde und klappte mein Notebook zu, auf dem ich gerade eine Serienfolge ansah. Vom Sofa aus versuchte, ich in den kleinen Flur zu schielen. Nur wenige Sekunden später betrat Gracy den Raum und hielt mit einem triumphierenden Lächeln eine brauen Papiertüte nach oben. Sie glich exakt der, mit der Colin vor einigen Tagen hereingeplatzt war.
»Ich habe uns ein paar belegte Brötchen gesichert«, berichtete meine Freundin stolz und holte sich aus einem der Küchenschränke zwei Teller, mit denen sie zu mir in den Wohnbereich kam. Ihre Fracht stellte sie auf dem Tischchen ab, ehe sie sich in einen der Sessel sinken ließ. »Drüben könnte man meinen, die Welt würde untergehen. Überall wuselt das Personal herum und poliert auch die letzte Christbaumkugel. Es ist wirklich der absolute Wahnsinn, was am Tag des Balls im Hotel noch so alles los ist.«
Ich klaute mir ein Schinkenbrötchen aus der Tüte und zog die Beine auf dem Sofa wieder an. »Ich finde es immer noch total surreal, dass wir heute Abend dabei sein werden.«
»Hmm«, gab meine Freundin mit vollem Mund zustimmend von sich und sah mich mit großen, blitzenden Augen an. Irgendetwas brannte ihr auf der Zunge und ich war mir sicher, dass sie in den nächsten fünf Minuten mit irgendeiner Neuigkeit herausrücken würde. Tatsächlich musste ich nur warten, bis sie den letzten Bissen heruntergeschluckt und tief Luft geholt hatte. »Du wirst übrigens gar nicht glauben, was mit Lexi von der Bar in der Küche erzählt hat.«
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Château de rêves | 2022
RomanceMitten in den verschneiten kanadischen Rocky Mountains erhebt sich das ›Château de rêves‹, in welchem sich vor allem zur Weihnachtszeit die Schönen und Reichen mit ihren Festlichkeiten tummeln. Hochzeiten, Babypartys, Geburtstage und nicht zuletzt d...