08. Dezember 2022

70 12 2
                                    

Neben Monsieur Laurent stand ich hinter dem Tresen der Rezeption und beobachtete, wie sich die beiden Söhne des Footballstars durch die Lobby in Richtung der Eingangstüren jagten

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Neben Monsieur Laurent stand ich hinter dem Tresen der Rezeption und beobachtete, wie sich die beiden Söhne des Footballstars durch die Lobby in Richtung der Eingangstüren jagten. Drew Mack selbst war bereits am frühen Morgen in eines der nahegelegenen Skigebiete aufgebrochen, während seine Frau es sich im Wellnessbereich gut gehen ließ und neben einer Feuersteinmassage heute auch die kleine Sauna für sich allein angemietet hatte. Die Tochter der beiden hatte ich seit dem Check-in kein einziges Mal gesehen und wenn sie nicht regelmäßig irgendwelche Storys posten würde, die Gracy mir allesamt zeigte, würde ich nicht einmal von ihrer Anwesenheit wissen. Die Söhne der beiden waren, wie die meisten kleineren Gäste, täglich in der Kinderbetreuung zwischen 09:00 Uhr und 16:00 Uhr angemeldet.

Ich musste ein Gähnen unterdrücken, während ich Clara aus dem Service dabei beobachtete, wie sie den beiden Schreihälsen hinterherlief und versuchte, die beiden in Richtung Terrassentüren zu lotsen. Dort hinaus waren weniger als fünf Sekunden zuvor die anderen Kinder mit der Pädagogin aus Calgary verschwunden.

Das Hotel hatte keine Kosten und Mühen gescheut und tatsächlich eine externe Erzieherin hierher ins Hotel geholt, die den gesamten Dezember über die Kinder bespaßte. Clara und ein paar andere Mädels aus dem Serviceteam wechselten sich beinahe täglich mit der Unterstützung ab. Um der Pädagogin den zweistündigen Fahrtweg zu ersparen hatte man sie in einem der alten Personalräume unter dem Dach einquartiert. Ein bisschen eifersüchtig war ich tatsächlich auf Agatha, die einen wesentlich schöneren Ausblick auf die Natur hatte, als wir aus unseren Blockhütten.

Erneut musste ich die Lippen fest aufeinanderpressen, um ein Gähnen zu verbergen.

»Gestern ist es etwas später geworden, oder?«, erkundigte sich Monsieur Laurent mit einem nicht überhörbaren Schmunzeln in der Stimme.

Mein Blick glitt zu ihm, doch er sah stur auf seinen Computerbildschirm und hackte mit spitzen Fingern in die Tasten. Sein französischer Akzent gab mir wie immer das Gefühl, als könnte ich ihm alles erzählen. Wie einem Onkel, der immer ein offenes Ohr hatte und zu jeder Schandtat bereit war. Manchmal glaubte ich, es war Monsieur Laurents geheime Fähigkeit, einem dieses Gefühl zu vermitteln.

»Sie machten sich keine Vorstellung«, seufzte ich und rückte die schmale Mütze meiner Uniform auf dem Kopf zurecht. Obwohl Gracy und die anderen Zimmermädchen Sarah und Willow heute zur Frühschicht im Hotel stehen mussten, waren wir erst gegen Mitternacht zurück im Chateau gewesen und hatten unsere Einkäufe vom Parkplatz in unsere Blockhütte getragen. Auf dem Rückweg hatte sich ein Schneesturm zusammengebraut und durch die schlechte Sicht konnte Gracy kaum schneller als 30 Meilen pro Stunde fahren. Wir haben mehr als das Doppelte an Zeit gebraucht. Ich war froh, dass ich heute erst zur Spätschicht im Hotel sein musste und deshalb mehr Schlaf als meine Mitbewohnerinnen bekommen hatte, dennoch war ich noch immer hundemüde.

»Sie sind noch jung, Alice. Sie sollten das leichter wegstecken.«

Monsieur Laurents Stimme war leise, sodass keiner der Gäste uns hören konnte. Vor der Concierge-Loge erkannte ich den Diplomatensohn, der mit Händen und Füßen gestikulierte und sich vermutlich genauso aufblies, wie beim Check-in. Seit meiner Nachtschicht letzter Woche war ich nur noch einmal an der Rezeption eingesetzt, doch einer Unterhaltung mit Joanna hatte ich es zu verdanken, dass ich genau über das unmögliche Verhalten von Jack Mitchell Bescheid wusste. Jeden Tag tauchte er mit irgendwelchen Sonderwünschen an der Rezeption oder beim Concierge auf und jedes Mal, wenn ein weibliches Wesen auch nur im Umkreis von 30 Metern war, gab er unangebrachte sexistische Kommentare von sich. Unter dem Personal zählte Jack Mitchell bereits jetzt zu den unsympathischsten Gästen.

Château de rêves | 2022Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt