11. Dezember 2022

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Den Sonntag genossen wir alle zusammen in der Blockhütte

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Den Sonntag genossen wir alle zusammen in der Blockhütte. Nicht nur meine Zimmermitbewohnerinnen, sondern auch die anderen Mädchen hatten ihren freien Tag und am Morgen versorgte uns Harriette mit Rührei und Speck sowie Aufbackbrötchen. Prinzipiell konnten wir drüben im Hotel essen, was wir meistens auch an unseren freien Tagen in Anspruch nahmen. Aber jede Hütte verfügte neben dem Wohnbereich auch über eine schmale Küchenzeile mit Herd und Ofen, Kühlschrank sowie Spülbecken.

Nach dem Frühstück räumten wir die Küche auf, während Gracy für uns alle eine frische Gurkenmaske zusammenrührte und Sophie sämtliche Nagellackfläschchen aus ihrem Schrank kramte. Sie war die Person mit der größten Nagellacksammlung in ganz Kanada, wenn nicht sogar auf der ganzen Welt. Als ich hier eingezogen war, hielt ich diese Aussage meiner Kolleginnen für einen Scherz, doch mittlerweile wusste ich, dass sie recht hatten. Sophie besaß sämtliche Nudetöne von allen möglichen Marken und darüber hinaus noch reichlich andere Farben, die sie jedoch nur in ihren Urlauben tragen konnte. Die Hotelrichtlinien schrieben vor, dass wir unsere Nägel entweder natürlich hielten oder sie mit nudefarbenem oder durchsichtigem Nagellack lackierten.

Zur Mittagszeit lümmelten wir acht Mädchen auf dem Sofa und den Sesseln, ließen uns von Sophie die Fingernägel aufhübschen und starrten mit der grünlichen Crememasse im Gesicht auf den Fernseher. Heiße Schokolade mit Sahne und Mini-Marshmallows dampfte in Tassen auf dem kleinen Wohnzimmertisch und die Snacks bestehend aus Lebkuchen und Keksen hatten bereits deutlich angenommen. Weihnachtliche Musik drang aus dem Fernseher, als sich das Paar endlich unter dem Mistelzweig küsste.

In einer demokratischen Abstimmung hatten wir uns für heute auf einen Weihnachtsfilm-Marathon geeinigt und beendeten deshalb gerade den zweiten Hallmark-Film an diesem Tag. Dass meine Wenigkeit für die nicht besonders romantische Netflixserie gestimmt hatte, musste ich vermutlich niemandem erzählen. Dumm nur, dass ich mit sieben zu eins verloren hatte und bei jeder verdammten Kussszene die Augen vom Fernseher abwenden musste.

Colins Auftritt gestern Abend hatte mich erneut aufgewühlt und ich hatte mir die halbe Nacht den Kopf über ihn zerbrochen. Tief in meinem Inneren interessierte es mich durchaus, was er von mir wollte. Doch mein Verstand hatte ständig versucht, mein Herz zu übertönen und mir zu sagen, dass ich richtig reagiert hatte. Colin war nicht gut für mich. Nicht, wenn er mich mit dieser einfachen Aussage so treffen konnte. Das war einfach nicht normal. Ich war keine Heulerin. Ich war niemand, der schnell aus der Bahn geworfen wurde. Ich war keine Person, die sich lapidare Aussagen so sehr zu Herzen nahm. Und ich konnte einfach nicht verstehen, warum es bei Colin anders gewesen war. Warum mein Herz so sehr schmerzte, wenn ich an ihn dachte. 

Warum alles in mir vor Trauer eiskalt wurde, obwohl ich gleichzeitig zu brennen schien.

Und im Grunde war es auch vollkommen egal, denn es durfte keine tiefere Bedeutung haben. Beziehungen, die über Freundschaft hinausgingen, waren zwischen dem Personal tabu. Und das, was ich Colin gegenüber zu fühlen schien, war alles, aber keine reine Freundschaft.Ich war erleichtert, als der Film mit einem friedlichen und glücklichen Weihnachtsfest endete. Die Leichtigkeit, die gleichzeitig mein Herz versuchte zu beflügeln, verschwand jedoch wieder, als Harriette direkt den nächsten Film mit entsprechend kitschigem Cover startete.

Mit einer leisen Entschuldigung verzog ich mich für ein paar Minuten ins Badezimmer, um dem regelmäßigen Seufzen meiner Mitbewohnerinnen zu entgehen, welche die Filme deutlich zu stark fühlten. Um etwas mehr Zeit als normalerweise nötig zu schwinden, warf ich einen Blick auf den Dienstplan, den Stella bereits Ende November geschickt hatte. Nächste Woche war ich verstärkt in den Vorbereitungen für die Hochzeit eingebunden, doch einen Tag würde ich tatsächlich an der Rezeption verbringen. Eine Aufgabe, auf die ich mich freute, denn der Kontakt mit anderen Menschen lenkte mich besser ab, als Dekoration herzurichten oder den Raum für die Feierlichkeiten entsprechend vorzubereiten.

Als ich zurück in den Wohnraum trat, wandte Gracy den Blick vom Fernseher ab und blickte mir entgegen. »Für dich wurde etwas abgegeben. Liegt auf dem Tisch.«

Überrascht zog ich die Augenbrauen nach oben, doch meine Freundin richtete ihre Aufmerksamkeit direkt wieder auf den Film und ich lief zum Esstisch hinüber. Päckchen oder Pakete wurden in der Regel von den Zustellern direkt an der Hotelrezeption abgeben. Die Kollegen benachrichtigten den eigentlichen Empfänger dann über eine Mail oder der Buschfunk tat seinen Job. So lief es normalerweise auch mit Briefen. Da wir alle im Hotel arbeiteten und beinahe täglich drüben waren, war es so einfach am Sinnvollsten.

Auf dem Holztisch lag neben den schwarzen Platz-Sets, die Harriette irgendwann einmal angeschleppt hatte, ein weißer Briefumschlag, auf dem mit geraden Buchstaben mein Name geschrieben war. Ich kannte die Schrift nicht, weshalb ich mit einem neugierigen Kribbeln in den Fingerspitzen nach dem Umschlag griff und ihn herumdrehte.

Auf der Rückseite war kein Absender zu sehen und mit Hilfe eines Messers öffnete ich den zugeklebten Brief. Ich erwartete keine Post von meiner Familie oder Freunden. Außerdem musste dieser Brief persönlich abgegeben worden sein, denn es war weder eine Briefmarke noch ein Poststempel auf der Vorderseite angebracht.

Wer kam auf die Idee, einen Brief für mich hier abzugeben. Und dann auch noch direkt an Hütte 14 und nicht an der Rezeption?

Vorsichtig linste ich in den Umschlag hinein, doch außer einem Stück Papier war nichts darin zu sehen. Mein Blick wanderte zu den anderen Mädchen, die jedoch alle auf den Fernseher blickten und von mir keine Notiz nahmen.

Mein Herz pochte aufgeregt gegen meine Brust, als ich das gefaltete Blatt weißes Papier herauszog. Ich legte den Umschlag wieder auf dem Tisch an und setzte mich auf einen der Stühle, während ich das Blatt aufklappte und meine Augen sich auf die Handschrift richteten. Es war dieselben wie auf dem Umschlag.

Alice. Bitte ließ weiter und hör nicht gleich wieder auf.

Für einen kurzen Moment stolperte mein Herz über seinen eigenen Rhythmus und ich blinzelte mehrmals, um mir sicher zu sein, dass ich mir die Worte nicht nur einbildete.

Ich kann verstehen, dass du gestern gegangen bist. Ich kann verstehen, dass du mir nicht zuhören wolltest. Aber ich bitte dich, ließ den Brief bis zum Ende.

Colin.

Colin hatte mir diesen Brief geschrieben. Meine Atmung passte sich meinem Herzschlag an und an dem wackelnden Blatt Papier erkannte ich, dass meine Hände vor Aufregung zitterten. Ein drückendes Pochen machte sich in meinem Kopf breit und ich schluckte schwer, während mein Blick über die nächsten Zeilen glitt.

Ich habe dich mit meinen Worten verletzt. Natürlich habe ich das, du bist schließlich keine Statue, sondern ein Mensch. Ich kann diese Worte nicht zurücknehmen, so gern ich es auch täte. Und leider kann ich dir auch nicht erklären, warum ich so reagiert habe. Ich weiß selbst nicht, was mich in diesem Moment geritten hat. Ich weiß nur, dass ich mich schuldig fühle und das wieder in Ordnung bringen möchte.

Bitte gib mir die Chance dazu, Alice. Es tut mir leid und ich möchte dir das gern sagen. Mich aufrichtig bei dir entschuldigen. Bitte triff mich morgen um 06:30 AM an dem Ort, an dem wir uns das letzte Mal zu so früher Stunde getroffen haben. Bitte komm und gib mir eine zweite Chance.

- C.A.M.

M

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Château de rêves | 2022Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt