Morgen war es also soweit und die Hochzeit des Jahres würde stattfinden. Wenn ich bereits dachte, das Personal wäre seit Beginn der Woche völlig durch den Wind, dann war das nichts im Vergleich zu heute. Stella Mayfare wirbelte bereits vor meinem Schichtbeginn durch das Hotel und war heute ausdrücklich für niemanden außer die Altings zu sprechen. Selbst an der Rezeption, die normalerweise nicht vom Stress der Veranstaltungen erfasst wurde, war heute die Aufregung zu spüren. Laut Monsieur Laurent würde nämlich heute die gesamte Hochzeitsgesellschaft anreisen und am Abend sollte die Feierlichkeit dann mit einem großen Barbecue begonnen werden. Hierzu war die große Terrasse bereits jetzt mit Heizstrahlern ausgestattet worden und Stella hatte einen der Hausmeister bereits am frühen Morgen zum Schneeschippen verdonnert.
Ich war froh, dass ich heute nicht an der Rezeption eingeteilt war, sondern mich mit dem Veranstaltungsteam um die Vorbereitungen für morgen kümmern durfte. Obwohl das bedeutete, dass ich im Keller versauerte und umgeben von tausend weißen Kerzen mit einem Tuch schmale Gläser polierte. Stella hatte mich dazu in einen der Vorbereitungsräume gesteckt, sodass ich nicht den ganzen Flur belagern musste und ohne größere Störungen vor mit hinarbeiten konnte.
Aus meinem Smartphone drangen die sanften Klänge von Taylor Swifts neuem Lied und ich genoss es, in dieser tiefen Ruhe arbeiten zu können. Es war anders, als an der Rezeption oder in der Küche, wo immer ein Kommen und Gehen herrschte. Es war sogar deutlich anders, als mit den anderen die Terrasse für den Abend vorzubereiten. Hier war ich allein und konnte meinen Gedanken nachhängen, während ich mit dem Poliertuch die Gläser bearbeitete und nach jedem Glas nach einer Kerze griff. Ich hatte mit den hohen Gläsern und Kerzen begonnen, war mittlerweile jedoch bei den mittelgroßen angelangt. Dennoch war ich noch nicht einmal bei der Hälfte angekommen und musterte mit einem Hauch Resignation in den Adern die unzähligen braunen Kartons, in denen sich weitere Gläser und Kerzen befanden.
Mit einem leisen Quietschen öffnet sich die dunkle Holztür zu meinem Arbeitszimmer und ich versenkte erst die Kerze in dem Glas, wo ich den Docht wie angewiesen aufrichtete, ehe ich den Kopf hob.
Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich erkannte wer den Kellerraum betrat und meine Fingerspitzen begannen vor Nervosität zu kribbeln. Ich umfasste das goldschimmernde Tuch fester, weil ich Sorge hatte, es würde mir in jeder Sekunde aus den Fingern rutschen.
»Hier versteckst du dich also.« Schief grinste mich Colin an und fuhr sich durch die unordentlichen Haare. Heute trug er wieder eine dunkle Jeans, ein schwarzes Longsleeve und die vertrauten Boots. Mit diesem Outfit sah er wieder mehr wie er selbst aus, was man von der Uniform gestern wirklich nicht behaupten konnte.
»Hey Colin«, begrüßte ich den Jungen, während dieser die Tür ins Schloss zog und sich lässig gegen den Holzrahmen lehnte. »Was verschlägt dich hier herunter?«
Der Blick aus seinen leuchtend grünen Augen richtete sich auf mich und er unterzog mich einer ausführlichen Musterung. Heute trug ich die Uniform bestehend aus Hose und Blazer, womit ich für die Vorbereitungen flexibler gekleidet war. Es war nichts Besonderes und exakt dasselbe, das jeder Angestellte hier trug.
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Château de rêves | 2022
RomanceMitten in den verschneiten kanadischen Rocky Mountains erhebt sich das ›Château de rêves‹, in welchem sich vor allem zur Weihnachtszeit die Schönen und Reichen mit ihren Festlichkeiten tummeln. Hochzeiten, Babypartys, Geburtstage und nicht zuletzt d...