Katy Perry und Sia gaben sich heute die Hand, während ihre Lieder abwechselnd in Dauerschleife aus der Stereoanlage in der Küche drangen. Henry hatte heute seine CD mit moderneren Weihnachtsliedern herausgekramt, was daran lag, dass der Küchenchef Tajon seinen freien Tag hatte und die altehrwürdigen Klassiker nicht mit seinem Leben oder einem Kochlöffel verteidigen konnte.
Im hinteren Bereich der Küche wurden die Köstlichkeiten für das Mittagsbuffet im kleinen Speisesaal vorbereitet, während im vorderen Teil die Süßigkeiten zu wahrer Kunst verwandelt wurden. Misses O'Halloren, die täglich einzigartige Pralinen zum Nachmittagskaffee für die Gäste herstellte, arbeitete mit einem der Jahrespraktiken winzige Rosen für die daumengroßen Granatapfel-Trüffel aus.
»Fährst du über Weihnachten nach Hause, Alice?«, erkundigte sich Henry bei mir.
Er stand nur einen halben Meter von mir entfernt. Neben ihm türmte sich ein Berg aus perfekten Donuts und mehrere Schüsseln verschiedener Zuckergussglasuren. Gemeinsam mit Anni leistete er Fließbandarbeit und reichte die kalorienhaltigen Teilteilchen nach dem Glasieren zur Dekoration weiter. Ich selbst arbeitete in die andere Richtung und tauchte winzige Cake-Pops auf ihren Stäbchen in gefärbte Schokolade, ehe ich sie zum Trocknen auf mehreren großen Edelstahlplatten abstellte.
In wenigen Stunden feierten mehrere Gäste im großen Salon eine Babyparty und da es sich beim Geschlecht des Babys um einen Jungen handelte, mussten die süßen Speisen der Candybar ganz in verschiedenen Blautönen gehalten sein. Zumindest hatte das Stella Mayfare mit den werdenden Eltern so besprochen.
Als Antwort auf Henrys Frage schüttelte ich den Kopf. »Nein, ich bleibe hier.«
Laut dem Dienstplan hatte ich zwar ab dem 25.12.2022 für vier Tage frei, aber da ich eine Fahrtzeit von mehr als vierundzwanzig Stunden nach Hause hatte, lohnte es sich nicht, wegen dieser Tage zu meiner Familie zu fahren.
Über den Jahreswechsel hatte ich jedoch zwei Wochen Urlaub und würde tatsächlich, die Wegstrecke auf mich nehmen. Dummerweise musste ich meinen Eltern meinen Plan für Weihnachten erst noch beibringen. Sie wussten bereits seit Wochen, dass ich meinen Urlaub bei ihnen verbringen würde, doch bisher glaubten sie noch immer, dass wir auch Weihnachten gemeinsam feiern würden.
»Und ihr beide? Fahrt ihr nach Hause?«, erkundigte ich mich bei meinen beiden Kollegen und schielte an Henry vorbei zu Anni. Wir trugen alle drei dieselbe Küchenuniform und unsere Haare waren unter Haarnetzen und Mützen verborgen.
»Ich fahre auch erst im neuen Jahr nach Hause. Das Küchenpersonal ist in zwei Gruppen eingeteilt und im Jahrestakt wird abgewechselt, wer über Weihnachten und wer über Silvester Urlaub bekommt«, antwortete der junge Mann neben mir und ließ mich nicken. Für die Sommermonate gab es eine ähnliche Regelung, sodass es nicht zum Streit zwischen den Angestellten kam.
Meine Familie war aus allen Wolken gefallen, als sie erfahren hatten, dass ich nicht selbst über meinen gesamten Urlaub bestimmen konnten. Ich selbst fand es einfach fair, weil sich so niemand benachteiligt vorkam und zwischen dem Hotelpersonal kein Streit oder böses Blut entstand.
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Château de rêves | 2022
RomanceMitten in den verschneiten kanadischen Rocky Mountains erhebt sich das ›Château de rêves‹, in welchem sich vor allem zur Weihnachtszeit die Schönen und Reichen mit ihren Festlichkeiten tummeln. Hochzeiten, Babypartys, Geburtstage und nicht zuletzt d...