In dem Kylie Zeugin einer Indiskretion wird und unverhofft einen Silberstreifen am Horizont ihrer neuen Sehnsüchte erblickt.
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Kylie saß in einer Kabine der Kanzleitoilette auf der Schüssel. Ihr Höschen hing an ihren Fussknöcheln, das Kleid hatte sie hochgezogen hielt es vor sich gegen den Oberkörper gepresst, damit es nicht beschmutzte. Ihre Blase war längst leer, doch ihre Gedanken hingen gerade fest.
Der Winter war vorüber und sie gestern im Internet ein Outfit gesehen, das sie sehr begeisterte. Etwas teuer. So rechnete sie im Kopf hin und her, ob und wie sie es sich leisten könnte. Oder sollte sie bis kommenden Monat warten? Dann wäre es finanziell einfacher. Oder doch nicht?
Wie sie so in ihren Gedanken hing, öffnete sich die Tür und zwei Frauen traten ein, die sich rege unterhielten. Gerade als Kylie aufstehen wollte, hörte sie etwas, das sie innehalten und gespannt lauschen ließ.
Er hat sie vor deinen Augen .... gefingert ... und sie hat sich das gefallen lassen?
Kylie erkannte die Stimme der Büroleiterin. Die Antwort kam mit gedämpfter Stimme - es war die ihrer Chefin
Sie war ganz offensichtlich einverstanden. Sehr sogar.
Ja und wie ging das weiter? Du hast wirklich zugesehen? Ich wäre vor Scham im Boden versunken.
Ach, so empfindlich bin ich da nicht. Ich hatte es ja geahnt und ihnen erst die Möglichkeit eröffnet, sich im Arbeitszimmer meines Mannes auszutoben. Ich hab ihn sogar gefragt, ob ich ihre Brüste sehen dürfte.
Du spinnst!
Ach, wer unter die Musikanten gerät muss mitsingen. Ich hab ihr das Trägerchen von der Schulter gezogen und sie hat mich fast dankbar angeschaut, schon ziemlich nahe am .... Höhepunkt.
Ich glaub's einfach nicht. Das hätte ich die nicht zugetraut. Dem Bach schon gar nicht. Nie! Der sieht doch so seriös aus. Hat's faustdick hinter den Ohren. Sieh mal einer an!
Behalt's aber bloß für dich, hörst du!
Kein Thema. Ich kann schweigen.
Die beiden Frauen waren offensichtlich nur zum Auffrischen hereingekommen. Jetzt ging die Tür auf und sie verschwanden.
Kylie saß wie gelähmt und verarbeitete, was sie gehört hatte. Der "Bach"? Er war zu einem Termin hier und gerade die Kanzlei verlassen, als sie zur Toilette ging. Benedikt Bach, Unternehmer. Ein ruhiger, freundlicher Mann mit grauem Vollbart. War er etwa ein Dom?
Es war ihr, als hätte sie gerade einen Außerirdischen enttarnt. Schnell stand sie auf und richtete ihre Kleider mit fahrigen Fingern. Mit fliegenden Gedanken ging sie wieder an die Arbeit.
Kylie fühlte den Arbeitstag so lange wie noch nie. Doch endlich war Feierabend. Sie kam irgendwie nach Hause und saß dann mit angezogenen Knien auf dem Sofa und starrte vor sich hin. Ihre Gedanken kreisten um das Gehört und immer wieder erschien das Gesicht des Mandanten vor ihren Augen. Wie er freundlich grüßte, aber sonst keine größere Notiz von ihr zu nehmen schien. Er war deutlich älter als sie selbst und doch keimte eine seltsame Anziehungskraft auf. Ihre Gefühle fuhren Karussell.
Einerseits war er Teil ihres Umfeldes, andererseits doch so weit weg. Sie kann ihn nicht wirklich, wusste nichts über sein Leben.
Doch diese Unterhaltung, die sie zufällig mitgehört hatte! Kylie war unfähig klar zu denken. Je länger sie fantasierte, desto stärker wuchs der innere Drang ihren Gefühlen und Sehnsüchten nachzugeben. Es war ihre Chance. DIE Chance.
Was sollte sie nur tun?
Die nächsten Tage und Wochen verbrachte Kylie damit, möglichst viel über Benedikt Bach in Erfahrung zu bringen. Sie stöberte heimlich in seinen Akten, die in der Kanzlei lagen. Sie suchte, wenn auch vergeblich, nach seinem Profil auf Facebook und Instagram. Sie legte sich einen Account auf LinkedIn zu und fand ihn dort. Wenn sich auch nur rein berufliche Beiträge und Informationen zu lesen waren.
Fieberhaft überlegte sie, wie sie die für sie wichtigste Erkenntnis erlangen konnte, ob es eine Frau in seinem Leben gäbe. Laut seiner Daten in der Kanzlei war er nicht verheiratet. Immerhin. Kylie war besessen von der Idee, sie könnte seine Sub werden. Seine Sub! Wie fremd und seltsam das klang. Könnte er, der gut dreißig Jahre älter war als sie, ernsthaft Interesse daran haben, seine sicherlich knapp bemessene Zeit mit einem völlig unerfahrenen Mädchen von einundzwanzig Jahren zu teilen?
Wäre es nicht besser, sie würde sich nocheinmal in diesem Forum anmelden und einen jüngeren Mann bitten, sich um sie zu kümmern? Vor Kylies inneren Augen erschienen die Gesichter von den Männern ihres Alters, die sie mehr oder weniger kannte. Zumindest vom Sehen. Komischerweise fand sie es lächerlich, sich einem dieser jungen Kerle anzuvertrauen. Nicht weil sie nicht wusste, ob darunter jemand war, der das wollte und konnte. Nein. Sie würde zu ihrem Herrn aufschauen, seine Seniorität spüren wollen. Sie würde keine gespielte Führung haben wollen, die ihr unauthentisch und daher töricht wirkte.
An den Wochenenden zog sie ihre ältesten Jeans und einen schwarzen Kapuzenpullover an und streifte durch das Wohnviertel, in dem Herr Bach wohnte. Immer wieder schlenderte sie scheinbar gelangweilt an seinem Haus vorbei und verdrehte sich doch fast ihre Augen, um etwas zu erkennen. Ein einziges Mal sah sie ihn, wie er das Haus verließ. Alleine. Ohne sich zu einem Fenster umzudrehen. War das der Beweis, dass niemand auf ihn wartete, bis er zurückkam?
Milana lachte sie aus.
Du willst ihn doch nicht heiraten, Kylie! Oder doch? Mensch Mädchen, ein Dom ist ein Dom weil er es ist. Nicht weil er keinen Partner hat. Worauf wartest du eigentlich? Wenn du ihn haben willst, musst du ihn fragen. Einfach fragen! Im schlimmsten Fall lehnt er ab. Nein, im schlimmsten Fall ignoriert er dich.
Kylie ergab sich. Sie nahm einen Kugelschreiber, ein weißes Blatt Papier und begann mit zittrigen Fingern zu schreiben.
Drei Stunden und zahlreiche zerknüllte Blätter später leckte sie die Gummierung des Umschlags und schrieb fein säuberlich seine Anschrift darauf.
Ihr Herz klopfte bis zum Hals.
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Nimm dir die dunkle Seite meiner Seele
General FictionKylie auf dem Weg zur Selbstfindung. Sie geht einen Weg, den die selbst nie gesehen hätte. Heraus aus der Frustration, der Unsicherheit und der undefinierbaren Unvollständigkeit, hinein in eine fremde Welt der Verwirklichung ihrer Sehnsüchte voller...