Kapitel 5 • Das Vorstellungsgespräch

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In dem Ben und Kylie sich kennenlernen und über den Brief sprechen.

***

Das Aprilwetter der letzten Tage war einem strahlend blaue Himmel gewichen. Ich ließ das Auto in der Garage und setzte mich auf das Fahrrad. Zu lange hatte ich es nicht mehr gefahren und musste bereits nach ein paar Metern umkehren, um mehr Luft in die Reifen zu pumpen. Zu meinem Ärger musste ich danach sogar noch einmal zurück ins Haus, weil ich mir die Hände schmutzig gemacht hatte.

Die Fahrt in die Stadtmitte dauerte etwas länger als ich es in Erinnerung gehabt hatte. So wäre ich auch ohne die Umleitung, die ich wegen einer Straßensanierung fahren musste, nicht pünktlich gewesen. Beim Rathaus stellte ich mein Rad ab. Ich mochte Verspätungen überhaupt nicht. Noch viel weniger, wenn ich derjenige war, der nicht rechtzeitig zur Stelle war.

Das Café CROISSANT lag in einer Seitenstraße, die vom Marktplatz abging. Ein kleiner Platz mit einem Baum grenzte an. Zahlreiche Tische waren besetzt mit Menschen, die die Frühlingswärme mit einer Tasse Kaffee oder Tee genossen. Einer hatte ein Glas Bier vor sich stehen. Prost, dachte ich, das ist aber schon etwas zu früh am Tag.

Wie fand ich jetzt zu meiner Unbekannten? Wenn sie nicht noch unpünktlicher war als ich, müsste sie eigentlich schon da sein. Während ich auf das Café zuging machte ich zwei Frauen aus, die jeweils alleine an ihren Tischen saßen. Eine Blondine mittleren Alters sowie eine jüngere mit halblangen, braunen Haaren. Diese sah in diesem Moment auf und hob ihre Hand, um mir dezent zu winken.

Okay, dachte ich. Ziemlich jung. Da bin ich gespannt.

Guten Morgen Herr Bach!

Sie lächelte, eher beschämt, als fröhlich.

Guten Morgen, Frau ....

Wir gaben uns die Hand.

Peterson - Kylie Peterson.

Sehr angenehm, Frau Peterson.

Ich setzte mich ihr gegenüber und nickte ihr freundlich zu. Ihr Lächeln war noch immer künstlich angestrengt.

Alles gut bei Ihnen?

Meine Frage unterbrach ihre Miene. Sie wirkte sehr nervös. Das hatte ich ehrlich gesagt auch erwartet. Welcher Mensch wäre nach einem solchen Briefwechsel, der zu diesem Treffen geführt hatte, schon entspannt, wenn es zu einem Zusammentreffen kommt?

Ja, ja. Alles in Ordnung. Danke.
Sie drehte die ganze Zeit ihre Sonnenbrille mit einer Hand. Sie war tatsächlich recht jung. Anfang zwanzig, schätzte ich. Halblange brünette Haare, kaum Make-up, wenn man vom Mascara absah. Gekleidet war die eher unauffällig: Ein Sommerkleid mit einer übergehängten Strickjacke.

Ich muss mich noch für meine Verspätung entschuldigen. Das tut mir aufrichtig leid.

Eine Servicekraft kam an den Tisch. Ich bestellte ein Kännchen Kaffee. Meine Tischnachbarin entschied sich für Mineralwasser.

Stille trat ein. Ich dehnte sie absichtlich so lange aus, bis die junge Frau begann ihre Unterlippe zu kauen. Ich zog ihren handgeschriebenen Brief aus meiner Tasche und legte ihn vor mich. Frau Petersen wurde puterrot vor Verlegenheit. Bevor sie jetzt aber aufspringen und davonlaufen würde, sorgte ich für Entspannung.

Ihr Brief - ihrer beiden Briefe - haben mich sehr berührt.

Ihr Gesichtsrötung nahm langsam ab. Sie sagte jedoch immer noch nichts. Also fuhr ich fort...

Sie haben sich an mich gewandt, weil sie offensichtlich Unterstützung benötigen. Ich muss zugeben, ich fühle mich geschmeichelt, dass sie der Meinung sind, ich könnte ihnen helfen. Oder haben sie solche Briefe auch noch an Andere geschickt?

Nimm dir die dunkle Seite meiner SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt