Kapitel 3 • Zwei Monate vor dem Brief

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In dem die Inspiration aus dem Gespräch mit Milana in Kylies Kopf eine Traumwelt entstehen lässt.

***

Kylie lag wach und schaute auf das Mosaik der Lichtpunkte, die der halb geschlossene Rolladen aus dem Licht der Straßenlaternen machte und an die Wand warf. Sie war nackt und spürte den Körper ihres Freundes an ihrem Rücken. Er schlief tief und fest, zur Seite gedreht, ihr ebenfalls den Rücken zukehrend. Langsam schälte sie sich aus der Bettdecke und griff nach ihrem Nachthemdchen, das neben dem Bett auf dem Fussboden lag. Auf dem Weg ins Wohnzimmer zog sie es über.

Gedankenverloren schaute die junge Frau durch das Glas der Balkontür in die dunkle Nacht hinaus. Die Wassertropfen auf der Scheibe glitzerten im Licht der Straßenbeleuchtung. Es regnete schräg im starken Westwind. Es war kurz vor zwei Uhr in der Früh. Im Nebenzimmer hörte sie Martin schnarchen. Ein dumpfes Gefühl legte sich über ihr Gemüt.

Sie mochte ihn. Er war sanft, zärtlich und aufmerksam. Brachte ihr sogar hier und da überraschend Blumen mit. Seit drei Monaten waren sie ein Paar. Zusammenziehen war jedoch keine Option. Kylie hatte genug Enttäuschungen erlebt. Sie brauchte ihr eigenes Reich, das ihr ein sicheres Rückzugsgebiet gab. Heute hatte sie zugestimmt, dass er hier schläft. Aber jetzt bereute sie es.

Es fühlte sich falsch an. Warum konnte sie nicht wirklich formulieren. Sie hatten gemeinsam einen Film angeschaut und gegen zwölf ins Bett gegangen. Wie von selbst hatten sie geschmust und sich dabei erregt. Nach nur wenigen Minuten waren beide nackt gewesen und er drang in sie ein. Sie hatte es genossen, ihn zu spüren. Vorspiel war halt nicht sein Ding. Nachspiel leider auch nicht. Er kam schnell und nach ein paar dankbaren Küssen schlief er ein. Sie fühlte sich vergessen.

Natürlich ist Sex nicht die höchste Priorität in einer Beziehung. Aber er war ihr wichtig. Kylie war voller sexueller Energie und fand es enttäuschend, was Männer ihr bisher angeboten haben. Klar, es waren nicht viele gewesen. Aber die letzten drei Beziehungen der letzten zwei Jahre gaben sich da nicht viel. Sie unten, er oben - oder umgekehrt. Ficken bis er kam. Na super. Mit Frauen hatte sie noch keinen Sex gehabt. Wäre auch seltsam, da sie sich als hetero fühlte. Eine Freundin hatte ihr mal gesagt, das wäre nicht so entscheidend. Frauen wissen, wie sie Frauen anfassen müssten und Ausprobieren würde sich lohnen. Keine Ahnung.

Die junge Frau zeichnete ein Herz auf die beschlagene Fensterscheibe vor ihr und schaute hinaus auf den kahlen Balkon. Schneeregen hatte eingesetzt. Der Wind peitschte ihn durch das Laternenlicht. Eine nasskalte Februarnacht. Jetzt da draußen zu sein musste wirklich unangenehm sind. Im Nebenraum stand ein warmes Bett, doch Kylie zog es nicht dorthin.

Sie dachte zurück an den Abend mit Milana. Sie dachte daran, was ihre Freundin erzählt hatte. Über Doms, die sich um eine sogenannte Sub kümmerten. Vor vier Wochen hatte sich ihr eine komplett neue Welt geöffnet. Fremdartig und skurril. Den ganzen Abend in Club hatte sie an nichts anderes denken können, als an den nackten Unterleib ihrer Freundin unter deren Kleid. Sie hatten ausgelassen getanzt und hier und da ein paar Worte mit jungen Männern gewechselt, die couragiert genug gewesen waren, sie anzusprechen. Aufdringlich war keiner geworden. Zwei, die nicht locker hatten lassen wollten, zogen sich zurück, als Milana meinte, sie wäre lesbisch und als Beweis vor ihren Augen Kylie einen Zungenkuss gegeben hatte. Kylie war völlig überrumpelt gewesen. Sie hatte noch nicht einmal Zeit, falsch zu reagieren, so schnell waren die Kerle verschwunden.

Sie musste ob der Erinnerung kurz grinsen. Dann glitten ihre Gedanken zum Podcast, den Milena ihr besorgt hatte. Jener über die psychologischen Aspekte einer BDSM Beziehung. Sie hatte sich danach im Internet ungesehen. Viel gelesen. Die einschlägigen Pornos hatte sie fast vollständig ignoriert bekommen. Bis auf einen, in dem ein bekleideter Mann eine in Ketten gelegte nackte Frau mit einem riesigen Vibrator zum Schreien brachte. Obwohl sie es nicht wollte, hatte sie die fünf Minuten des Videos gebannt verfolgt. Abscheu und Erregung waren im Abgang eine seltsame Gefühlsmischung.

Nimm dir die dunkle Seite meiner SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt