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  Der Wald war ein dunkler, eiskalter Liebhaber

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  Der Wald war ein dunkler, eiskalter Liebhaber.

Seine langen, verführerischen Finger glitten über mein Haar, ließen mich schaudern, ließen meine Schritte wackelig und unsicher werden.

Die beruhigende Dunkelheit seiner Worte, seiner Schatten, seiner Existenz verbarg das Zittern meiner Hände, die ich an meiner Seite zu Fäusten ballte. Sie verbarg das entschlossene Funkeln in meinen Augen, verbarg die finsteren Absichten in meinem Herzen.

Die Kälte strich über meine Wangen und ließ meinen Atem in kleinen, sichtbaren Wölkchen vor meinem Gesicht aufsteigen. Sie betäubte meine Finger, bis ich meine Fingernägel in meine Handflächen graben musste, um den Schmerz zu spüren, um nicht vollständig in der Kälte verloren zu gehen, um mich nicht selbst in ihrer zarten Berührung zu verlieren.

Die Bäume waren knochige, tote Finger, die nach dem Leben der Sterne über ihnen griffen, sich danach verzehrten und sogar dafür morden würden.

Das Rascheln des Unterholzes erinnerte an das Knistern eines Kaminfeuers, das Niederbrennen eines Holzscheites, bis schließlich nur noch Asche und Staub übrig war.

Das Zirpen der Insekten glich einem leisen, bedrohlichen Konzert. Einem letzten Lied, das angestimmt wurde, um einen Helden zu ehren, einen Freund zu betrauern oder eine verlorene Liebe für immer zu verabschieden.

Das spärliche Licht, das der sichelförmige Mond und die vielen leuchtenden Sterne von ihrem ewigen Bett im Himmel zu mir herunter schickten, reichte kaum aus, um die tiefen Schatten zu vertreiben, die mir zuzwinkerten wie alte Bekannte.

Ich atmete tief ein, hieß die Kälte, die Dunkelheit und den Wald willkommen, reinigte meinen Kopf von allen unnötigen Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen, die mir in diesem alles entscheidenden Moment nur zu einer Last werden würden.

Der Geruch erinnerte mich an Salz und Dreck, an Regen und Kiefernharz, an Erde und Wind.

Ich ließ ihn durch meine Adern gleiten, benutzte ihn, um all meine Sorgen und Ängste fortzuspülen, bis nichts mehr davon Platz in meinem wild schlagenden Herzen hatte.

Das stetige Poch-Poch-Poch in meiner Brust ertönte im Einklang zu dem Geräusch meiner Schritte auf dem Waldboden.

Ich bewegte mich langsam, versuchte die Ruhe der Dunkelheit in mich aufzusaugen und in mir zu bündeln, um mit ihr zu verschmelzen, bis ich selbst nicht mehr als ein Schatten war.

Ein Schritt nach dem anderen, jeder ein klein wenig schwieriger als der Vorherige, jeder ein klein wenig lauter, ein klein wenig unkontrollierter, als ich mich meinem Schicksal näherte.

Ich kontrollierte meine Atmung, ließ die eiskalte Luft beruhigend durch meinen Körper strömen, bis ich selbst schließlich kalt, entschlossen und tödlich war.

Eine Waffe, geschmiedet in der ewigen Kälte des Windes, der die Bäume zum Wiegen brachte, die Blätter zum Rascheln, die Luft zum Fließen.

Ich folgte dem Ruf des Waldes, hielt mich im Unterholz versteckt, auf der Hut, auf der Flucht, auf der Suche nach einem Zuhause, das es niemals geben würde und das es auch niemals gegeben hatte. Folgte der leisen, verführerischen Stimme, die mich zu sich rief und mich hypnotisierte.

MIRROR ~ what you really fearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt