Kapitel 7

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~ Wren ~

Still gingen wir durch die Straßen von Amsterdam. Es war nicht das erste Mal, dass ich hier war. Damals war es allerdings Frühling gewesen und überall blühte das Leben. Verschiedenste Blumen ließen die Stadt zu einer Farbenexplosion werden. Überall waren Menschen und die Kanäle waren voll mit Booten gewesen.

Zu dieser Zeit hatte ich einige Wochen hier verbracht, um mir weitere Schritte zu überlegen, wie und wo es mit meinem Leben weitergehen sollte.

Heute war es kalt und leichter Nieselregen fiel auf uns herab. Die bunten Blumen waren bereits verwelkt und die Bäume hatten ihre Farben von saftig grün zu verschiedensten Braun- und Rottönen gewechselt. Viele von ihnen hatten ihre Blätter bereits abgeworfen.

Nichtsdestotrotz waren die Straßen am späten Nachmittag voll von Leuten. Genauso, wie die Cafés und Restaurants. Das Leben hier blühte noch immer, nur auf eine andere Weise. Und trotz der vielen Touristen hatte diese Stadt kein bisschen an ihren Zauber verloren. Jedenfalls für mich.

Etwas, oder besser gesagt jemand landete graziös auf meiner Schulter und ließ mich leicht zusammenzucken. Der Gestaltwandler hatte sich vor unseren Aufbruch in eine schwarze Katze verwandelt und hing an mir, wie eine Klette. Es war nervig, aber auch irgendwie charmant zugleich. Er machte sich in der Kapuze meiner Jacke gemütlich und schnurrte wie ein Motorboot.

>>Der Standort müsste gleich um die Ecke sein<<, meldete sich der Exorzist, doch als wir um die besagte Ecke bogen, blieben wir beide abrupt stehen, als wären wir gegen eine unsichtbare Wand gelaufen.

Blaulichter erhellten die gesamte Umgebung. Menschen hatten sich um einen Schauplatz versammelt, den wir noch nicht so richtig ausmachen konnten. Dennoch sagte mir mein Gefühl, dass wir bereits zu spät waren.

Ich war die erste, die sich wieder in Bewegung setzte und merkte, wie der Kater in meiner Kapuze sich ebenfalls regte und über meine Schulter spähte.

Der Rettungsdienst transportierte jemanden in einem Leichensack aus dem Haus. Polizisten sperrten die Gegend ab und versuchten die Schaulustigen zu vertreiben und während ich näherkam und mich nach möglichen Gefahren umsah, merkte ich, dass mir diese Straße irgendwie bekannt vorkam. Ich war schon mal hier gewesen.

Die Straße. Das Café gegenüber und sogar die rote Eingangstür. Ich kannte dieses Haus. Doch was noch viel Schlimmer war: ich kannte die Familie, die dort gelebt hatte.

Als ein zweiter Leichensack aus dem Haus gebracht wurde, merkte ich, wie mein Herz schwerer wurde.

Die alte Lodi und ihre Tochter Anissa waren mir damals eine große Hilfe gewesen. Als ich hier aufgetaucht war, wusste ich nicht, wohin mit mir. Ich hatte kein Geld und keine Unterkunft. Anissa war elf Jahre älter als ich gewesen. damals hatte sie mich auf der Straße gefunden. Ich war allein und Hilflos und sie war freundlich gewesen und hatte mich – eine vollkommene Fremde – einfach so bei sich aufgenommen. Damals war Lodi schwer krank gewesen, weshalb ihre Tochter bei ihr gelebt und sich um sie gekümmert hatte.

In den Wochen, die ich bei ihnen verbracht hatte, hatten sie mir Essen und ein warmes Bett gegeben, ohne je irgendetwas dafür zu verlangen. Also hatte ich mich dafür bedankt, indem ich Lodi mit dem richtigen Kräuterelixier geheilt hatte.

Jetzt stand ich da – mittlerweile ganz vorne an dem Absperrband und konnte meinen Augen kaum trauen. Die Spurensicherung ging rein und raus. Leute wurden befragt und Ermittlungen geführt, während ich einfach nur dastand, wie eine Statue und nicht in der Lage war mich zu rühren.

Nur ganz wage nahm ich wahr, wie der Kater in meiner Kapuze die Vordertatzen auf meine Schulter stellte und seinen Kopf leicht an meinen Hals schmiegte, als hätte er gespürt, was mit mir los war.

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