Kapitel 34

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~ Wren ~

Schweren Herzens blickte ich auf den großen Baum vor mir. Der Schmerz in meiner Brust war kaum noch zu ertragen. So viele male saß ich unter ihm. Hatte hier meinen Trost gefunden. Und nun war der Baum, der mir diesen Trost gespendet hatte, tot. Obwohl er jetzt noch immer voller Blätter sein sollte, sah ich auf leere und verdorrte Äste. Der Baumstamm war ausgetrocknet und spröde. Die Erde drum herum kahl und unfruchtbar. Dort, wo sich damals das Tor zur Hölle geöffnet hatte, war nun nichts mehr. Als hätte es dieses nie gegeben. Nach all diesen Jahren hatte sich der Baum nie von meiner Schandtat erholen können. Dort wo ich die stärkste Verbindung zur großen Erdenmutter herstellen konnte, war nun ein großes Nichts.

Den Arm austreckend, legte ich meine Handfläche vorsichtig auf den Baumstamm, doch sobald ich diesen berührte, zerbröselte die Borke unter meinen Fingern. Mein Blick verschleierte, als sich die Tränen ihren Weg in meine Augen bahnten. Ich fühlte bei der Berührung nichts mehr. Es lag keine spirituelle Energie mehr in den Wurzeln des Baumes. Dieser Ort hier war für mich am heiligsten gewesen und ich hatte ihn zerstört.

Ich entfernte meine Hand wieder und trat von dem Baum zurück, nur um mich anschließend meiner größten Angst zu stellen. Meiner Rückkehr nach Hause.

Tief durchatmend drehte ich mich um und konnte von dem Hügel aus, die gesamte Wiese überblicken. Mein Blick jedoch blieb nur an einer Stelle haften. An den Ruinen des Hauses, die sich unten befanden.

Wieder einmal hörte ich den Schrei meiner Mutter. Hörte die Explosion und roch das Feuer.

Mein Atem wurde schneller und ich merkte, wie die Enge um meine Brust und meine Kehle immer stärker wurde. Ich bekam plötzlich keine Luft mehr und sank auf die Knie. Meine Finger gruben sich in die tote Erde unter mir.

Ich musste mich zusammenreißen. Ich musste stark bleiben und an meine Aufgabe denken.

Konzentrier dich... Die Stimme in meinem Kopf wurde immer lauter und drängte mich dazu wieder auf die Beine zu kommen. Ich musste im Fokus bleiben. Mir blieb nicht viel Zeit und das Buch der Dämonen war noch immer verschwunden.

>Lass mich übernehmen<, sagte eine andere Stimme in meinem Inneren. Ich konnte fühlen, wie die Finsternis sich regte. Wie sie versuchte an die Oberfläche zu gelangen. Mir war bewusst, dass die Finsternis ohne Probleme diese Aufgabe erledigen konnte. Sie würde meine Gefühle und meine Moral in den Hintergrund drängen und diese einsperren. Nur wollte ich es nicht. Ich musste mich dem stellen, was ich verbrochen hatte.

>Lass mich frei<, flüsterte sie erneut.

Ich schüttelte den Kopf. >>Nein.<<

>Dummes Mädchen.<

Immer wieder nahm ich tiefe Atemzüge, um mich zu sammeln. Und erst, als ich wusste, dass die Finsternis sich wieder zurückgezogen hatte, stand ich auf. Ich musste mich wieder auf meine Aufgabe konzentrieren und alles weitere zurückdrängen, denn ich wusste nicht, wie viel Zeit mir noch bleiben würde, ehe Belial zu seinem Angriff ausholen würde. Und ich hatte bereits genug Zeit verschwendet, um überhaupt hier hinzugelangen.

Ich hatte ein Portal in die Stadt geöffnet, hatte dort meine Sachen gelassen und mich anschließend auf dem Weg hier hin gemacht. Allerdings fühlte sich der Weg zu diesen Ort viel zu lang an und immer wieder hegte ich Zweifeln daran hier her zurückzukehren. Der Gedanke einfach abzuhauen und mich irgendwo zu verkriechen, steckte tief in mir, aber dann dachte ich an all die Menschen zurück, die bereits genug unter Belials Mordlust gelitten hatten und wusste, dass ich es beenden musste. Ein für alle mal.

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