Kapitel 33

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~ Enzo ~

Mein Leben bestand schon immer aus gewinnen und verlieren. In der Ausbildung zum Exorzisten, musste ich viel erdulden. Das Kampftraining war hart und die Lehrer, mit denen ich zu tun hatte, unerbittlich und gnadenlos. Mein eigener Vater hatte mich kein bisschen mit Samthandschuhen angefasst. Aber es war die liebevolle Strenge, die er mir Tag für Tag entgegenbrachte, die mir zeigte, was im Leben wirklich wichtig war. Das Überleben.

Immer, wenn ich am Boden lag, durch einen verlorenen Kampf oder auch durch beinahe Zusammenbrüche, die ich in der Ausbildung erlitten hatte, pflichtete er mir bei auszustehen. >>Kämpfen oder sterben. Doch ich rate dir zu kämpfen, mein Sohn.<< Strenge und doch gut gemeinte Worte und ein darauffolgendes Schulterklopfen. Nicht gerade die Aufmunterung, die ein siebenjähriger brauchte, doch das war alles, was ich von ihm kriegen konnte, und ich nahm es, ohne zu zögern. Er war ein starker und weiser Exorzist. Er war der erste, den ich verloren hatte.

>>Enzo... Dein Vater... Er...<< Der Priester schaffte es nicht mal die Worte auszusprechen, doch ich hatte ihn auch so verstanden. Es war der Moment, in dem meine Welt zum ersten Mal auseinanderbrach. Mit Dreizehn wurde ich zum Weisen. Zu der Zeit war ich noch nicht lange im Vatikan gewesen. Erst einige Wochen zuvor hatte Vater mich dorthin gebracht. Vielleicht hatte er aber auch für seinen Sohn vorgesorgt, da ihm bewusst wurde, dass er sterben würde. Diese Frage stellte ich mir noch immer, denn ich hatte nie eine richtige Antwort auf diese gefunden.

Im Laufe der Jahre hörte ich immer wieder von Exorzisten, die ihr Leben im Kampf verloren hatten, sah die Trauer der anderen. Ich hingegen hatte mich zu der Zeit zurückgezogen und trauerte auf meine eigene Weise. Ich trainierte mehr, wurde stärker und übertraf jeden in meiner Klasse. Letztendlich wurde ich Pater Marino zugewiesen. Ich begleitete ihn als Lehrling bei seinen Aufträgen, half ihm bei den Austreibungen und beobachtete. Pater Marino war die erste Person seit langen, die ich nach dem Tod meines Vaters an mich heranließ.

>>Wir sind dafür da, um zu beschützen.<< Er war ein guter Mensch und ich glaubte, dass er vielleicht derjenige sein würde, der mich aus der Finsternis, die mit Vaters Tod ausgelöst wurde, endlich ganz herausholen würde. Doch dann ging auch er.

Die Zerstörung, die der Dämon Belial damals hervorgerufen hatte, hatte etwas in mir ausgelöst. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl von gnadenloser Rache verspürt. Und mit jeden weiteren Tod, der auf sein Konto ging, wurde mein Zorn größer.

Kämpfen und beschützen. Beides wurde zu meinen Grundprinzipien. Ich hatte mir vorgenommen nie wieder jemanden zu verlieren. Keinen Fremden und erst recht keinen Freund. Doch leider hatte ich nicht einmal das hinkriegen können.

Mit Aislinn hatte ich eine weitere mir wichtige Person verloren. Sie war, wie eine Schwester für mich. Familie, bei dessen Schutz ich versagt hatte. Mein einziger Lichtblick war Wren. Ihre Energie, war wie ein Glühwürmchen, welches mir ein wenig Licht und Trost in dem finsteren Tunnel spendete, in dem ich mich befand. Doch...

>>Es tut mir leid.<< Ihre Stimme war wie ein leises Flüstern, das von den Wänden des Tunnels widerhallte und diese zum Beben brachte.

~

Langsam öffnete ich die Augen. Ich lag auf einem Bett und in meinem Kopf drehte sich alles. Noch immer konnte ich ihre Stimme hören, doch ich spürte sie nicht länger. Wrens spirituelle Energie war verschwunden.

Bei dieser Tatsache riss ich mich von Bett hoch, schwankte jedoch als sich erneut alles um mich herum zu drehen begann. Nachdem sich alles wieder beruhigt hatte, sah ich mich im Zimmer um, doch von Wren keine Spur. Ich hörte ihre Stimme erneut. Spürte die Bitte um Vergebung.

Ich fühlte meine Finger zu meinen Lippen. Zwar wusste ich nicht, wie viel Zeit bereits vergangen war, doch ich konnte den Druck ihrer Lippen noch immer spüren. Meine andere Hand ballte sich zur Faust. Es war ein Abschied gewesen. Ich hätte es gleich merken sollen, doch ich war so von diesen Moment geblendet gewesen, dass ich Idiot ihr Vorhaben nicht erkannt hatte.

>>Fuck!<<

Mit knirschenden Zähnen setzte ich mich in Bewegung und verließ das Zimmer, nur um anschließend in mein eigenes zurückzukehren.

Wütend schlug ich die Tür laut zu und steuerte das Bett an, welches belegt war. Archer schlief seinen Rausch noch immer aus.

>>Archer!<<, rief ich aus, doch der Gestaltwandler brummte nur vor sich hin. Also beschloss ich ihn auf eine andere Weise zu wecken. Ich holte mit dem Bein aus und kickte ihn aus dem Bett.

Er krachte auf der anderen Seite des Bettes auf dem Boden und das riss sich aus seinem Schlaf heraus. >>Verfluchte Scheiße! Was soll das?<< Sein Gesicht war blass, doch er sah nicht mehr so aus, als wäre er noch immer betrunken.

>>Steh auf. Wir müssen los<<, wies ich ihn an. Ich durfte keine Zeit verlieren.

Archer hievte sich zurück aufs Bett und seufzte schwer. >>Noch fünf Minuten<<, murmelte er, aber ich dachte nicht mal dran ihn sich wieder hinlegen zu lassen.

>>Wir haben keine Zeit für den Scheiß. Wren ist weg.<<

>>Was meinst du mit weg?<< Erschöpft fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. Sein Verstand schien anscheinend noch immer nicht richtig zu arbeiten.

Ich rollte mit den Augen. >>Keine Zeit für Erklärungen. Beweg deinen Arsch.<< Ich war bereits dabei nach meiner Tasche zu greifen, als sich mein Begleiter ins Badezimmer schleppte.

>>Weißt du überhaupt wohin?<<

>>Ich hab da 'ne Ahnung.<< Wir hatten bisher nie wirklich darüber gesprochen. Wren wusste, wo Belial als nächstes zuschlagen würde, nur hatte sie es mit meinem Wort erwähnt. Sie hatte uns Zeit geben wollen, uns von dem gewaltigen Rückschlag zu erholen. Doch mittlerweile kannte ich sie gut und ich wusste, dass sie nach dem Buch der Dämonen suchen würde, um zu verstehen, was damals all das ausgelöst hatte. Und ich wusste auch, wo sie das Buch zuletzt gesehen hatte. Also war das der erste Ort, an dem ich nach ihr suchen wollte. Leider besaß Wren durch ihre Portale einen viel größeren Vorsprung, als mir lieb war. Das war der Grund, wieso wir keine Zeit mehr verschwenden durften.

Kämpfen und beschützen...

Ich würde keinen mehr dem Tod überlassen. Und erst recht nicht die kleine Hexe.

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