#42 Freunde und Familie

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Die Autofahrt war ich komplett ruhig, während sich die beiden rege unterhielten. Es war schon fast seltsam, wie vertraut sie zu einander wirkten, was ich so zuvor noch nie beobachtet habe. Die Ruhe nutzte ich, um meiner Mutter zu schreiben, dass ich später nach Hause kommen würde, worüber sie sich sehr freute, als ich ihr meinen Aufenthaltsort nannte, wo ich bis heute Abend bleiben würde.

,,Sooo.", schwunghaft betrat mein großer Bruder seine Wohnung, wonach ich hereingebeten wurde. Direkt drehte er mir Essen an, was ich dankbar annahm. ,,Ihr könnt euch schonmal ins Wohnzimmer setzen.", schüchtern nickte ich, während Hyungwon ganz selbstverständlich vorging, als würde er hier wohnen.

Aber Moment mal, das tut er ja sogar!

Es war für mich so ungewohnt gewesen, dass ich es schon ganz vergessen hatte. Zum ersten Mal sah ich die Wohnung in ihrem wahren Zustand, was alles viel lebhafter wirkte. Hier und da entdeckte ich Bilder, wo beide zusammen auf Reisen waren, wobei sie die unterschiedlichsten Orte besuchten. Aber nicht nur von dem Pärchen schmückten mir unbekannte Fotos Teile der Wände, sondern auch Fotos von Hyungwons Familie und auch solche, die mutmaßlich aus seiner Schulzeit stammen. Neben Bildmaterial lagen auch persönliche Dinge herum, die der Wohnung einen ganz anderen Charakter verlieh. 

Das räumen sie echt jedes Mal um, wenn sie Besuch bekommen?

Diese Frage behielt ich für mich, da sie mir theoretisch schonmal beantwortet wurde. Auch behielt ich generell Bemerkungen in dieser Richtung unter Verschluss, um die Stimmung nicht kippen zu lassen. Stattdessen wurde ich mit Fragen bombardiert, die fast ausschließlich von meinem Bruder kamen.

Er wollte wissen wie es mit mir und Felix aussieht, wie das Projekt angekommen ist und warum ich überhaupt so spontan aufschlage. 

Die Sache mit dem Projekt war schnell erzählt, wozu Wonho mich mehr lobte als es nötig gewesen wäre. Über Felix hätte ich am liebsten gar nicht gesprochen, rang mich dazu aber durch, um mich mit meinem Bruder besonders gut zu stellen. So erzählte ich ihm, dass wir nicht mehr viel Kontakt haben, ich aber trotzdem das Geld für ihn erarbeiten möchte, wobei wir bei einem Thema landeten, das mir besonders schwerfiel. 

Denn genau wegen des Geldmangels sitze ich hier.

Mir war schon unangenehm überhaupt nach Geld zu fragen, was jetzt noch viel schlimmer war, weil ich nicht alleine mit ihm reden kann. Bis eben schien er vor seinem Freund auch kein Wort über meine Situation in der Schule verloren zu haben. Etwas, von dem ich mir gerade das Gegenteil gewünscht hätte. Durch seine Unwissenheit fühlte ich mich dazu verpflichtet alles von vorne zu erzählen, damit er versteht wieso die Dinge gerade laufen, wie sie nun mal laufen. 

Mein Bruder half mir dabei nur die wichtigsten Informationen zu erwähnen, womit er auch lenkte, dass ich nicht ganz in einem schlechten Licht dastehe, wofür ich ihm unendlich dankbar war. ,,Du musst das mit Han irgendwie beenden, bevor es richtig in die Hose geht.", schwermütig nickte ich. Mir war klar, dass ich das müsste. Von heute auf morgen könnte ich das aber nicht, weswegen ich Geld brauche, um mir Zeit zu verschaffen. 

Gegen meine Erwartung wollte mir mein Bruder jedoch nichts leihen, mitunter auch, weil sein Lebensgefährte das nicht befürwortete. Zwar wollte er nicht, dass ich ihn Schwierigkeiten gerate, wollte aber auch nicht, dass ich irgendwo ende, wo ich nicht mehr rausfinde. Schnell entstand darum zwischen ihnen eine Diskussion um mein Anliegen. Beide wogen gemeinsam ab was die bessere Entscheidung wäre, wobei sie zum Schluss kamen, mir einmal auszuhelfen.

Dafür sollte ich versprechen der Sache ein schnelles Ende zu setzen. Mit meinen nächsten Worten versicherte ich ihnen, dass ich alles in meiner Macht Stehende dafür unternehmen werde. Wenig begeistert ging Hyungwon an eine kleine Kiste, die im Fernsehertisch stand, wo er mir genug Geld für das nächste Treffen gab. ,,Das gibst du uns aber wieder.", fest hielt mein enger Verwandter meine Hand, während er mir bestimmend in die Augen sah.

Selbstsicher nickte ich, womit das Thema abgeschlossen war.

Wir widmeten uns lieber wieder schöneren Themen, wie zum Beispiel das Zueinanderfinden der beiden, von dem ich nur zu gern mehr erfahren würde. Natürlich wurde auch Felix ab und an erwähnt, was mich zwar immer wieder traurig stimmte, aber glücklicherweise nicht zu sehr vereinnahmte. Nur als ich ihnen das von mir geschnittene Werbevideo zeigte, kämpfte ich mit dem Gefühl der Sehnsucht, das schnell in eine kalte Leere umschlug.

Das Pärchen setzte aber alles daran, um mich nicht alleine mit dem Liebeskummer stehenzulassen.

Solange sie anwesend waren konnte ich meine Gefühle tatsächlich auch gut in Zaum halten, was zu Hause wieder ganz anders aussah. Krampfhaft suchte ich nach Ablenkung, wobei mir jedes Mittel recht war. Nach Ewigkeiten nahm ich wieder ein Buch in die Hand, konnte mich jedoch nicht konzentrieren. Egal, ob ich Musik hörte oder ganz still versuchte zu lesen. Also setzte ich mich an meinen Computer, wo ich durch meine Steam-Bibliothek scrollte. Die Suche nach einem Spiel verlief allerdings noch schlechter, als ich erwartet hatte. Keines der Spiele, die ich besitze, sprach mich an, weswegen ich gelangweilt meinen Bildschirm anstarrte und überlegte was ich sonst machen soll, da es schon sehr spät am Abend war. Nur wenige Sekunden später beanspruchte dann aber plötzlich die untere Ecke meines Monitors meine Aufmerksamkeit.

Wie so oft wurde ich mit Nachrichten von meinen Freunden bombardiert.

Sie wollten wissen, ob ich morgen Zeit habe, um mal wieder etwas zu unternehmen. Wie so oft antwortete ich aber nicht, weswegen einer von ihnen einfach das Ruder an sich nahm.

Changbin 23:40
'Ach, was frage ich überhaupt. Morgen um 10 Uhr holen wir dich ab, sei dann lieber geduscht und angezogen ✌🏻'

Stark seufzte ich aus, bevor ich mein Headset aufsetzte und den Sturkopf bei Discord anrief, der sofort ranging. Direkt fragte ich genervt ohne Begrüßung nach, wie er bitte auf die Idee kommt, für mich zu bestimmen, weil er doch gar nicht wissen kann, was morgen so ansteht. ,,Hast du denn was vor?", stellte er darauf eine Gegenfrage, die mir etwas zu plötzlich kam. Eine Antwort hatte ich darauf deswegen nicht und selbst wenn ich eine gehabt hätte wäre ich wahrscheinlich eh nicht zu Wort gekommen. ,,Mir kommt es so vor, als wenn du mir und Jeongin versuchst auszuweichen. Besonders seit du mit Felix chillst. ", dazu ergriff ich sofort das Wort und protestierte, dass ich weder zurzeit oder generell jemals mit ihm gechillt habe, sondern dass wir nur unsere Arbeit gemacht haben. Meine Aussage unterstützte ich mit dem Projekt, was ich im Gegensatz zu ihm vollständig hatte, was ihn kurz ruhig stellte. ,,Trotzdem verhältst du dich seitdem komisch. Du kommst nicht mehr on, redest in der Schule fast gar nicht mit mir und raus bekomme ich dich auch nicht. Hab ich dir was getan?", obwohl er besorgt zu sein schien klang er auch etwas wütend, was mich schlecht fühlen ließ.

Ich weiß doch auch nicht, wieso ich zurzeit so drauf bin.

Um ihn nicht weiter zu verärgern entschuldigte ich mich, was ich auch wirklich ehrlich meinte, wonach ich ihm versicherte, dass alles in Ordnung sei. ,,Sicher Chan?", anscheinend macht er sich wirklich Sorgen, auch wenn das gar nicht zu ihm passt.

Oft fällt es ihm schwer konkret über Dinge zu sprechen, die ihn belasten, oder zu zeigen, wenn er sich sorgt, was sich die meisten kaum bei ihm vorstellen können. Nach außen hin bewahrt er ein selbstbewusstes Auftreten und nimmt öfters den Raum mit seiner Energie ein, was die Leute oft falsch von ihm denken lässt. In ihm drin ist er nicht so sorglos, sondern beobachtet das Geschehen sehr wohl um ihn herum, wozu auch er sich seine Gedanken macht. Umso süßer war es also gerade, dass er mich seine Bedenken spüren lässt.

Eine Sache, die mich lächeln ließ, weswegen ich auch für morgen zusagte, obwohl ich nicht wusste, was auf mich zukommen wird.

Lemme pay with my currency || ChanlixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt