Sicht Anna:
Meine Augen blickten draußen zum Fenster, wo der Mond wieder schien und die Sterne um ihn tanzten. Es kam mir vor, als würde die Zeit schneller vergehen als es je möglich war. Es war kühl draußen. Und obwohl es drinnen ebenfalls warm war, so war mir kalt. Sowohl äußerlich aus auch innerlich. Das einzige, was mir noch Hoffnung gab war die wiederkehrende Wärme von Stefans Hand, die ist hielt und sie mein einziger Halt war. Erneut blickte ich runter zum Bett, wo mein Bruder unter einer Decke liegend schlief. Farbe war wieder auf seinem Gesicht zurückgekehrt, doch er war nicht aufgewacht. Mir tat es so weh, ihn so zu sehen und dabei nichts tun zu können. Mir blutete das Herz bei dem Anblick. Ich wollte, dass er wieder aufwacht. Er sollte wieder zurückkehren.
Mir brannten die Augen, meine Wangen waren kühl von den getrockneten Tränen, die mir gestern über die Wangen gelaufen waren. Und erneut drohte ich zu weinen.
Stefan lag einfach da, schlief und wollte anscheinend nicht aufwachen.
So durfte ich nicht denken, hatte mir mein Onkel gesagt, als er nochmal nach ihm geschaut hatte, doch ich hatte kaum zugehört, sondern mir nur weiter die Schuld an seiner schweren Verletzung gegeben.
"Stefan", flüsterte ich leise, so leise, dass nur ich es hören konnte. "Bitte, wach auf."
Sanft strich ich seine Hand, die noch immer schlaff in meine lag. Ich vermisste ich zu sehr.
"Weißt du noch, als wir noch klein waren, da haben wir mit unsere Eltern und unsere Großmama Eis gegessen und vor lauter Lachen haben wir richtig gekleckert. Unsere Wangen waren voller Schokolade und Sahne. Sogar dein Shirt hatte mal was abgekommen." Ich musste leise lachen, als ich mich daran zurück erinnerte. "Du hast dir dabei nichts gedacht, sondern einfach nur gegrinst und weiterhin deinen Schokobecher genommen, während ich meinen mit Haselnuss und Erdbeeren aß."
Bei der Erinnerung an sein süßes Grinsen schniefte ich leicht. Die Tränen kehrten zurück. Ich sah nur noch verschwommen.
"Wie gerne würde ich wieder mit dir Eis essen gehen und einfach nur zusehen, wie du es genießt, die Kühle der cremigen Milch, die Süße der Schokolade und sie Sahne, die dir ein Oberlippenbart hinterlasst." Erneut schniefte ich.
Ich stand vom Stuhl auf, setzte mich auf dem Bett, um ihn näher zu sein und strich sanft seine Wange. Seine Haut war so warm und seine Gesichtszüge sahen so entspannt aus.
Auch, wenn ich lächelte, so spürte ich den schmerzenden Knoten im Herz.
Der Kloß, der sich in meinem Hals breitmachte, wurde unerträglicher und schmerzte, als hätte ich lange nichts mehr getrunken. Oder als hätte ich zu lange geweint.
"Stefan, es tut mir so unendlich leid, dass du wegen mir verletzt worden bist. Ich hätte dir zuhören sollen, statt dich dauernd zu unterbrechen. Wegen mir bist du erst in dieser Lage. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und dafür sorgen, dass der Pfeil dich nicht getroffen hätte. Sie hätte mich treffen sollen. Es tut so weh, dich so hilflos und ohne Bewusstsein zu sehen und dabei Schuld zu haben, dass du nun hier liegst und um dein Leben kämpfst." Mir floss eine Träne aus dem Auge. "Bitte, Stefan. Wach auf! Ich akzeptiere auch deine Beziehung mit Lúthien. Ich kann mir sowieso niemand Besseres an deiner Seite vorstellen und ich möchte erleben, wie ihr euch in die Arme schließt, wenn wir wieder Zuhause sind, wie ihr den Bund eingeht und eure Kinder herumtollen sehen und wie sie mir meine spielen, falls ich eines Tages auch welche haben werde. Ich möchte erleben, wie ihr beide euch festhält, euch innig liebt und dabei das Leuchten in eurer beiden Augen sehen." Ich kann die Schluchzer kaum nicht halten, genauso wenig die Tränen. "Bitte, Stefan, verlass mich nicht. Du bist mein Bruder und ich liebe dich so sehr. Ich kann ohne dich nicht mehr sein. Es tut mir so leid, dass ich nicht so eine gute Schwester bin, wie du es verdient hast."
Nun war es vorbei mit dem Zurückhalten meiner Tränen, die unaufhörlich flossen und auf meinem Kleid tropften. Ich schluchzte auf und vergrub mein Gesicht in meine Hände. Meine Schultern bebten bei jeden Schluchzen, der meinen Lippen verließ.
Ich fühlte mich so allein. Mein Herz tat so weh und ich hatte das Gefühl zu ertrinken vor Kummer, Sorge, Angst und völliger Verzweiflung. Der Schmerz, der sich festsetzte waren zum greifen nahe, ich konnte sie berühren, sie zogen mich mit in einer abgrundtiefe Schlucht, aus der ich nicht auftauchen konnte.
"Shh", vernahm ich, doch klang es weit weg und außerhalb meiner Sinne. Eine sanfte, warme Berührung strich mit schmerzlicher Zärtlichkeit ein meiner Haarsträhnen. "Dich trifft keine Schuld."
Ich erschrak. Blickte auf. Und starrte erschrocken. Ich hatte wirklich geglaubt, mein Liebster hätte das Zimmer betreten und hatte versucht, mich zu trösten. Doch es war nicht er, der bei mir war.
Stefans Augen sahen mich sanft und mit leichter Sorge an. Seine Hand legte sich sachte auf meine Wange und sein Daumen strich meine Tränen fort, die noch immer flossen.
"Stefan!", brachte ich erstickt hervor.
Er lächelte schwach, aber es war so leuchtend, da es seine Augen erreichten. "Anna", brachte er leise hervor. "Es bedarf schon etwas mehr, um mich von dir zu entfernen. Mich wirst du nicht los."
Dieser Scherz brachte mich sowohl zum Lachen als auch zum Schluchzen.
"Komm her", er öffnete langsam seine Arme und weinend legte ich mich sachte zu ihn hin. Sofort vergrub ich mein Gesicht an seinem Hals und weinte weiter. Weinte vor Erleichterung und unsagbarer Freude. Er war wieder da. Mein Bruder.
Sanfte Fingern strichen mich beruhigend übern Arm und übers Haar. "Anna, verzeih mir."
Ich blickte fragend auf. "Hm? Wieso?"
"Ich hätte dir schon vor Jahren was sagen sollen, das zwischen Lúthien und mir. Doch ich hatte Angst, keiner würde das akzeptieren."
"Angst, ich würde das nicht akzeptieren", schlussfolgerte ich.
Er nickte sachte. "Ja."
"Stefan. Es ist alles gut. Ich habe mittlerweile kapiert, wie ehrlich und wahrhaftig deine Gefühle sind. Besonders für Lúthien. Ihr seid beide meine Familie und ich liebe euch beide so sehr. Und wenn das zwischen euch Wirklich ist, dann habt ihr meinen Segen."
Erleichterung strahlte er übers ganze Gesicht. "Danke, Anna. Das macht mich so glücklich." Er küsste sachte mein Haar. "Aber glücklicher macht es mich, dich zu haben. Der Gedanke, meine Schwester zu verlieren, es hat mich fertig gemacht und erneut ist mir klar geworden, dass ich dich nicht verlieren möchte."
Leise schniefte ich. Diese lieben Worte, sie berührten mein Herz und ich konnte freier atmen. Enger kuschelte ich mich an ihn, achtete aber darauf, seine Wunde nicht zu berühren. Enger zog er mich an sich, griff nach meiner Hand, die auf seiner Brust lag und hielt mich weiter in Arm. Nun lagen wir da, mein Bruder wieder erwacht und ich nun freier atmend, genossen es, uns wieder zu haben und ich hatte endlich wieder das gute Gefühl, dass alles wieder gut werden würde.
So, nun habt ihr, was ihr gewollt habt. Stefan ist wieder wach, habe beim Schreiben voll den Kloß im Hals gehabt
Nächsten Sonntag geht es weiter, mal sehen, was uns so alles erwarten wird ^^
LG Lila Moon
DU LIEST GERADE
Valinors Blume
FanfictionEine Bonusgeschichte von Der Blauen-Jungfrau-Trilogie. Hier geht es um die Halbelbin Anna, die Enkelin von Jini, die Hauptprotagonistin der Trilogie. Anna ist eine junge Halbelbin, die mit ihren Bruder Stefan, ihre Eltern und ihrer gesamten Familie...