Kapitel 1

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Emilia

»Komm rein«, zog ich die Tür auf, damit Yara eintreten konnte. »Bin ich froh, wieder hier zu sein. In Lemont ist überhaupt nichts los«, umarmte sie mich. »Du kannst ja bald wieder zurück nach Chicago ziehen«, strich ich über ihren Rücken. »Na mal sehen. Weißt du noch, wie Mum und Dad sich angestellt haben, als Sam und du meintet, ihr wollt hier blieben. Ich fürchte mir wird ähnliches bevor stehen«, seufzte sie an meiner Schulter. »Warte erstmal ab. Mum und Dad sind jetzt erstmal zwei Wochen weg. Bis dahin kann sich viel ändern«, gab ich ihr Zuspruch. »Mal sehen«, löste sie sich von mir und sah sich in meiner Wohnung um. »Wow. Ich war wirklich lange nicht mehr da gewesen. Hier hat sich ja so einiges verändert«, sprach sie meine neue Einrichtung an.

Durch meinen Assistenzposten in Dads Firma, die Sam im Laufe der nächsten Jahren übernehmen sollte, verdiente ich genug, um endlich meine alten Möbel ersetzen zu können. Den Großteil davon hatte ich vor drei Jahren, kurz nachdem ich hergezogen war, auf einem Flohmarkt ersteigert. Auch, wenn Mum und Dad darauf bestanden hatten mir neue Möbel zu kaufen, wollte ich endlich auf eigenen Beinen stehen. Deswegen erlaubte ich ihnen nicht, mir unter die Arme zu greifen, solange es nicht wirklich dringend war. Immerhin hatten Scott und Alena schon so viel für Sam und mich getan, dass wir irgendwann auch mal lernen mussten, allein klarzukommen.

»Stimmt. Ich brauchte ein wenig Veränderung«, besann ich mich darauf, dass ich Yara noch gar nicht geantwortet hatte. »Gefällt mir. Genau, wie deine neue Frisur und die Haarfarbe«, zupfte sie an einer Strähne, die um einiges kürzer war als das letzte Mal. »Danke«, wurde ich unsicher. Das passierte immer, wenn jemand mir ein Kompliment machte. Obwohl ich nicht mal genau sagen konnte, warum. Aber trotzdem war es mir unangenehm, wenn jemand etwas Nettes zu mir sagte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Yara eine bildhübsche junge Frau war, die garantiert von allen Männern vergöttert wurde. Ihre leicht gewellten hellbraunen Haare reichten ihr fast bis zum Po. Und von ihren eisblauen Augen musste ich erst gar nicht anfangen. Ihr Blick zog Menschen nur so in ihren Bann.

Doch das durfte Dad niemals hören. Er würde wahrscheinlich durchdrehen und die Gesamtheit der männliche Bevölkerung kastrieren. Und ja. Das traute ich ihm tatsächlich zu. Yara war sein ein und alles. Natürlich liebte Scott Sam und mich auch. Aber es machte eben doch einen Unterschied, ob man das leibliche Kind von jemandem war oder eben nicht. Auch, wenn das keiner so richtig zugab.

Ich sah im Gegensatz zu meiner Schwester eher, wie der Durchschnitt aus. Vielleicht versuchte ich genau deswegen, mit meinen ständig veränderten Aussehen irgendwie aufzufallen. Seit neustem trug ich meine Haare in einem schulterlangen, pearlfarbenen Stufenschnitt. Mit meiner Größe von 1,72 Meter entsprach ich ebenfalls nur dem Durchschnitt und meine Figur würde ich auch als vollkommen normal und langweilig beschreiben. Selbst bei meiner Körbchengröße von 75B war nichts Besonderes.

»Was machen wir jetzt?«, lief sie ins Wohnzimmer und ließ sich dort rückwärts aufs Sofa fallen. »Ich hatte überlegt, ob wir etwas Essen gehen wollen. Natürlich können wir auch was kochen, aber nach meinem Arbeitstag würde ich mich heute gerne bedienen lassen. Aber du darfst entscheiden«, schob ich Yaras Beine vom meinem Zweisitzer, damit ich mich neben sie quetschen konnte. In einer zwei Zimmer Wohnung war einfach kein Platz für eine gemütliche Wohnlandschaft. Und für mich allein reichte der Zweisitzer auch vollkommen aus.

»Einverstanden. Dann gehen wir Essen. Ich hab auch keine Lust mehr zu kochen. Worauf hast du Lust?«, legte sie ihre Hand auf meinen Oberschenkel. »Hm. Lass mich kurz überlegen«, tippte ich an mein Kinn. Ich warf Yara einen Seitenblick zu, welchen sie wissend erwiderte. »Italienisch«, kam es wie aus der Pistole geschossen gleichzeitig aus unseren Mündern. Daran merkte man eben doch, dass wir Schwestern waren. Ob blutsverwandt oder nicht, spielte dabei keine Rolle. Immerhin teilten wir unsere Vorliebe für italienisches Essen aufgrund unserer zahlteichen Urlaube in Europa, vor allem Italien mit Mum und Dad.

Chicago Bastard - How you saved meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt