Kapitel 11

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Emilia

Natürlich ging er nicht. Das wäre ja auch zu schön gewesen. Deswegen hoffte ich inständig, dass Yara so schnell, wie möglich wiederkam und mich aus dieser misslichen Lage befreite. »Was hast du an »Du sollst gehen« nicht verstanden?«, sollte meine Stimme aufgebracht klingen. Stattdessen brach sie mitten im Satz und ich klang absolut verunsichert. So schnell konnte ich gar nicht schauen, da stand Owen bereits vor mir. Mit seinen warmen Fingern umgriff er mein Kinn und drückte es nach oben, bis ich ihn ansah. Und auch, wenn ich diesen Mann kaum kannte, sah ich das Versprechen in seinen grauen Augen. Dafür weiteten sich meine Augen als mir bewusst wurde, dass er mich tatsächlich berührte.

Blitzschnell wich ich vor ihm zurück und brachte Abstand zwischen uns, während meine Stimme heiser klang. »Nicht anfassen«. Sein Blick wechselte zwischen meinen Augen hin und her. Er wirkte, als wägte er ab, wie weit er gehen konnte. Scheinbar hatte er seine Antwort bereits gefunden. Denn keine 10 Sekunden später stand er wieder direkt vor mir. »Ich kann dir nur helfen, wenn du absolut ehrlich zu mir bist Emilia. Ansonsten wird das nicht funktionieren«, senkte er seine Stimme. Und die Tiefe bescherte mir eine angenehme Gänsehaut, die mein Körper erzittern ließ. Jedoch im positiven Sinne. Das war jedenfalls die einzige Erklärung, warum ich damals im Club zugelassen hatte, dass seine Hand unter mein Kleid rutschte und Sachen mit mir anstellte, die mir völlig fremd waren.

»Ich erwarte eine Antwort Emilia«, benebelte der Klang meines Namen, der über seine Lippen kam, meine Sinne, sodass ich im ersten Moment nicht begriff, was er eigentlich von mir wollte. Hinzukam die federleichte Berührung seines Daumens, der meine Unterlippe nachfuhr. Er lenkte mich so sehr ab, dass ich gar nicht bemerkte, wie er seine Hand gehoben hatte. »Ich...Woher soll ich wissen, dass du nicht hinter dem Ganzen steckst?«, trat ich verschreckt einen Schritt zurück, als mir mein Gedanke bewusst wurde. »Was hätte ich denn davon? Was sollte es mir bringen dir Drohbriefe zu schreiben?« »Ich weiß es nicht«, zuckte ich hilflos mit den Schultern.

»Ich verrate dir eins Emilia. Wenn ich hinter dem Ganzem stecken würde, hätte ich dich schon längst mit zu mir genommen. Vor allem jetzt, wo deine Schwester nicht da ist, wäre es ein leichtes für mich. Nur als kleine Vorwarnung. Da ich das aber nicht habe, ...«, ließ er seinen Satz unvollendet. Als seine Botschaft bei mir ankam, schluckte ich schwer. Hatte er mir gerade indirekt gesagt, dass es für ihn ein leichtes wäre mich zu entführen. Oh Gott! Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln und ihm zu antworten. »Das heißt aber noch lange nicht, dass ich dir vertraue«, hob ich warnend meinen Finger, um wenigstens etwas von meinem Stolz wiederherzustellen.

»Das habe ich auch nicht verlangt. Du sollst nur ehrlich zu mir sein«, schob er mir eine lose Haarsträhne hinter das Ohr. Und ich war mir nicht sicher, ob er das bewusst oder unbewusst tat. Jedenfalls schien es ihm nicht unangenehm oder peinlich zu sein. Ganz im Gegensatz zu mir, die mit rot glühenden Wangen vor Owen stand. Dankbar, dass er nichts zu meiner plötzlichen Verlegenheit sagte, wandte er sich von mir ab und hob stattdessen den Zettel auf, den ich vorhin nach ihm geworfen hatte. Still beobachtete ich, wie Owen ihn auseinanderfaltete und begann zu lesen. Anhand seines versteinerten Gesichtsausdrucks konnte ich nicht herauslesen, was er darüber dachte.

»Wie viele Briefe hast du seit dem Paket mit der Kinderhand bekommen?« »Wie bitte?«, stellte ich mich absichtlich dumm. »Emilia«, ließ sein Ton keinen Zweifel über seine Verärgerung. »Es waren 4«, knickte ich unter seinem intensiven Blick schließlich doch ein. »Wo ist der Rest?«, hielt er zur Verdeutlichung das Papier in die Höhe. Ohne eine Antwort beugte ich mich nach unten, öffnete die unterste Küchenschublade, schob die Putzmittel zur Seite und griff nach den restlichen Zetteln. »Hier«, hielt ich sie Owen entgegen. Er nahm sie mir ab und begann einen nach den anderen zu lesen.

Der Inhalt dieser Briefe war nicht schlimmer als das Paket mit der Hand. Es stand eigentlich immer dasselbe drin. Nämlich, dass ich ihm gehörte und lauter so ein Zeug. Jedoch nichts Weltbewegendes. »Das waren wirklich alle?«, hob Owen seinen Kopf, nachdem er die wenigen Zeilen gelesen hatte. »Ja«, rollte ich genervt mit den Augen. Er hat alles, was er gefordert hatte. Warum glaubte er mir denn nicht? »Schön. Bleibt noch das Paket. Ist es auch von ihm?«, huschte sein Blick auf das Päckchen, was ich hinter mich geschoben hatte, in der Hoffnung er hätte es schon wieder vergessen. Hatte er natürlich nicht. »Ich glaube schon. Ich habe es mir noch nicht so genau angesehen«, beschloss ich nicht weiter mit ihm zu diskutieren.

Chicago Bastard - How you saved meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt